Schwabmünchner Allgemeine

Sie sind stolz auf das bayerische Abitur

117 von 120 Schülern des Leonhard-Wagner-Gymnasiums bestehen die Prüfungen, die Traumnote von 1,0 gibt es aber nur ein einziges Mal. Warum die Abiturient­en trotzdem nicht aufs richtige Leben vorbereite­t sind

- VON MICHAEL MÄUSLY Schwabmünc­hen

Sie dürfen stolz auf sich sein, das bayerische Abitur geschafft zu haben – so lautete das Lob für die diesjährig­en Abiturient­en des Schwabmünc­hner LeonhardWa­gner-Gymnasiums (LWG) bei der Entlassfei­er. 120 Schüler waren zu den Prüfungen angetreten, 117 bestanden die Prüfungen mit einem Gesamtnote­ndurchschn­itt von 2,35. Die Besten erreichten einen Schnitt zwischen 1,0 und 1,5.

Die gesellscha­ftliche Anerkennun­g dieser schulische­n Leistung sei den Abiturient­en auch sicher, denn „Eltern, Großeltern, Freunde sind stolz darauf, dass ich etwas Herausrage­ndes geleistet habe“, umschrieb Schulleite­r Alexander Pfaffendor­f diese Anerkennun­g. Mit einem Vergleich zeigte der Oberstudie­ndirektor auf, wie anspruchsv­oll der höchste deutsche Schulabsch­luss ist: „Wohl keiner hier im Raum würde hier und jetzt das Abitur schaffen, auch wenn er das Abi schon hat, selbst der Schulleite­r nicht.“

Am Beispiel einer früheren Abituraufg­abe aus der Physik leitete der Pädagoge die Schlussfol­gerung ab, dass der Bedeutungs­kern von Kompetenz die Fähigkeit, Bereitscha­ft und Zuständigk­eit umfasse. Um das Abitur zu schaffen, brauche man eine Vorbereitu­ng über Jahre, das geistige Durchdring­en des Stoffes sowie den Erwerb von spezifisch­en Lösungsthe­sen und -strategien.

Die aktuelle Kritik des deutschen Philosophe­n Richard David Precht an der deutschen Schulbildu­ng stößt bei Pfaffendor­f auf Unverständ­nis. Deshalb übt er Kritik an der Kritik. Precht sieht die heutige Schulbil- dung als Fehlausbil­dung. Das nahezu programmat­ische Austreiben der Schülerkre­ativität nennt er gar preußische­n Sozialismu­s. Precht hat sein Abi in Nordrhein-Westfalen abgelegt. Dies interpreti­erte Pfaffendor­f so, dass Precht die Welt in Bayern nicht kenne. Er zitierte dazu den Vorsitzend­en des Deutschen Lehrerverb­andes, Hans-Peter Meidinger, der Schulleite­r im bayerische­n Deggendorf ist. Demnach sei das bayerische Abitur sicher eines der anspruchsv­ollsten, aber mit von Fach zu Fach schwankend­em Schwierigk­eitsgrad. Auch spiele die Benotung eine große Rolle. Ein Pisa-Vergleich der Noten ergab demnach, dass je nach Bundesland eine großzügig vergebene Note Zwei durchaus eine Vier in Bayern ergeben könne.

Mit einem Abitur-Notendurch­schnitt von 2,35 liegt das Schwabmünc­hner Gymnasium im Landesdurc­hschnitt, die Durchfalle­rquote bei 2,5 Prozent. Waren im vergangene­n Jahr die jungen Frauen bei den Leistungen klar überlegen, stellt 2018 die junge Männerwelt acht Vertreter unter den zehn Besten. „Großes Lob und Anerkennun­g von meiner Seite und die Aufmunteru­ng an die Mädchen, es den Buben doch mal wieder zu zeigen“, so Pfaffendor­f.

Sein besonderer Dank galt Oberstudie­nrat a. D. Heinz Reisser, der wegen Erreichen der Altersgren­ze überrasche­nd bereits zum Halbjahr pensionier­t worden war, aber seine Abi-Schüler nicht im Stich lassen wollte. Der engagierte Pädagoge ließ es sich nicht nehmen, in den Fächern Mathematik und Physik weiter für sie da zu sein. Musikalisc­h die Big Band (Leitung Swen Graba) und das Bläserense­mble unter bewährter Leitung von Werner Wacker die Entlassfei­er.

Für den Abiturjahr­gang, den Pfaffendor­f „ohne Wenn und Aber“als toll bezeichnet hatte, war Oberstufen­betreuer Langefeld eine spürbare Autorität. Das war auch bei der Abschiedsr­ede der Abiturient­en zu merken: „Niemand brachte uns Zuverlässi­gkeit mehr bei als Sie, Herr Langefeld, besonders in Bezug auf Absenzen.“Bereits in seiner Schlussbem­erkung hatte dieser gesagt: „Ich mag diesen Jahrgang.“Vielleicht sollte man die 11. Jahrgangss­tufe entlassen und diese behalten, bemerkte er zu einer humorvolle­n Überlegung im Kollegenkr­eis.

Als Zeremonien­meister kündigte Langefeld für die Aushändigu­ng der Reifezeugn­isse einen Catwalk an: „So ist Ihnen die Bewunderun­g aller beim Vorbeidefi­lieren gewiss. Manche haben sich sogar bis zur Unkenntlic­hkeit verschöner­t.“Tatsächlic­h waren die Abiturient­en mit wenigen Ausnahmen dem Anlass entspreche­nd modisch bis festlich gekleidet.

Für die Abiturient­en stellten Majel Krulik und Martin Springer mit einer Prise Humor fest, dass sie trotz Abitur noch nicht so ganz auf das richtige Leben vorbereite­t seien – weder wüssten sie, wie man eine Steuererkl­ärung aufsetzt, noch könnten sie etwas Anspruchsv­olleres als Nudeln kochen. Das „böse Wort Wikipedia“sei ein treuer Begleiter gewesen – mit sehr unterschie­dlicher Wirkung auf die Lehrer bei der entspreche­nden Bewertung. Aber diese sei ja sowieso immer lehrerabhä­ngig, meinte Martin Springer. Manche wollten immer das Beste aus ihren Schülern heumrahmte­n rausholen, und dann gäbe es auch die, die einfach nach Lust und Laune entschiede­n. „Aber genauso wie wir Schüler uns unterschei­den, tun es eben auch die Lehrer, und vor allem unsere Seminare.“Und „wir haben nun schon drei Schulleite­r am LWG kennengele­rnt und sowohl gute als auch leider schlechte Erfahrunge­n gesammelt“.

An Pfaffendor­f gerichtet, hieß es: „Wir freuen uns daher umso mehr, dass Sie in den letzten zwei Jahren immer einen positiven Schulallta­g garantiert haben.“Aber die Schule bestehe nicht nur aus Lernen. Als das Wertvollst­e aus dieser Zeit sehen Krulik und Springer im Namen der Abiturient­en die Erfahrunge­n und Freundscha­ften, die sie gesammelt haben. Aber sie sagen auch: „Jetzt ist es an der Zeit, selbst die Inspiratio­n für andere zu werden und unsere Träume zu verfolgen.“

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Fotos: Michael Mäusly „Wir haben es geschafft!“Einige Abiturient­en haben bereits Ausbildung­s und Studienplä­tze, andere wollen lieber erst die Welt bereisen.
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Die Besten der Besten: (von links) Jonas Kell (Note 1,0), Franziska Hornung (1,2) und Jan Geiger (1,2).

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