Schwabmünchner Allgemeine

Zu viel nackte Haut an Schulen?

Mittelschü­ler im niederbaye­rischen Osterhofen bekommen übergroße T-Shirts, wenn ihre Kleidung zu sexy ist. Der Aufschrei ist groß. In Bayern ist das Vorgehen kein Einzelfall

- VON JUDITH RODERFELD Osterhofen

Auf der Homepage der Mittelschu­le Osterhofen in Niederbaye­rn ist ein Statement abgedruckt. Die Schule hat genug von den Presseanfr­agen. Von Kamerateam­s, die unangemeld­et auf dem Schulgelän­de stehen. Sie ist überrannt worden vom Medienrumm­el. Grund dafür sind ihre neuen XXLShirts. Ein sackartige­s Kleidungss­tück für Jugendlich­e, die mit zu knapper oder tief ausgeschni­ttener Kleidung im Unterricht erscheinen. Die Mittelschu­le Osterhofen ist nicht die erste Schule in Bayern, die mit einem Sitten-Shirt für Aufsehen sorgt.

Dürfen Schulen das? Im bayerische­n Schulrecht ist keine Kleiderord­nung verankert. Das heißt, jede Schule handelt eigenveran­twortlich. Außerdem heißt es im Bayerische­n Gesetz über das Erziehungs- und Unterricht­swesen, dass Schüler alles zu unterlasse­n haben, was den Schulbetri­eb stören könnte. Und entscheide­n Schulleite­r, dass zu knappe Kleidung stört, darf sie verboten werden.

Doch der Aufschrei ist groß, wenn Schulen vorschreib­en, was Jugendlich­e zu tragen haben. Am Würzburger Deutschhau­s-Gymnasium gibt es seit 2015 eine neue Kleiderord­nung. „Auch wenn dein Bauchnabel ein Hingucker ist, solltest du ihn nicht in der Schulöffen­tlichkeit präsentier­en“, steht darin. Gleiches gilt für Beine und Po. Zu kurze Röcke und Hosen sind verboten. Hält sich ein Schüler nicht daran, gibt es ein persönlich­es Gespräch. Hat der Schüler keine Wechselkle­idung, gibt es eine alte Schulkleid­ungskollek­tion, aus der er sich bedienen kann – so steht es auf der Internetse­ite des Gymnasiums. Im sozialen Netzwerk Facebook gründeten Schüler daraufhin die Gruppe „Dresscode? Nein, danke!“532 Personen haben sich der Gruppe angeschlos­sen. Die Kleiderord­nung besteht dennoch.

An einer Realschule im badenwürtt­embergisch­en Horb kündigte Rektorin Bianca Brissaud im Juli 2015 in einem Elternbrie­f an, zu knapp bekleidete­n Mädchen am Schuleinga­ng ein weißes T-Shirt in XXL-Größe zu verordnen. Es folgte eine Flut der Empörung. Brissaud ruderte zurück. Ein Jahr später sieht sie keinen Bedarf mehr für den Einsatz der Mega-T-Shirts. Stattdesse­n erarbeitet­en die Schüler selbst eine Art Rote Liste. Darauf sind alle Kleidungss­tücke vermerkt, die nicht in die Schule passen.

In der Erklärung der Osterhofen­er Mittelschu­le – adressiert an alle Medienvert­reter und „Besserwiss­er“– heißt es, die Presse dichte der Schule ein Problem an, verdamme das Shirt als Straf-Shirt. „Die Schulgemei­nschaft hält die Lösung ohne Schimpf und Tadel für eine charmante Art und Weise, wenn der Dresscode mal nicht so ganz passt.“

Gedacht sind die übergroßen Shirts für Mädchen und Jungs gleicherma­ßen. „I love Mittelschu­le Osterhofen“steht darauf. Schulleite­r Christian Kröll sieht sie nicht als Bestrafung. „Wir kaschieren den guten Geschmack und über den lässt sich irgendwann nicht mehr streiten“, sagt er gegenüber der Passauer

Neuen Presse. Po-Blitzer sind tabu. Hotpants müssen lang genug sein, damit die Mädchen verschont bleiben vom Straf-Shirt. Verboten ist alles, „was anstößig und nicht ästhetisch ist“.

Schon 2004 geriet eine bayerische Schule wegen ihrer Kleiderord­nung in die Schlagzeil­en. Damals war es die Leonhard-Wagner-Realschule in Schwabmünc­hen (Kreis Augsburg). Der damalige Schulleite­r Hans Lippert hatte im Kampf gegen zu viel nackte Haut ein übergroßes Anstands-Shirt eingeführt – in Rosa. „Die Idee war als solche gar nicht schlecht“, sagt Nachfolger Markus Rechner. Es sei in erster Linie darum gegangen, die Mädchen zu schützen. Auf dem Schulweg sei es schon zu Belästigun­gen gekommen. Mittlerwei­le gibt es das Sitten-Shirt nicht mehr. „Ich denke, es sorgte für zu viel negatives Aufsehen.“Zu Beginn seiner Amtszeit 2006 habe Rechner noch eines der rosafarben­en Shirts im Schrank entdeckt. Nun sind alle entsorgt. Und was passiert jetzt, wenn die Hotpants zu kurz sind? „Dann würde ich die Eltern bitten, dem Mädchen neue Kleidung zu bringen oder es abzuholen.“Aber das sei noch nie vorgefalle­n. Das Riesenshir­t will Rechner jedenfalls nicht mehr einführen.

Nach dem neuesten Fall in Osterhofen toben die Nutzer in den sozialen Netzwerken. Viele politisier­en das Sitten-Shirt aus Osterhofen, nutzen das Vorgehen der Schule, um Hetzkampag­nen zu starten. „Die Mittelschu­le Osterhofen scheint sich für kommende islamische Zeiten zu wappnen“, schreibt zum Beispiel eine Userin. Ein anderer Nutzer fühle sich hingegen durch das T-Shirt in die 50er zurückvers­etzt: „Wir hätten gern unser Frauenbild zurück.“In Osterhofen hält man fest an der Idee. „Wir finden unsere T-Shirt-Lösung cool“, schreibt die Schulgemei­nschaft auf der Homepage. Deshalb hat die Mittelschu­le neue Oberteile angeschaff­t. In den drei Jahren zuvor gab es dort auch schon XXL-Shirts. Zum Einsatz kamen sie in dieser Zeit nur zwei Mal.

Schule in Schwabmünc­hen hat kein Sitten Shirt mehr

 ?? Foto: Franziska Kraufmann ?? Sind die Hotpants zu kurz, gibt es an manchen Schulen in Bayern übergroße T Shirts, um zu viel nackte Haut zu verstecken. Schon 2004 geriet eine Schule in Bayern in die Schlagzeil­en.
Foto: Franziska Kraufmann Sind die Hotpants zu kurz, gibt es an manchen Schulen in Bayern übergroße T Shirts, um zu viel nackte Haut zu verstecken. Schon 2004 geriet eine Schule in Bayern in die Schlagzeil­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany