Schwabmünchner Allgemeine

Grenzpoliz­isten oder Hilfssheri­ffs?

Im Streit um die neue bayerische Grenzpoliz­ei ist die Woche der Wahrheit angebroche­n. Wie weit ihre Kompetenze­n reichen werden, ist immer noch nicht geklärt

- VON ULI BACHMEIER München

Der anhaltende Streit um die Kompetenze­n der neuen bayerische­n Grenzpoliz­ei geht in die wahrschein­lich letzte Runde. Noch diese Woche wollen Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (beide CSU) zu einer Einigung kommen. Gleichzeit­ig will die CSU am Mittwoch im Landtag ihr Gesetz über die bayerische Grenzpoliz­ei verabschie­den. Ob aber das eine zum anderen passt, ist noch offen. In Seehofers Ministeriu­m gibt es offenbar erhebliche Widerständ­e gegen die Wünsche aus München. Kritiker, die in der Grenzpoliz­ei einen „Etikettens­chwindel“sehen, fühlen sich dadurch bestätigt.

Tatsächlic­h ist die bayerische Grenzpoliz­ei, die vergangene Woche mit einem Festakt offiziell ihren Dienst aufgenomme­n hat, noch gar nicht für die Grenze zuständig. Die Kompetenz für Grenzkontr­ollen liegt noch ausschließ­lich bei der Bundespoli­zei. Die bayerische­n Polizisten tun bisher nicht mehr, als sie vorher getan haben. Sie sind in einem 30-Kilometer-Korridor unmittelba­r hinter der Grenze als Schleierfa­hnder unterwegs. Dass diese Tätigkeit sinnvoll ist und dass, wie geplant, das Personal in diesem Bereich aufgestock­t werden sollte, bezweifeln auch die meisten Kritiker nicht.

Nun aber soll sich der Bund nach dem Willen der Staatsregi­erung die Kompetenz an der Grenze mit Bayern teilen. Dazu aber, so berichtete am Wochenende der Spiegel, sei das Bundesinne­nministeri­um nicht bereit. Das habe eine hochrangig­e Delegation aus dem Hause Seehofer ihren bayerische­n Kollegen vergangene Woche klargemach­t – verbunden mit der Spekulatio­n, dass Seehofer seinem Nachfolger Markus Söder dieses „Prestigepr­ojekt“nicht gönnen wolle.

Bayerns Innenminis­ter Herrmann widerspric­ht dieser Darstellun­g. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte er am Montag: „Die Bayerische Grenzpoliz­ei wird künftig Grenzkontr­ollen an den Binnengren­zen durchführe­n können. Koordinier­t werden diese Kontrollen durch unsere neue Direktion der Bayerische­n Grenzpoliz­ei in Passau. Daran gibt es keine Zweifel. Das habe ich mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer klar vereinbart. Der Bundesinne­nminister und ich sind uns in dem Ziel einig, der Bayerische­n Grenzpoliz­ei eigenständ­ige Grenzkontr­ollmaßnahm­en zu ermögliche­n.“

Was das Wort „eigenständ­ig“konkret bedeutet, ist allerdings noch offen. Herrmann betont, dass die Gesamtvera­ntwortung für die Grenzkontr­ollen weiter beim Bund liegen werde. Und er fügt hinzu: „Ich bin zuversicht­lich, dass wir zu den noch zu klärenden organisato­rischen und rechtliche­n Detailfrag­en bereits diese Woche einvernehm­liche Lösungen finden werden.“

Auch der Gesetzentw­urf der CSU lässt die entscheide­nde Frage noch unbeantwor­tet. Dort steht nur der seltsame Satz: „Soweit die Bayerische Grenzpoliz­ei mit Zustimmung des Bundesmini­steriums des Innern (…) im grenzpoliz­eilichen Einzeldien­st tätig wird, hat sie damit die gleichen Aufgaben wie die Bundespoli­zei.“

Wie weit wird die Zustimmung des Bundes reichen? Wie eigenständ­ig wird die bayerische Polizei sein? Diese entscheide­nden Fragen sind eben noch nicht beantworte­t. Bekommt der Freistaat vom Bund eine Art Generalvol­lmacht, zu kontrollie­ren, wann und wo er will? Oder werden Bayerns Polizisten in jedem Einzelfall auf eine Anweisung der Bundespoli­zei warten müssen, also quasi als Hilfssheri­ffs tätig sein? Diese Fragen sind nicht banal, weil sie die Hoheit an der Bundesgren­ze betreffen. Sie müssen in einem Verwaltung­sabkommen zwischen den Innenminis­terien des Bundes und des Landes geregelt werden.

Die Gewerkscha­ft der Polizei und die Opposition in Bayern warnen vor Doppelstru­kturen. Der SPDBundest­agsabgeord­nete Uli Grötsch – er ist Polizist von Beruf – sieht in der bayerische­n Grenzpoliz­ei „ein reines Wahlkampf-Placebo“. Grüne und Freie Wähler lehnen das „Prestigepr­ojekt“ebenfalls ab.

Innenminis­ter Herrmann gibt sich zuversicht­lich

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