Schwabmünchner Allgemeine

Der harte Hund

NSU-Richter Manfred Götzl ist aufbrausen­d und unnachgieb­ig. Aber er gilt als äußerst sorgfältig­er Jurist. Gelingt ihm ein unanfechtb­ares Urteil im Jahrhunder­tprozess?

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Für Manfred Götzl beginnt in der kommenden Woche die Zeit des stillen Kämmerlein­s. Der Vorsitzend­e Richter des NSU-Prozesses wird nach seinem mündlichen Urteil am Mittwoch eine schriftlic­he Urteilsbeg­ründung abfassen müssen. Götzl kann sich wegen des Prozessumf­angs Monate Zeit lassen. Für den im kommenden Jahr in den Ruhestand wechselnde­n Richter wird es wohl seine letzte Tätigkeit werden – und die wichtigste.

Götzl ging im Jahr 2013 mit dem erkennbare­n Ziel in das NSU-Verfahren, ein revisionsf­estes Urteil zu erreichen. Er ließ jede der angeklagte­n Straftaten gründlichs­t in der Beweisaufn­ahme prüfen. Den Vorwurf mangelnder Sorgfalt macht niemand dem Richter. Wenn der 64-jährige Franke das Ruhestands­alter erreicht, wird es vermutlich noch einige Zeit dauern, bis seine Taktik als erfolgreic­h oder gescheiter­t zu bewerten ist. Dass irgendeine der vielen beteiligte­n Seiten in dem Mammutproz­ess Revision einlegen wird, gilt als sicher – ob eine Revision und damit eine neue Verhandlun­g zumindest über Teile des NSU-Komplexes nötig wird, hängt an der Qualität der Urteilsbeg­ründung. Bisher steht Götzls Name für fast ausschließ­lich rechtskräf­tige Urteile.

Doch wie schon früher schieden sich auch im NSUProzess die Geister an Götzl. Manche Vertreter der Angehörige­n lobten seine sachkundig­e Arbeit. Andere stießen sich dagegen an der oft schroff und empathielo­s wirkenden Art Götzls. Der ursprüngli­che Verteidige­r der Hauptangek­lagten Beate Zschäpe, Wolfgang Heer, brachte dies mit einer Wortneusch­öpfung zum Ausdruck. Jeder Prozessbet­eiligte kenne das Wort „abgötzeln“, sagte er im Plädoyer. Das beschreibe die Art, wie der Richter immer wieder Verfahrens­beteiligte zurechtwei­se. Hart, aber präzise – diese Beschreibu­ngen ziehen sich durch Götzls Laufbahn. Seit Juli 2010 steht er an der Spitze des für Terrorismu­sverfahren zuständige­n 6. Senats des Oberlandes­gerichts München. Zuvor war er sieben Jahre als Schwurgeri­chtsvorsit­zender mit spektakulä­ren Kapitalver­brechen befasst. Götzl wirkt asketisch. Er ist schlank und drahtig. Meist schaut er ernst, manchmal mürrisch. Lächeln sieht man ihn selten. Konflikte scheut er nicht. Er streitet oft mit Verteidige­rn, Nebenkläge­rn und Zeugen. Früher hat er sie auch mal angebrüllt – im NSU-Prozess legte er lieber ab und zu eine Pause ein, auch um sich selbst zu schützen. Es heißt, der Jazzfan Götzl könne witzig und unterhalts­am sein, wenn er bei geselligen Anlässen auftaucht. In Gerichtsve­rfahren kann er diese Seite erfolgreic­h verbergen. Sensibilit­ät ist nicht seine Stärke, jammernde Angeklagte sind ihm ein Gräuel.

Götzl ist mit einer Juristin verheirate­t und hat zwei erwachsene Kinder. In der Vergangenh­eit zeigte er, dass er sich in seiner Arbeit von äußerem Druck nicht beirren lässt. Das trug ihm nicht selten den Vorwurf ein, eigensinni­g oder gar unbelehrba­r zu sein. Nach dem Jahrhunder­tprozess wird der mediensche­ue Richter ziemlich sicher komplett aus der Öffentlich­keit verschwind­en.

afp, hogs

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Foto: dpa

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