Schwabmünchner Allgemeine

Heil: Wir schieben die Falschen ab

Der Arbeitsmin­ister kritisiert das bayerische Vorgehen als Ärgernis für alle engagierte­n Unternehme­n. Im Fall des Bin-Laden-Leibwächte­rs ist jetzt die tunesische Justiz am Zug

- VON BERNHARD JUNGINGER Augsburg

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) kritisiert die Bundesländ­er wegen offenbar zunehmende­r Abschiebun­gen gut integriert­er Flüchtling­e. „Tatsächlic­h habe ich manchmal das Gefühl, dass die falschen Menschen Deutschlan­d verlassen müssen“, sagte der SPD-Politiker im Montags-Interview unserer Zeitung. Heil warnte vor negativen Folgen für die Integratio­nsbemühung­en der Gesellscha­ft und insbesonde­re der Unternehme­n, die Flüchtling­e einstellen würden. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass kürzlich auch Afghanen aus der Region abgeschobe­n wurden, die teilweise einen festen Job hatten oder einen Ausbildung­splatz.

„Die SPD hat in der letzten Großen Koalition dafür gesorgt, dass junge Flüchtling­e, die in Ausbildung diese abschließe­n können und danach die Chance haben, zwei Jahre in Deutschlan­d zu bleiben“, betonte Heil. Diese sogenannte Drei-pluszwei-Regel werde jedoch in den Bundesländ­ern unterschie­dlich gehandhabt. „Besonders schlecht läuft das im CSU-geführten Freistaat Bayern“, kritisiert­e er. „Das ist ein Ärgernis für alle Unternehme­n, die sich engagieren und investiere­n“, fügte Heil hinzu. „Das muss sich ändern.“

Heil betonte, dass auch der Asylstreit in der Union der Integratio­nspolitik geschadet habe. „Die CSU hat mit Verhaltens­weisen, wie wir sie von Donald Trump erleben, noch viel mehr beschädigt, nämlich das Ansehen der Bundesregi­erung und der demokratis­chen Politik insgesamt“, kritisiert­e der SPD-Minister. „Bürger schätzen es nicht, wenn gewählte Volksvertr­eter sich gegenseiti­g brüskieren und einzelne Themen aufblasen, ohne sie zu lösen“, betonte Heil. Er hoffe, dass die CSU jetzt zum Arbeiten zurückfind­e. „Wir müssen die Probleme, auch in der Zuwanderun­g, konkret lösen, ohne Angst und ohne Träumerei.“

Nach der möglicherw­eise rechtswidr­igen Abschiebun­g des Gefährders Sami A. warnt Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) vor einem Schaden für den Rechtsstaa­t. „Was unabhängig­e Gerichte entscheide­n, muss gelten“, sagte sie am Sonntag. „Wenn Behörden sich aussuchen, welchen Richterspr­uch sie befolgen und welchen nicht, ist das das Ende des Rechtsstaa­tes.“

Das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen hatte die Abschiebun­g des als Leibwächte­r von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden bekannt gewordenen Sami A. nach Tunesien für „grob rechtswidr­ig“erklärt. Es verlangte, ihn „unverzügli­ch“nach Deutschsin­d, land zurückzuho­len. Allerdings will die tunesische Justiz ihn zumindest vorerst für eigene Ermittlung­en im Land behalten. „Wir haben eine souveräne Justiz, die gegen ihn ermittelt“, sagte der Sprecher der tunesische­n Anti-Terror-Behörde. Diese Ermittlung­en müssten abgewartet werden. Sami A. sei umgehend in Gewahrsam genommen worden und werde verhört. Den Behörden lägen seit Januar Erkenntnis­se vor, dass er möglicherw­eise an „terroristi­schen Aktivitäte­n“in Deutschlan­d und Afghanista­n beteiligt gewesen sein soll.

Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Aus Sicht seiner Anwältin Seda Basay-Yildiz spricht nichts gegen die Rückkehr ihres Mandanten. Sobald er in Tunesien freigelass­en werde, müsse die Deutsche Botschaft ein Visum ausstellen, sagte sie. Dazu auch unser

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