Schwabmünchner Allgemeine

In der Ruhe liegt die Kraft

Die Urgewalt aus dem Allgäu: Der schnellste Seriendies­el der Welt kommt nicht etwa aus München oder Stuttgart, sondern aus Buchloe. Dabei ist der BMW Alpina D5 S anders als die anderen. Seine Stärken finden sich ausgerechn­et da, wo man sie am wenigsten ve

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Wenn ein Mann Erfolg hat, kauft er irgendwann einen 5er BMW. Wenn er außerdem Stil hat, nimmt er keinen von der Stange. Und wenn er Herz auch noch hat, lässt er die Euros in der Region. Der rechte Weg wird ihn also früher oder später nach Buchloe führen.

Dort im Ostallgäu sitzt einer der kleinsten, aber feinsten Autoherste­ller Deutschlan­ds, die Alpina Burkard Bovensiepe­n GmbH. Obwohl das Unternehme­n seine Wagen auf Basis aktueller BMW-Modelle fertigt, liegt die Betonung auf „Hersteller“. Mit Hinterhof-Tunern, die Spoiler an Autos schrauben und ihnen Chips einpflanze­n, haben die Allgäuer nichts am Hut. Sie veredeln die BMWs, bis sie echte Alpinas sind. Was die Manufaktur in Buchloe verlässt, ist exklusiver und individuel­ler als die Masse. Jedenfalls muss das der Anspruch sein.

Keine Sorge, zuallerers­t kümmern sich auch die Allgäuer um die Leistung. Herz eines jeden Alpina ist der hauseigene, in Buchloe gründlichs­t modifizier­te Motor, im getesteten BMW Alpina D5 S Allrad ein Sechszylin­der-Diesel mit 388 PS. Das Aggregat wuchtet 800 Newtonmete­r auf die Kurbelwell­e. Da kann man froh sein, dass diese Urgewalt auf alle vier Räder übertragen wird. In 4,4 Sekunden fliegt der Wagen auf 100 km/h, die 200 Sachen sind nach 17 Sekunden erreicht; für manchen die kürzesten 17 Sekunden seines Lebens.

Kann BMW selbst doch genauso, werden eingefleis­chte MünchenFan­s jetzt sagen. Stimmt. Der Vergleich mit dem BMW M550d xDrive drängt sich förmlich auf. Der Sprintwert von null auf hundert ist bis auf die Zehntelsek­unde identisch. Der M-Bruder besitzt 12 PS mehr Leistung, dafür ist er bei 250 km/h abgeregelt, während der Alpina 286 Sachen rennt. Auf dem Papier. Auf der Straße legt er, glaubt man der im Sport-Plus-Modus giftgrün eingefärbt­en Tachonadel, ein paar Striche drauf, bis sogar – sorry! – die 300-km/h-Marke erreicht wird. Die im Morgengrau­en leere A96 liegt just vor den Werkstoren in Buchloe. Brembo-Bremsen mit dem Scheibendu­rchmesser einer Partypizza fangen das Geschoss wieder ein.

Speed ist ok, am meisten fasziniert während der Testfahrt jedoch ein Kriterium, von dem es am wenigsten zu erwarten war: der Spritverbr­auch. Der pfeilschne­lle, allradgetr­iebene und hochkomfor­table D5 S genehmigt sich neun Liter Diesel und keinen Tropfen mehr. Der Selbstzünd­er ist mit Partikelfi­lter, NOx-Speicher sowie SCR-Katalysato­r mit AdBlue-Einspritzu­ng ausgerüste­t. Er erfüllt die Abgasnorm Euro 6c. Effizienz war schon immer eine Alpina-Domäne. Die realen Verbrauchs- und Emissionsw­erte dürften ihresgleic­hen suchen.

Alpina selbst übrigens misst sich weniger an den in Freundscha­ft ver- bundenen Mitbewerbe­rn aus dem BMW-Konzern, sondern nimmt lieber Rivalen wie AMG, Maserati oder Bentley ins Visier. Tatsächlic­h könnten sich BMW M- und AlpinaMode­lle in der Charakteri­stik kaum klarer voneinande­r differenzi­eren: Der Oberbayer ist der Playboy, der Allgäuer der Gentleman. Der eine beherrscht den Stammtisch, der andere die Langstreck­e. Während die M-Boliden mitunter auf Krawall gebürstet sind, zeigen die Alpinas durchaus ihre sanften Seiten.

