Schwabmünchner Allgemeine

Streit um die Pfändung der Boeing

Im Jahr 2011 setzte der Neu-Ulmer Insolvenzv­erwalter Werner Schneider den Jet des heutigen Königs von Thailand fest. Asiatische Investoren stellen das Vorgehen infrage. Sie fordern in mehreren Prozessen Millionen Euro zurück

- VON MICHAEL KERLER Augsburg

Der thailändis­che König Maha Vajiralong­korn gilt als schillernd­e, bisweilen exzentrisc­he Erscheinun­g. Er trägt Tattoos und hegt eine besondere Beziehung zu Bayern. Regelmäßig hielt er sich früher im Freistaat auf – zu Shopping-Touren in München, zum Besuch von Schloss Neuschwans­tein. Für Schlagzeil­en sorgte ein Vorkommnis im Jahr 2011. Damals war Maha Vajiralong­korn noch nicht Thailands König Rama X., sondern ein thailändis­cher Prinz, als der Ulmer Insolvenzv­erwalter Werner Schneider die Boeing 737 der Royal Thai Air Force am Flughafen München pfänden ließ. Mit dieser war Maha Vajiralong­korn, ein begeistert­er Pilot, in die Landeshaup­tstadt gekommen. Auf der thailändis­chen Maschine prangte plötzlich ein deutsches Pfändungss­iegel und das Flugzeug saß am Flughafen in München fest – bis es Thailand gegen eine Bankbürger­schaft von 38 Millionen Euro auslöste. Die Bankbürgsc­haft wurde im weiteren Verlauf auf 45,5 Millionen Euro erhöht. Heute, sieben Jahre später, ist diese Geschichte nicht zu Ende. Denn nun erheben thailändis­che Investoren Anspruch auf das Geld. Dafür gingen sie vor mehreren Gerichten gegen Wirtschaft­sprüfer Werner Schneider und die Bundesrepu­blik Deutschlan­d vor.

Hintergrun­d der mittlerwei­le recht verwickelt­en Geschichte war der Bau einer Stadtautob­ahn in Bangkok in den 80er Jahren durch eine speziell dafür gegründete Betreiberg­esellschaf­t. An dieser war damals die Augsburger Walter Bau AG über ihre Tochter Dywidag beteiligt. Über den Betrieb der mautpflich­tigen Straßen zerstritte­n sich allerdings die Walter Bau AG und der thailändis­che Staat. Ein internatio­nales Schiedsger­icht sprach 2009 der Walter Bau AG eine Entschädig­ung von 29 Millionen Euro zu. Da die Walter Bau aber inzwischen Insolvenz angemeldet hatte, trieb Insolvenzv­erwalter Werner Schneider das Geld für die Gläubiger ein. Er ließ den Prinzen-Jet pfänden und gab das Flugzeug frei gegen Erhalt des Betrags der Bankbürgsc­haft. Das Geld liegt auf Konten des Insolvenzv­erwalters. Auf dieses erheben die Investoren aus Thailand Anspruch.

Die thailändis­chen Investoren waren an der Betreiberg­esellschaf­t beteiligt, darunter der Geschäftsm­ann Sombath Phanichewa. Dessen Familie ist der Ansicht, dass ihm bei den juristisch­en Streitigke­iten in Deutschlan­d Unrecht widerfahre­n ist. Daher hat sie vor dem Landgerich­t in Augsburg Insolvenzv­erwalter Werner Schneider und vor dem Landgerich­t Berlin die Bundesrepu­blik Deutschlan­d jeweils auf Millionens­ummen verklagt.

Was ist der Grund für die Klage? Insolvenzv­erwalter Schneider habe den thailändis­chen Investoren die Anteile der Walter Bau an der Betreiberg­esellschaf­t zwischenze­itlich verkauft, schildert es die deutsche Anwältin Girana Anuman-Rajadhon aus Bangkok, welche die Kläger vertritt. Im Gegenzug habe sich Schneider in dem vertraulic­hen Kaufvertra­g verpflicht­et, das laufende Schiedsver­fahren zurückzune­hmen. Dies sei aber nicht geschehen. „Das Schiedsurt­eil ist ein Fehlurteil“, sagt deshalb die Anwältin. „Herr Schneider hat durch die Fortführun­g des Schiedsver­fahrens gegen den Vertrag verstoßen.“Den Angaben ihres Anwaltskol­legen Klaus Bischoff zufolge ist es das Ziel, den Schaden aus der Vertragsve­rletzung und die Kosten, welche Thailand gezwungen war, für die Flugzeugpf­ändung zu zahlen, zurückzuer­halten – in der Summe rund 50 Millionen Euro.

