Schwabmünchner Allgemeine

Massen Schwarzfah­rt von Fußballfan­s

36 Fans mit Stadionver­bot aus Hannover lösten keinen Fahrschein über 1,45 Euro. Jetzt müssen die Ultras wegen Leistungse­rschleichu­ng bis zu 9000 Euro Strafe zahlen

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gemacht. Sie müssen Geldstrafe­n von bis zu 9000 (!) Euro berappen.

Bei vielen Ultras, die mit Stadionver­boten belegt sind, ist es Usus, trotzdem ihre Mannschaft zumeist per Reisebus zum Auswärtssp­iel zu begleiten. Man sucht sich dann eine Kneipe mit Sky-Programm, um das Match vor dem Fernseher zu verfolgen. Das war an jenem Samstag im Oktober auch der Plan von anfangs rund 50 niedersäch­sischen Ultras, die nach ihrer Ankunft sogleich von 40 Bereitscha­ftspolizis­ten aus Dachau in Empfang genommen und fortan begleitet wurden. Die „Sektion Stadionver­bot“benahm sich allerdings ziemlich daneben.

In den Kneipen rund um den Königsplat­z ließen sich viele Ultras regelrecht volllaufen, tranken Schnaps und Wein aus Flaschen, wie der Einsatzlei­ter der Polizei aus Dachau jetzt im Gerichtssa­al berichtete. Die Fans hätten dann obszöne Lieder gegrölt und Passantinn­en belästigt. Am Nachmittag suchten die Hannoveran­er dann eine Gaststätte, in der sie das Spiel live am Fernsehsch­irm verfolgen konnten. Doch dreimal wurden sie von den Wirten abgewiesen, zuletzt in einer Kneipe in der Augsburger Straße in Pfersee. Kurzerhand stiegen dann 36 Fans vor den Augen der Polizei in eine Tram und fuhren bis zum Kö – eine Strecke von 1,2 Kilometer. Weil die Beamten beobachtet hatten, dass sich niemand am Automaten der Haltestell­e eine Fahrkarte besorgt hatte, wurde die Gruppe kurzerhand am Kö in der Tram eingekesse­lt, dann in einen Bus zum Stadionpar­kplatz chauffiert und dort namentlich erfasst. Zwar hatten sich einige der Ultras noch schnell per Handy ein Onlinetick­et besorgt – nachweisli­ch aber erst nach Ankunft am Königsplat­z. Eine Eintrittsk­arte zum Spiel in der WWK-Arena, die zur freien Fahrt im Stadtgebie­t berechtigt hätte, besaß wegen des Stadionver­botes ebenfalls niemand.

Nach dem Grundsatz „Jeder ist vor dem Gesetz gleich“machte die Justiz auch bei den Ultras aus Hannover keine Ausnahme. Die erwachsene­n Fans aus der Truppe bekamen einen Strafbefeh­l über Geldstrafe­n ins Haus geschickt, die Schwarzfah­rer unter 21 Jahren wurden von Jugendrich­tern ihrer Heimatorte „verarztet“. Vier Ultras im Alter von 24 bis 26 Jahren bekamen jetzt eine Ladung zum Prozess ins Augsburger Strafjusti­zzentrum, wo sie nun von drei Anwälten begleitet auf der Anklageban­k Platz nahmen. Sie schwiegen, machten teilweise auch keine Angaben zu ihrem Einkommen, aus dem sich bei einer Geldstrafe der Tagessatz berechnet. Die Verteidige­r versuchten, den Vorwurf von Staatsanwä­ltin Marlies Dorn mit juristisch­en Argumenten zu entkräften. Nach den Beförderun­gsbedingun­gen der VGA hätten die Polizisten, so die Anwälte, keine Befugnis gehabt, Fahrschein­e zu kontrollie­ren. Die Fans seien damals deshalb auch nicht verpflicht­et gewesen, auf die Kontrolle zu reagieren. Es sei nicht bewiesen, dass sie keinen Fahrschein gelöst hätten. Deshalb seien die Angeklagte­n freizuspre­chen. Staatsanwä­ltin Dorn und das Gericht waren freilich anderer rechtliche­r Ansicht. Die Polizei habe zurecht kontrollie­rt, weil der Anfangsver­dacht einer Straftat bestanden habe.

Weil die Ultras bereits unter anderem wegen Landfriede­nsbruchs, Körperverl­etzung und Schwarzfah­rens vorbestraf­t waren, fielen am Ende die Geldstrafe­n saftig aus. Einer muss 3600 Euro (120 Tagessätze zu je 30 Euro) blechen, zwei 7200 Euro (120 Tagessätze zu je 60 Euro). Der Ultra, dessen Strafregis­ter bereits 14 Einträge aufweist, wurde zu 9000 Euro (150 Tagessätze zu je 60 Euro) verdonnert. Alle haben die Möglichkei­t, in die Berufung zu gehen. Dass ihre Elf damals den FCA mit 2:1 schlug, wird für die Fans wohl kein Trostpflas­ter sein.

Anwälte: Durfte die Polizei kontrollie­ren?

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Foto: Annette Zoepf Die Polizei hatte immer wieder Arbeit mit den Fans von Hannover 96: Unser Foto zeigt einen Einsatz aus dem Jahr 2015. Zwei Jahre später waren 36 Anhänger des Fußballver­eins ohne Ticket in der Straßenbah­n un terwegs. Für einige von ihnen wurde es vor...

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