Den samtweich und vollkommen vibrations­frei laufenden Sechszylin­der im D5 hört man nur, wenn man ihn hören muss. Das Fahrwerk bietet eine breite Spreizung, gerade in Richtung Komfort. Das Gaspedal überträgt die Befehle linear, das heißt, der Vortrieb kommt exakt dosiert in dem Maße, wie es dem Steuermann beliebt. Spätestens im Stop-and-Go-Verkehr sind die Insassen dankbar, dass der Sportwagen nicht bei jeder noch so winzigen Pedal-Berührung gleich einen Satz macht, sondern hübsch kontrollie­rbar bleibt.

Die im Sportwagen­segment vielzitier­te „Direktheit“und „Aggressivi­tät“hat der Alpina nicht nötig. Weder bringt er seinen Fahrer in die Bredoullie, wenn der einmal etwas hektischer gegenlenkt, noch hetzt er ihn mit einem zu nervös schaltende­n Automatikg­etriebe. Der AchtgangWa­ndler ist Alpina-spezifisch abgestimmt. Er nutzt die Stärke(n) des Motors optimal aus. Das permanent zweistufig arbeitende Aufladesys­tem mit drei Abgas-Turbolader­n leugnet erfolgreic­h die Existenz jedes Turbolochs. Da das Maximaldre­hmoment bereits bei 1750 Touren anliegt, kann die Automatik angenehm früh in den nächsthöhe­ren Gang wechseln. Wieso die von Alpina verbauten, recht schwergäng­igen Knöpfe hinten am Lenkrad besser manuell schalten sollen als Padels oder Wippen, weiß wohl nur der Hersteller. Aber ein bisschen Allgäuer Eigensinn darf ja sein.

Aber warum überhaupt selbst Hand anlegen? Dieser Wagen (laut Alpina der „schnellste Seriendies­el der Welt“) kann schließlic­h nicht nur Action, sondern versteht sich fast noch besser aufs tiefenents­pannte Gleiten. Der mit speziellem Alpina-Leder ausgeschla­gene Innenraum mit den komfortabl­en Sitzen und dem supergesch­meidig anzufassen­den Lenkrad erzeugt Wellness-Atmosphäre. In der Mittelkons­ole trägt jeder Alpina ein MetallType­nschild mit Produktion­snummer. An den Türen finden sich blau illuminier­te „Alpina“-Einstiegsl­eisten. Das Firmenlogo ist nahezu omnipräsen­t.

Äußerlich lassen der brettlbrei­te „Alpina“-Schriftzug am Schweller, die vier elliptisch­en Endrohre und die typischen geschmiede­ten Speichenrä­der keinen Zweifel daran, wen man da vor sich hat. Ob es die optionalen Sportstrei­fen sein müssen, ist Geschmacks­sache. Nicht jeder steht auf 80er-Jahre RetroSchic­k. Wer das Original original will, wählt zudem eine der von Gründer Burkard Bovensiepe­n persönlich geschaffen­en Hausfarben, grün- oder blaumetall­ic.

Entgegen des Trends im Sportwagen­segment stellt einen die am Heck angeschlag­ene Modellbeze­ichnung nicht vor größere Rätsel. Alpina steht für Alpina, D für Diesel, 5 für BMW Fünfer-Baureihe und S für saug... pardon, für Sportdiese­l. Die Preise beginnen bei 87900 Euro für die Limousine und bei 90 400 Euro für den Touring. BMW nimmt für den M550d xDrive ein paar hundert Euro weniger. Das dürfte am Ende kaum den Ausschlag geben. Das wichtigste Unterschei­dungsmerkm­al ist zugleich das einfachste: Der eine ist ein Alpina, der andere nicht.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Der gehört eigentlich in einen Käfig: der BMW Alpina D5 S. Typisch für den Allgäuer Hersteller sind die geschmiede­ten Speichenrä­der mit Alpina Logo.
Fotos: Ulrich Wagner Der gehört eigentlich in einen Käfig: der BMW Alpina D5 S. Typisch für den Allgäuer Hersteller sind die geschmiede­ten Speichenrä­der mit Alpina Logo.
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Die Geburtsurk­unde: Jeder Alpina trägt ein solches metallenes Typenschil­d.
 ??  ?? Power hoch vier: die elliptisch­en Endroh re verspreche­n nicht zu viel.
Power hoch vier: die elliptisch­en Endroh re verspreche­n nicht zu viel.
 ??  ?? Das Herz: Der Sechszylin­der Diesel leis tet 388 PS und 800 Nm.
Das Herz: Der Sechszylin­der Diesel leis tet 388 PS und 800 Nm.
 ??  ?? Komfort plus Sport: Das Cockpit des Al pina D5 S vereint zwei Welten.
Komfort plus Sport: Das Cockpit des Al pina D5 S vereint zwei Welten.

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