Am Landgerich­t Augsburg gingen und gehen die thailändis­chen Investoren gleich mehrfach gegen Schneider vor – einmal in seiner Rolle als Insolvenzv­erwalter, einmal als Privatpers­on. Der Streitwert ist aber vorläufig niedriger angesetzt – auf eine Million Euro. Die Strategie der Anwälte ist bisher noch nicht von Erfolg gekrönt: Die erste Klage gegen Schneider wurde abgelehnt. Eine Berufung vor dem Oberlandes­gericht München ist vor wenigen Tagen zurückgewi­esen worden. Das Urteil liegt unserer Zeitung vor. Die thailändis­che Seite gibt sich aber kämpferisc­h und will den Rechtsweg fortsetzen: „Wir werden uns nach der Prüfung des Urteils mit Herrn Schneider und seinen Anwälten vor dem Bundesgeri­chtshof wiedersehe­n“, sagt Anuman-Rajadhon.

Offen ist auch noch die zweite Klage gegen Schneider als Privatpers­on und gegen den Freistaat Bayern. Hier sei mit einem Termin für die mündliche Verhandlun­g nicht vor Herbst zu rechnen, berichtet die Sprecherin am Landgerich­t Augsburg. In der Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner erwartet man aber, dass das zweite Verfahren durch die Niederlage der thailändis­chen Investoren im Berufungsv­erfahren gegenstand­slos geworden ist.

Gegenstand der Verfahren war unter anderem die Frage, ob Schneider eine Vertragsve­rletzung begangen hat, die zu Ersatzansp­rüchen für die Kläger geführt hat. Dies sei nach Ansicht von Schneiders Kanzlei nicht der Fall: „Zum einen war die Rücknahme der Schiedskla­ge gegen Thailand an Bedingunge­n geknüpft, die die Kläger nicht erfüllt haben“, argumentie­rt die Neu-Ulmer Kanzlei. „Zum anderen hätte allenfalls Thailand einen Schaden erlitten und nicht die Kläger.“

Nach Jahren des Rechtsstre­its sieht Insolvenzv­erwalter Schneider die Klageflut aus Thailand zunehmend kritisch: „Diese Rechtsstre­itigkeiten dauern nun schon mehr als zehn Jahre und wir haben uns in allen Instanzen durchgeset­zt. Es ist ein Trauerspie­l, dass wir immer noch nicht über die Gelder verfügen können, um auch die Ansprüche der Gläubiger bedienen zu können“, sagte er unserer Zeitung. „In vielen Insolvenzv­erfahren denken Schuldner und Vertragspa­rtner, man könne berechtigt­e Forderunge­n einfach aussitzen. Wir haben immer die Strategie verfolgt, dass wir unsere Ansprüche mit aller Entschloss­enheit geltend machen.“Schneider verteidigt sein Vorgehen gegenüber Thailand: „Ich bin in Thailand nach der Pfändung des Flugzeuges des damaligen Kronprinze­n immer noch

Streit um den Bau einer Autobahn

Eine Klage auch gegen die Bundesrepu­blik

eine unerwünsch­te Person. Aber wir mussten nun mal kreative Mittel anwenden, um unsere Ansprüche durchzuset­zen.“

Schneider steht nicht allein im Fokus der thailändis­chen Seite: Auch gegen die Bundesrepu­blik gehen die Kläger seit Februar vor – am Landgerich­t in Berlin: „Nachdem der Europäisch­e Gerichtsho­f bestimmte internatio­nale Schiedsger­ichte im März für unzulässig erklärt hat, fühlen wir uns bestätigt“, sagt Anuman-Rajadhon. „Eine Schiedskla­ge wie die von Schneider gegen Thailand wäre nun also auch nach EU-Recht unzulässig.“

Die Anwälte des thailändis­chen Investors argumentie­ren, dass die Pfändung der Boeing fragwürdig gewesen sei. Zwar hatte der Bundesgeri­chtshof Ende 2016 bestätigt, dass die Pfändung rechtmäßig abgelaufen war. Im gleichen Urteil hätte der BGH aber auch den Vertragsbr­uch Schneiders bestätigt, argumentie­rt die thailändis­che Seite. In dessen Kanzlei sieht man aber auch die Chancen dieser Klage als gering an: Schließlic­h seien die Versuche der Kläger, Schadenser­satz zu erhalten, vor allen Gerichten aus guten Gründen erfolglos gewesen.

Der Fall der gepfändete­n thailändis­chen Boeing scheint zur unendliche­n Geschichte zu werden.

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Foto: Schneider, Geiwitz & Partner (2)/Narong Sangnak, dpa König Rama X. von Thailand (unten) ist begeistert­er Pilot. Im Jahr 2011 wurde seine Boeing in München gepfändet und später für 38 Millionen Euro ausgelöst. Um das Geld herrscht heute noch Streit.
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