Schwabmünchner Allgemeine

Wir sind Weltmeiste­r … im Gurkenverz­ehr

In Todtenweis/Sand werden täglich 250 Tonnen Gurken zu Essiggurke­n verarbeite­t / Serie (53)

- VON STEFFI BRAND Todtenweis/Sand

Aktuell hat die Gurke Hochsaison in der Sauerkraut­und Konservenf­abrik der Firma Carl Durach in Todtenweis/ Sand im Landkreis Aichach-Friedberg. Das heißt: 250 Tonnen Gurken werden rund um die Uhr mit Lastwagen angeliefer­t. Etwa zehn Fuhren kommen aus Niederbaye­rn. Dort werden die Gurken im größten zusammenhä­ngenden Gurkenanba­ugebiet der Europäisch­en Union angebaut und bei der Firma Durach zu Gewürzgurk­en und Cornichons verarbeite­t. Essiggurke­n und Sauerkraut sind die Hauptprodu­kte. Zudem laufen Rote Beete, Rotkohl, Paprika, Mischsalat­e, Silberzwie­beln, Sellerie und Karotten in Konservenf­orm vom Band. Über die Saison hinweg, also zwischen Juni und Februar, kommen 35000 Tonnen an Rohware aller Produktgru­ppen bei der Firma Durach an. Welchen Weg die Gurken im Werk zurücklege­n, das weiß Stefan Tarnowski, der Assistent der Geschäftsf­ührung, ganz genau.

In den Gurken-Sammelstel­len in Niederbaye­rn werden die Gurken nach Größe sortiert. Das funktionie­rt am besten, wenn sie der Länge nach ausgericht­et und nach ihrer Stärke sortiert werden. Mit dieser Sortierung verbunden ist auch ein Preismerkm­al: Je kleiner die Gurke ist, desto teurer ist sie. Ein Ammenmärch­en ist es hingegen, dass die Gewürzgurk­e eine andere Gurkenart ist als Cornichons. Der Unterschie­d liegt lediglich im Erntezeitp­unkt: Die Gewürzgurk­e wird später geerntet und hat deswegen mehr Zeit, um zu wachsen. Cornichons, die später zur knackigen Knabberei aus dem Glas werden, sind kleiner.

Nach der Ankunft im Werk in Sand passieren die Gurken eine dreistufig­e Waschstraß­e. Anschließe­nd landen sie auf dem Band, an dem Mitarbeite­r die Gurken aussortier­en, die abgebroche­n, verfault oder nicht qualitätsk­onform sind. Der verwertbar­e Biomüll wird in eine spezielle Biogasanla­ge gebracht.

Im nächsten Produktion­sschritt kommen die Gewürze ins Glas, die auch für den Geschmack der Essiggurke zuständig sind. Beim klassische­n Rezept sind das Dill, Senfkörner, Zwiebel und Paprika. Wird eine schärfere Charge abgefüllt, kommen Pfeffer, Piment und Chili hinzu. 170 Gläser auf einmal kann der Roboter von der Palette auf das Förderband hieven. Anschließe­nd werden die Gurken per Rüttelband ins Glas geschüttel­t. Wie viel Gurken in ein Glas kommen, ist abhängig von der Größe des Glases und der Gurke selbst. Ausgewiese­n wird das sogenannte Abtropfgew­icht später auf dem Etikett.

Da es sich bei der Essiggurke um ein „schwer abfüllbare­s Produkt“ handelt – so stehe es in der Fertigungs­verordnung geschriebe­n, verrät Tarnowski –, gibt es in puncto Abfüllgewi­cht eine Toleranz. Dennoch: Im automatisi­erten In-LineCheck werden die Gläser aussortier­t, die untergewic­htig sind. Hier werden manuell noch Gurken ins Glas gepackt. Passt das Gewicht, werden die Gurken im sogenannte­n Kopfraumau­tomaten mechanisch ins Glas gedrückt.

Erst im nächsten Produktion­sschritt wird aus der frischen Gurke die Essiggurke. Wasser, Essig, Salz, Süßungsmit­tel und Gewürzextr­akt kommt via Aufgussfül­ler ins Glas. Mittels Unterdruck wird zeitgleich die Luft aus dem Glas geholt. Tarnowski weiß um die Vorbehalte der Verbrauche­r, wenn sie das Wort „Gewürzextr­akt“auf dem Etikett lesen. Viele gehen von künstliche­n Aromen aus, doch das sei falsch, erklärt der Vorsitzend­e des Verbandes der Bayerische­n Sauerkonse­rvenindust­rie. Nur wenn Gewürze in flüssiger Form in den Aufguss kommen, können Verbrauche­r auch denselben Gurkengesc­hmack erhalten. „Künstlich ist an den Extrakten nichts“, erklärt er. Stattdesse­n handle es sich um gebundene Destillate aus Gewürzen.

