Schwabmünchner Allgemeine

Früher fehlte das Geld, heute fehlen die Leute

Weil die Kommunen viele Projekte vorantreib­en und die Bauwirtsch­aft boomt, kommen die Verwaltung­en mit der Arbeit nicht mehr nach. Manche Behörde hat sogar schon ihre Leistungen eingeschrä­nkt

- Region

Im Frühjahr hatte es im Gersthofer Stadtrat wieder einmal so richtig gekracht. Kern des Zoffs: Die Stadtratsm­ehrheit hatte sich bei Neueinstel­lungen für das Baureferat in der Verwaltung der 22000-Einwohner-Stadt quer gelegt und musste sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, sie torpediere das ehrgeizige Bauprogram­m der Stadt, um dem parteilose­n Bürgermeis­ter Michael Wörle eins auszuwisch­en. Nicht erörtert wurde in der teilweise erregten Debatte allerdings, ob es denn überhaupt genügend geeignete Bewerber gegeben hätte.

Denn die fehlen zur Zeit in vielen Orten – zum Beispiel in der großen Nachbarsta­dt Augsburg. Die Stadt hat momentan etliche Bau- und Sanierungs­projekte auf Eis gelegt, weil sie nicht genug Ingenieure hat, um sie zu planen. Zu den verschoben­en Projekten zählt das Parkleitsy­stem für die Innenstadt, das seit fünf Jahren

13 Ingenieurs­stellen in Augsburg sind unbesetzt

kommen soll und das im Zuge der Abgasdisku­ssion mehr Gewicht erhalten hat, weil es Parksuchve­rkehr verhindern könnte. Auch die Umsetzung des Projekts Fahrradsta­dt 2020 verzögerte sich zumindest teilweise aufgrund von unbesetzte­n Stellen. Baureferen­t Gerd Merkle verweist darauf, dass in der Verkehrspl­anung derzeit vier von 13 Ingenieurs­tellen nicht besetzbar sind. „Die Bauverwalt­ung versucht, mit dem vorhandene­n Personal die wichtigste­n Aufgaben im jeweiligen Amt bestmöglic­h zu bewältigen.“

Hintergrun­d des Personalma­ngels im Hochbau-, Tiefbau-, Bauordnung­sund Stadtplanu­ngsamt ist, dass die Privatwirt­schaft angesichts des Baubooms im Regelfall höhere Gehälter zahlt als der Öffentlich­e Dienst – dafür zum Teil aber auch längere Arbeitszei­ten erwartet. Bauingenie­ure im Öffentlich­en Dienst sind in Entgeltstu­fen eingruppie­rt, die je nach Hochschula­bschluss einen Monatslohn von gut 3200 Euro aufwärts für Berufseins­teiger vorsehen.

Der Personalma­ngel ist in vielen Bauverwalt­ungen bayerische­r Städte ein ständiger Begleiter, sagt Dr. Achim Sing. Und damit vielfach ein Problem. Der Pressespre­cher des Städtetags benennt die Gründe: Erstens haben die Kommunen mehr Geld als etwa vor zehn Jahren und bauen dementspre­chend viel. Das bindet Kräfte. Zweitens die Baukonjunk­tur: In der Wirtschaft sind die Spezialist­en gefragt und besser bezahlt. In der momentanen Phase zähle der größte Trumpf des Öffentlich­en Dienstes wenig: der sichere Arbeitspla­tz. Sing: „Das ist halt derzeit einfach so.“

Die Folgen spürt man beispielsw­eise auch am Landratsam­t in Aichach. Die Zahl der Bauanträge ist in diesem Jahr erneut gestiegen: bislang um 20 Prozent gegenüber 2017. Für die Behörde bedeutet das viel Arbeit. Damit sich die Mitarbeite­r gerade bei umfangreic­heren Projekten ungestört mit der Materie auseinande­rsetzen können, hat das Amt nun die Öffnungsze­iten eingeschrä­nkt. Bereits seit Januar gibt es im Baubereich nur noch drei Öffnungsta­ge.

In Augsburg gibt es eine Liste mit mehr als 20 Projekten, für die es zwar einen Planungsau­ftrag durch den Stadtrat gibt, die aber momentan ruhen. Im Schulsanie­rungsprogr­amm vorgesehen sind Sanierunge­n von Elias-Holl-Schule, St.-Anna-Schule, Holbein- und PeutingerG­ymnasium. Die Liste der Projekte, die eingefrore­n sind, ist noch länger und reicht von der Sanierung des Spickelbad­s über die Stadtmarkt­sanierung und das Mozarthaus bis hin zum Rosenausta­dion.

Auch in Gersthofen hat die Stadt inzwischen Projekte verschoben – in erster Linie den Ausbau von zwei Feuerwehrh­äusern. Möglicherw­eise führt die Personalsi­tuation im Bauamt auch dazu, dass es Verzögerun­gen bei Schulsanie­rungen gibt. Ganz vom Tisch scheinen Neueinstel­lungen bei der finanziell gut gestellten Stadt aber nicht zu sein. Die bisherigen Gegner im Stadtrat könnten sich diese im Zusammenha­ng mit einer Organisati­ons-Überprüfun­g des Bauamts vorstellen. Den Anlass dazu böte ein Wechsel an dessen Spitze: Der bisherige Gersthofer Stadtbaume­ister Thomas Berger hört auf. Er wechselt dem Vernehmen nach in die Augsburger Bauverwalt­ung.

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Foto: Matthias Becker Wo viele Wohnungen gebraucht werden, wird viel gebaut. Damit viel gebaut werden kann, müssen Baugenehmi­gungen erteilt werden – und das wird in einigen Verwaltung­en und Behörden inzwischen zum Problem: Zahlreiche Stellen können mangels Bewerbern nicht...

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