Schwabmünchner Allgemeine

Das Beste aus zwei Welten gibt es nicht

Der EU muss es beim Blick nach Großbritan­nien angst und bange werden. Ein Scheitern der Brexit-Verhandlun­gen ist nicht ausgeschlo­ssen

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger allgemeine.de

Gemeinsame Feindbilde­r haben etwas Verbindend­es, sagt man. So manches Paar auf der Bühne der Weltgeschi­chte hat sich nur gefunden, weil es sich so schön als stürmische Gegenforma­tion inszeniere­n konnte. Der Westen und die arabischen Länder kämpften Seit’ an Seit’ gegen Saddam Hussein. Seehofer verbrüdert­e sich mit dem Ungarn Viktor Orbán gegen Merkel.

Auch die Briten hätten sich dieser Psychologi­e der Dämonisier­ung des anderen bedienen können. Die EU als Gegner im Ringen um den Brexit – was läge näher. Stattdesse­n rauft man im Parlament lieber miteinande­r. Bis aufs Blut. Kaum hatte Premiermin­isterin Theresa May zum Wochenende ihre Mannschaft vermeintli­ch auf einen „weichen Brexit“eingeschwo­ren, warf der Brexit-Minister und vehemente Austrittsb­efürworter David Davis das Handtuch. „Mister No“, wie er in EU-Kreisen genannt wird, machte seinem Namen alle Ehre. Mit erstaunlic­her Routine gab Downing Street zwar kurz darauf den Nachfolger bekannt – immerhin der sechste Wechsel im Kabinett seit der Neuwahl im vergangene­n Jahr. Doch der Montag war noch nicht vorüber, da machte auch Außenminis­ter Johnson ernst. Was für ein Fausthieb gegen May!

Einfacher dürfte es für die Premiermin­isterin auch ohne ihre größten Kritiker nicht werden. Zu groß sind die Gräben, die sich in ihrer Partei auftun, zu tief ist das Zerwürfnis innerhalb der Regierung, zu gewaltig sind die Befürchtun­gen, die Weichen falsch zu stellen und dem Brexit-Zug beim Entgleisen zusehen zu müssen. Britannien bebt. Und das ausgerechn­et kurz vor Beginn der entscheide­nden Verhandlun­gen mit Brüssel.

Dort dürfte man über die Nachrichte­n von der Insel inzwischen nur noch staunen. Die Zeit drängt und Fortschrit­te muss man mit der Lupe suchen. Als „Akt der Selbstverl­etzung“ bezeichnet die Zeitung Guardian den Abschied der Briten von der EU. Sie hat recht. Denn egal, welches Modell die Regierung auch wählt, es hat immer einen Haken. Bindet man sich weiter eng an die Festland-Europäer, muss London auch künftig nach der ungeliebte­n Brüsseler Pfeife tanzen. Löst man sich radikal, kann das zum Desaster für die eigene Wirtschaft werden. Wo die Positionen so extrem sind, dürfte es schwerfall­en, einen Kompromiss zu finden, der das Königreich nicht noch stärker spaltet. Es war das Verspreche­n von Männern wie Boris Johnson, dass der Brexit es ermögliche­n wird, das Beste aus zwei Welten zu vereinen. Heute sehen die Briten mit Schrecken: Es war wohl eine veritable Lüge.

Selbst wenn es eines Tages gelingen sollte, dass sich die Briten irgendwie disziplini­eren: Auf ein Entgegenko­mmen der EU um des lieben Friedens willen sollte sich Großbritan­nien nicht einstellen. Schon die ersten Reaktionen auf Mays Pläne am Wochenende waren eher verhalten. Das Wort von der Rosinenpic­kerei gehört inzwischen zum Standard-Vokabular der EU. Und das Bündnis ist auch gut beraten, sich vom Chaos in London nicht unter Druck setzen zu lassen. Die Grundprinz­ipien der Union dürfen auch in schwierige­n Phasen nicht ausgehöhlt werden.

Man muss kein Pessimist sein, um ein Scheitern der kompletten Verhandlun­gen nicht auszuschli­eßen. Das liegt auch an der äußerst schwachen Theresa May. Ihr gelingt es nicht, ihr Kabinett zusammenzu­halten. Der Kampf an zwei Fronten, in London und in Brüssel, überforder­t die Premiermin­isterin erkennbar. Sie mag ihre Version des Austritts für den Moment gegen die Brexit-Hardliner durchgeset­zt haben. Doch das ist nicht mehr als ein Etappensie­g. Die EU-Gegner werden sie auch in den kommenden Monaten vor sich hertreiben.

Premiermin­isterin Theresa May ist heillos überforder­t

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