Sie sind stolz auf das bayerische Abitur
117 von 120 Schülern des Leonhard-Wagner-Gymnasiums bestehen die Prüfungen, die Traumnote von 1,0 gibt es aber nur ein einziges Mal. Warum die Abiturienten trotzdem nicht aufs richtige Leben vorbereitet sind
Sie dürfen stolz auf sich sein, das bayerische Abitur geschafft zu haben – so lautete das Lob für die diesjährigen Abiturienten des Schwabmünchner LeonhardWagner-Gymnasiums (LWG) bei der Entlassfeier. 120 Schüler waren zu den Prüfungen angetreten, 117 bestanden die Prüfungen mit einem Gesamtnotendurchschnitt von 2,35. Die Besten erreichten einen Schnitt zwischen 1,0 und 1,5.
Die gesellschaftliche Anerkennung dieser schulischen Leistung sei den Abiturienten auch sicher, denn „Eltern, Großeltern, Freunde sind stolz darauf, dass ich etwas Herausragendes geleistet habe“, umschrieb Schulleiter Alexander Pfaffendorf diese Anerkennung. Mit einem Vergleich zeigte der Oberstudiendirektor auf, wie anspruchsvoll der höchste deutsche Schulabschluss ist: „Wohl keiner hier im Raum würde hier und jetzt das Abitur schaffen, auch wenn er das Abi schon hat, selbst der Schulleiter nicht.“
Am Beispiel einer früheren Abituraufgabe aus der Physik leitete der Pädagoge die Schlussfolgerung ab, dass der Bedeutungskern von Kompetenz die Fähigkeit, Bereitschaft und Zuständigkeit umfasse. Um das Abitur zu schaffen, brauche man eine Vorbereitung über Jahre, das geistige Durchdringen des Stoffes sowie den Erwerb von spezifischen Lösungsthesen und -strategien.
Die aktuelle Kritik des deutschen Philosophen Richard David Precht an der deutschen Schulbildung stößt bei Pfaffendorf auf Unverständnis. Deshalb übt er Kritik an der Kritik. Precht sieht die heutige Schulbil- dung als Fehlausbildung. Das nahezu programmatische Austreiben der Schülerkreativität nennt er gar preußischen Sozialismus. Precht hat sein Abi in Nordrhein-Westfalen abgelegt. Dies interpretierte Pfaffendorf so, dass Precht die Welt in Bayern nicht kenne. Er zitierte dazu den Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, der Schulleiter im bayerischen Deggendorf ist. Demnach sei das bayerische Abitur sicher eines der anspruchsvollsten, aber mit von Fach zu Fach schwankendem Schwierigkeitsgrad. Auch spiele die Benotung eine große Rolle. Ein Pisa-Vergleich der Noten ergab demnach, dass je nach Bundesland eine großzügig vergebene Note Zwei durchaus eine Vier in Bayern ergeben könne.
Mit einem Abitur-Notendurchschnitt von 2,35 liegt das Schwabmünchner Gymnasium im Landesdurchschnitt, die Durchfallerquote bei 2,5 Prozent. Waren im vergangenen Jahr die jungen Frauen bei den Leistungen klar überlegen, stellt 2018 die junge Männerwelt acht Vertreter unter den zehn Besten. „Großes Lob und Anerkennung von meiner Seite und die Aufmunterung an die Mädchen, es den Buben doch mal wieder zu zeigen“, so Pfaffendorf.
Sein besonderer Dank galt Oberstudienrat a. D. Heinz Reisser, der wegen Erreichen der Altersgrenze überraschend bereits zum Halbjahr pensioniert worden war, aber seine Abi-Schüler nicht im Stich lassen wollte. Der engagierte Pädagoge ließ es sich nicht nehmen, in den Fächern Mathematik und Physik weiter für sie da zu sein. Musikalisch die Big Band (Leitung Swen Graba) und das Bläserensemble unter bewährter Leitung von Werner Wacker die Entlassfeier.
Für den Abiturjahrgang, den Pfaffendorf „ohne Wenn und Aber“als toll bezeichnet hatte, war Oberstufenbetreuer Langefeld eine spürbare Autorität. Das war auch bei der Abschiedsrede der Abiturienten zu merken: „Niemand brachte uns Zuverlässigkeit mehr bei als Sie, Herr Langefeld, besonders in Bezug auf Absenzen.“Bereits in seiner Schlussbemerkung hatte dieser gesagt: „Ich mag diesen Jahrgang.“Vielleicht sollte man die 11. Jahrgangsstufe entlassen und diese behalten, bemerkte er zu einer humorvollen Überlegung im Kollegenkreis.
Als Zeremonienmeister kündigte Langefeld für die Aushändigung der Reifezeugnisse einen Catwalk an: „So ist Ihnen die Bewunderung aller beim Vorbeidefilieren gewiss. Manche haben sich sogar bis zur Unkenntlichkeit verschönert.“Tatsächlich waren die Abiturienten mit wenigen Ausnahmen dem Anlass entsprechend modisch bis festlich gekleidet.
Für die Abiturienten stellten Majel Krulik und Martin Springer mit einer Prise Humor fest, dass sie trotz Abitur noch nicht so ganz auf das richtige Leben vorbereitet seien – weder wüssten sie, wie man eine Steuererklärung aufsetzt, noch könnten sie etwas Anspruchsvolleres als Nudeln kochen. Das „böse Wort Wikipedia“sei ein treuer Begleiter gewesen – mit sehr unterschiedlicher Wirkung auf die Lehrer bei der entsprechenden Bewertung. Aber diese sei ja sowieso immer lehrerabhängig, meinte Martin Springer. Manche wollten immer das Beste aus ihren Schülern heumrahmten rausholen, und dann gäbe es auch die, die einfach nach Lust und Laune entschieden. „Aber genauso wie wir Schüler uns unterscheiden, tun es eben auch die Lehrer, und vor allem unsere Seminare.“Und „wir haben nun schon drei Schulleiter am LWG kennengelernt und sowohl gute als auch leider schlechte Erfahrungen gesammelt“.
An Pfaffendorf gerichtet, hieß es: „Wir freuen uns daher umso mehr, dass Sie in den letzten zwei Jahren immer einen positiven Schulalltag garantiert haben.“Aber die Schule bestehe nicht nur aus Lernen. Als das Wertvollste aus dieser Zeit sehen Krulik und Springer im Namen der Abiturienten die Erfahrungen und Freundschaften, die sie gesammelt haben. Aber sie sagen auch: „Jetzt ist es an der Zeit, selbst die Inspiration für andere zu werden und unsere Träume zu verfolgen.“