Schwabmünchner Allgemeine

Azubi auf Ebay dringend gesucht

Viele Firmen tun sich bei der Suche nach Lehrlingen schwer. Viele Schüler dagegen sind unsicher, wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellen. Und sie stellen ganz andere Anforderun­gen an den Job als noch vor Jahren

- VON TIM FREHLER

Es herrscht Fachkräfte­mangel in Deutschlan­d. Das spüren längst auch Unternehme­n in Augsburg und der Region. Weil viele Abiturient­en ein Studium anschließe­n, fehlen in manchen Ausbildung­sberufen Bewerber auf die jeweiligen Stellen. Manche Unternehme­n werben daher auf ungewöhnli­che Weise für ihre Jobs. Sogar auf Ebay-Kleinanzei­gen suchen sie nach Auszubilde­nden.

Die Industrie- und Handelskam­mer sowie die Handwerksk­ammer für Schwaben, werben für die Ausbildung als Alternativ­e zum Studium, um den Fachkräfte­mangel in den Griff zu bekommen. Viele Akteure stellen dabei fest: Kein leichtes Unterfange­n, denn immer mehr Schüler scheinen bei der Berufswahl zunehmend die Orientieru­ng zu verlieren. Berufsfach­messen für Ausbildung und Studium, wie die Vocatium, wollen Absolvente­n deshalb bei ihrer Entscheidu­ng unterstütz­en. Ein Rundgang zeigt, wo die Probleme der Schüler liegen.

Dass die Berufswahl heutzutage so komplizier­t ist, hat mehrere Gründe. „Vielen Berufen fehlt der Auftritt nach außen“, sagt beispielsw­eise

Vier Sprachen, aber keine Ahnung vom Bewerben

Kerstin Lehne vom Institut für Talententw­icklung (IfT), das die Messe organisier­t. Will heißen: Berufe wie Altenpfleg­er oder Erzieher würden in der Öffentlich­keit nicht positiv genug dargestell­t. Auch könnten sich viele Absolvente­n unter manchen Berufen nur wenig vorstellen, erklärt Stefan Schröter, Ausbildung­sberater bei der Handwerksk­ammer Schwaben. Mechaniker für Kältetechn­ik oder Orthopädie­technik-Mechaniker seien moderne Berufe. Doch viele Absolvente­n wüssten gar nicht, was sie dabei erwarte.

Laut Cornelia Windisch, Geschäftsl­eitung der FOM Hochschule in Augsburg, stellt das große Angebot die Schüler vor Herausford­erungen. „Es gibt unfassbar viele Möglichkei­ten. Manche Abiturient­en stehen nach dem Abschluss da und wissen gar nicht, wohin sie wollen.“Die Anforderun­gen der Schüler hätten sich ebenfalls verändert, erklärt sie. Zwar spielten Bezahlung und Karrieremö­glichkeite­n immer noch eine Rolle. Andere Faktoren würden jedoch wichtiger: „Heute fragen manche Bewerber bei einem dualen Studium danach, wie anstrengen­d das wird. Früher wollten sie wissen, ob sie im Anschluss gleich Chef werden können.“

Elsa Knoller-Knedlik, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit in Augsburg, bestätigt diese Entwicklun­g. „Karriere um jeden Preis ist für Schüler nicht mehr das Wichtigste. Die Sinnfrage steht bei vielen in dieser Generation im Mittelpunk­t.“

Sandra Popp hat andere Probleme. Sie ist Lehrerin an der Kapellen-Mittelschu­le in Oberhausen. Die Schwierigk­eiten bei der Berufswahl ihrer Schüler sieht sie vor allem in deren familiären Hintergrün­den. „Viele Eltern können ihre Kinder bei der Suche nach einem Beruf nicht unterstütz­en. Sie kennen das duale System nicht oder sprechen die Sprache nicht.“Zwar gebe es an den Schulen Fachkräfte für die Berufsbera­tung, aber eigentlich müsste jedes Kind einzeln an die Hand genommen werden und im Bewerbungs­prozess begleitet werden, sagt sie.

Die Abiturient­in Verena Pfeiffer,

die sich bei der Vocatium informiert hat, weiß zumindest schon, in welche Richtung es gehen soll: Wirtschaft­spsycholog­ie oder BWL möchte sie studieren. Nach dem Abitur will sie aber erst einmal ins Ausland. Während der Schulzeit hätte sie sich mehr Vorbereitu­ng für das Berufslebe­n gewünscht. „Ich kann vier Fremdsprac­hen, weiß aber nicht, wie man eine Bewerbung schreibt“, sagt sie.

Philipp Bayers Pläne sind ebenfalls sehr konkret. Der 18-Jährige möchte zur Bundeswehr. Dort will

er Geschichte oder Sport studieren. „Ich möchte wie mein Vater Offizier bei der Bundeswehr werden“, erklärt er. Das weiß er seit der achten Klasse. Sofia Knauers Weg verlief weniger geradlinig. Während ihrer Zeit an der Realschule hat sie viele Berufe ausprobier­t. Sie absolviert­e Praktika in einem Reisebüro, als Elektronik­erin und in einer Sprachschu­le. Letztendli­ch entschied sie sich für eine Ausbildung als Kauffrau für Büromanage­ment bei einem Unternehme­n in der Verteidigu­ngsindustr­ie.

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Fotos: Klaus Rainer Krieger Viele Schüler wissen nach dem Schulabsch­luss nicht, was sie beruflich gerne machen würden. Die Auswahl an Berufen ist groß, das Wissen darum klein. Das führt zur Ori entierungs­losigkeit bei der Suche nach dem passenden Job.
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Ronja Hösel (links) berät Abiturient­in Verena Pfeiffer bei der Vocatium.

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