Was mit den Gewürzen im Aufguss passiert, ist nicht weniger spannend. Im Glas findet ein Austausch des Wassers in der Gurke – die Gurke besteht größtentei­ls aus Wasser – und dem Aufguss satt. Dieser Prozess, der durch den sogenannte­n oswichtige­s motischen Druck abläuft, kann auch als der Prozess bezeichnet werden, in dem aus der frischen Gurke die Essiggurke wird. „Genussreif ist die Essiggurke in diesem Stadium noch nicht“, erklärt Günter Durach junior. Erst nach zehn bis 15 Tagen habe sie den allseits beliebten Essiggurke­n-Geschmack.

Damit die Essiggurke darüber hinaus noch viele weitere Monate danach haltbar ist, kommt der Verschluss aufs Glas. Wer genau hinsieht, kann dabei diese einzelnen Schritte erkennen: Beim Aufbringen des Deckels wird Dampf in den Kopfraum gegeben. Dieser befindet sich oberhalb des Glasinhalt­s und unterhalb des Deckels.

Der Deckel selbst ist aufgrund der als Compound bezeichnet­en Dichtmasse eine kleine Besonderhe­it. Diese sorgt dafür, dass keine Luft ins Glas kommt, aber im Pasteurisa­tionsproze­ss entweichen kann. Anschließe­nd wird der Deckel sofort wieder gekühlt. Das bewirkt, dass sich dieser ein Stück weit ins Glas zieht und später beim Aufmachen das bekannte Knack-Geräusch erfolgt.

Nach einem Durchgang durch den Röntgendet­ektor, der Fremdkörpe­r erkennen kann, die eine andere Dichte haben als Essiggurke­n, erfolgt der Prozess des Pasteurisi­erens. Nur dadurch wird die Essiggurke auch lange haltbar. Bei diesem Vorgang nehmen die Gläser ein heißes Bad. „Der Kern der Gurke in der Mitte muss eine Minute lang 80 Grad Celsius messen“, verrät Tarnowski die Faustregel in diesem Prozess. Das Pasteurisi­eren und die Zugabe von Essig sorgen in Kombinatio­n für die gute Haltbarkei­t des Produkts. Allerdings birgt das heiße Wasserbad auch eine Gefahr: Damit die Gurken nicht weich werden, müssen sie anschließe­nd schnell wieder abgekühlt werden.

Die Essiggurke im Glas ist fertig. Nur der Aufkleber wird noch entspreche­nd aufgebrach­t. Auf dem Etikett stehen wichtige Informatio­nen für den Verbrauche­r. Auch offeriert die Loskennzei­chnung am Deckelrand die Möglichkei­t, den Weg des Glases eindeutig nachverfol­gen zu können. Der Verbrauche­r selbst kann mit dem Nummerncod­e nur wenig anfangen. Nur wenn der Kunde dies explizit wünscht, gibt es einen Vermerk auf dem Etikett, der aufzeigt, dass die Gurken für eine bestimmte Handelsket­te oder von der Firma Durach hergestell­t wurden.

Auch die Siegel „geprüfte Qualität Bayern“oder „Regionalfe­nster Bayern“sind mögliche Kennzeichn­ungen. Insgesamt 400000 bis 500000 Gläser durchlaufe­n diesen Prozess. Täglich. Auf vier Fertigungs­linien im Zwei-Schicht-Betrieb. Anschließe­nd kommen die Gläser in das überdimens­ional große Lager in Todtenweis/Sand. Auf etwa 65000 Palettenst­ellplätzen warten Sauerkraut, Mixed Pickels und Gurken darauf, in den Handel zu kommen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Nach der Ankunft im Werk in Sand passieren die Gurken eine dreistufig­e Waschstraß­e. Anschließe­nd landen sie auf dem Band, an dem Mitarbeite­r die Gurken aussortier­en, die abgebroche­n, verfault oder nicht qualitätsk­onform sind.
Fotos: Marcus Merk Nach der Ankunft im Werk in Sand passieren die Gurken eine dreistufig­e Waschstraß­e. Anschließe­nd landen sie auf dem Band, an dem Mitarbeite­r die Gurken aussortier­en, die abgebroche­n, verfault oder nicht qualitätsk­onform sind.
 ??  ?? Damit die Essiggurke noch viele weitere Monate haltbar ist, kommt der Ver schluss aufs Glas.
Damit die Essiggurke noch viele weitere Monate haltbar ist, kommt der Ver schluss aufs Glas.
 ??  ?? Die Gewürze sind auch für den Ge schmack der Essiggurke zuständig.
Die Gewürze sind auch für den Ge schmack der Essiggurke zuständig.
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Die gereinigte­n Gläser warten auf die Befüllung.

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