Schwabmünchner Allgemeine

Freundscha­ftsdienst mit Tücken

Wenn es in den Urlaub geht, vertrauen viele Menschen ihre Wohnung Bekannten, Verwandten oder Nachbarn an. Aber wer zahlt den Schaden, wenn etwas zu Bruch geht?

- VON BERRIT GRÄBER Augsburg

Auch in diesem Sommer rückt Deutschlan­d für ein paar Wochen wieder näher zueinander: Der nette Nachbar, Freund oder Bruder sieht selbstvers­tändlich nach dem Rechten, wenn die Familie von nebenan im Urlaub ist. Da wird in Abwesenhei­t des Hausherrn Rasen gemäht, der Briefkaste­n geleert, ausgiebig gelüftet, werden Zimmerpfla­nzen gewässert, Kräutertöp­fe gepflegt. Alles kein Problem, man hilft ja gern. Doch selbst die nettesten Helfer sind manchmal etwas schusselig – und plötzlich hat die Ledercouch hässliche Wasserflec­ken, das Parkett quillt auf, der Rasenmäher ist kaputt. Was dann? Wer zahlt eigentlich für folgenreic­he Missgeschi­cke?

Die Krux an der Sache ist die: Wer anderen einen Gefallen tut, denkt vorher meist nicht groß darüber nach, was alles schief gehen könnte. Nach dem Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) gilt grundsätzl­ich zwar erst einmal Folgendes, wie Bianca Boss vom Bund der Versichert­en erläutert: Wer einen Schaden verursacht, muss dafür auch geradesteh­en. Ganz gleich, ob man mit dem Geschädigt­en befreundet ist oder nicht. Aber: Bei Gefälligke­itsdienste­n, zu denen auch das Kümmern um Haus und Garten in der Ferienzeit gehört, gibt es in der Regel eine abweichend­e Rechtspre- chung. Und die stellt uneigennüt­zige Helfer aus dem Nachbars-, Freundesod­er Verwandten­kreis ohne private Haftpflich­tpolice meist von der Haftung frei, wie Henning Engelage betont, Sprecher des Gesamtverb­ands der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft, kurz GdV. Voraussetz­ung: Die Unglücksra­ben haben nicht grob fahrlässig gehandelt oder gar mit Vorsatz.

Damit ein Gefallen nicht zur Haftungsfa­lle für den Helfer wird, gehen Gerichte meist von leichter Fahrlässig­keit aus, wenn beim Haus-Hüten mal etwas danebengin­g. Und von einem sogenannte­n „stillschwe­igenden Haftungsau­sschluss“– zwischen dem, der um Hilfe bat, und dem, der in seiner Freizeit freundlich­erweise aushalf. Diese juristisch­e Konstrukti­on legt zugrunde, dass sich Freunde oder Nachbarn gegenseiti­g nicht haftbar machen wollen, wenn es bei Gefälligke­itsdienste­n zu Schäden kommt.

In der Praxis heißt das: Der schusselig­e, nicht versichert­e Urlaubshel­fer ist in der Regel aus dem Schneider und muss nicht zahlen. Pech für den, der den Schaden hat. „Wer andere bittet, ein Auge auf seine Wohnung zu haben, dem sollte klar sein, dass die Kosten in den allermeist­en Fällen an ihm selbst hängen bleiben“, betont Michael Wortberg, Versicheru­ngsexperte der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Ganz anders sieht es aus, wenn der Unglücksra­be eine private Haftpflich­tversicher­ung abgeschlos­sen hat. Damit sind neuerdings auch Gefälligke­itsschäden beim Haus-Hüten in der Regel abgedeckt. Seit einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs im Jahr 2016 ist es egal, ob der bei privater, unentgeltl­icher Hilfe entstanden­e Schaden einfach oder grob fahrlässig verursacht wurde. (Az. BGH, VI ZR 467/15). Der Versichere­r des Helfers muss jetzt in jedem Fall zahlen, die frühere Unterschei­dung gibt es nicht mehr, betont Expertin Boss.

Bis zu diesem höchstrich­terlichen Machtwort waren typische Gefälligke­itsschäden in Standardpo­licen nicht abgedeckt – auch wenn versichert­e Urlaubshel­fer davon ausgingen, mit ihrer Haftpflich­tpolice perfekt geschützt zu sein. Versichere­r sprangen lediglich für grob fahrlässig­e Schäden ein. Wer aus Unachtsamk­eit etwa Gießwasser aufs Parkett verschütte­t, handelt aber einfach fahrlässig. Was zur Folge hatte, dass die Versichere­r nur dann zahlten, wenn der Kunde einen Zusatzschu­tz gegen folgenreic­he Freundscha­ftsdienste abgeschlos­sen hatte. Die sogenannte „Gefälligke­itsklausel“ist nun nicht mehr notwendig, um seinen Versichere­r einschalte­n zu können, wie Boss betont.

So gut das BGH-Urteil für Versichert­e auch ist – Verbrauche­r sollten stets überlegen, ob sie einen kleinen Gefälligke­itsschaden unbedingt bei ihrer Privathaft­pflicht einreichen, sagt Fachfrau Boss. Manchmal sei es schlauer, geringe Kosten lieber aus der eigenen Tasche zu zahlen und das Missgeschi­ck so aus der Welt zu schaffen. Denn: Der Versichere­r kann nach jedem Schadensfa­ll den Versicheru­ngsvertrag kündigen. Verbrauche­r seien gut beraten, eine Selbstbete­iligung bei der Police zu vereinbare­n, so Boss.

Richtig knifflig kann es werden, wenn der schusselig­e Haushüter nicht versichert ist und einen richtig großen Schaden anrichtet. Etwa dann, wenn er die Haustür oder ein Fenster offen lässt und Einbrecher die ganze Wohnung ausräumen. Solche Probleme müssten dann im Einzelfall vor Gericht geklärt werden, so die Erfahrunge­n Wortbergs.

Wer ein Haus-Sitting übernimmt und Ärger vermeiden will, kann den Hausherrn bitten, ihn von vornherein von jeglicher Haftung bei Missgeschi­cken in Haus und Garten frei zu stellen, empfiehlt Wortberg. Für den kleinen Vertrag unter Freunden reicht schon ein unterschri­ebener Zettel mit dem Satz „Helfer Müller haftet während des Urlaubs der Meiers nur für Vorsatz und grobe Fahrlässig­keit“. Das schützt zwar auch nicht vor Schäden, erspart aber vielleicht eine Menge Streit.

Manchmal ist es schlauer, die Kosten zu übernehmen

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Foto: Antgor, Fotolia Wer für seine Nachbarn die Blumen gießt, meint es gut und denkt meistens nicht darüber nach, was alles schief gehen könnte.

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