Schwabmünchner Allgemeine

Augsburger Polizisten oft von Gewalt betroffen

Vor allem in der Innenstadt werden die Beamten häufig beschimpft, beleidigt und attackiert. Das Nachtleben ist aus Sicht der Polizei noch immer ein großes Problem. Das zeigt sich auch bei den Promillewe­rten der Täter

- VON JÖRG HEINZLE »Kommentar

Es ist ein Rekord, auf den man bei der Augsburger Polizei gerne verzichten könnte. In keiner bayerische­n Großstadt werden Polizisten häufiger beschimpft, beleidigt und angegriffe­n als in Augsburg. 481 Übergriffe auf Polizeibea­mte wurden hier im vergangene­n Jahr gezählt. 111 Polizisten wurden dabei verletzt. Auch in den Jahren 2016 und 2015 bewegten sich die Zahlen nahezu auf dem gleichen Niveau. Augsburgs Polizeiprä­sident Michael Schwald sagte unserer Redaktion, er sehe die Brutalität, mit der die Beamten im Dienst häufig konfrontie­rt seien, mit großer Sorge.

Besonders von Gewalt betroffen ist das Innenstadt-Revier der Augsburger Polizei. 253 Übergriffe gab es hier, 54 Polizisten der Inspektion Mitte sind im vorigen Jahr durch Angriffe verletzt worden. In den meisten Fällen trifft es jene Beamte, die im Streifendi­enst arbeiten. Revierchef­in Eva Schichl sagt: „Im Schnitt erleidet fast jeder Streifenbe­amte einmal im Jahr eine Verletzung.“Schlimm seien aber nicht nur die Fälle, bei denen jemand körperlich verletzt werde. Eva Schichl sagt: „Auch Beleidigun­gen sind Verletzung­en.“Es sei für ihre Beamten Alltag, dass sie mit übelsten Schimpfwör­tern belegt werden.

Nach wie vor ist das Nachtleben das Sorgenkind Nummer eins. Hier häufen sich die Attacken. „Wir können das eindeutig festmachen“, sagt Eva Schichl. „Abends und an den Wochenende­n ist das Risiko für die Kollegen besonders hoch.“Erst an diesem Wochenende sind wieder drei Beamte ihres Reviers verletzt worden, weil sie eine Schlägerei unter Nachtschwä­rmern stoppen wollten.

Vier Männer und eine Frau, alle Mitte 20, waren in der Ludwigstra­ße aneinander­geraten. Als die Beamten einen Streitende­n fesseln wollten, würgte ein anderer Mann aus der Gruppe einen der Polizisten. Der Polizist erlitt dadurch Einblutung­en am Hals. Er musste 24 Stunden lang im Klinikum bleiben, damit sein Gesundheit­szustand überwacht werden konnte.

allem unter Einfluss von Alkohol und illegalen Drogen verlören die Menschen teils jede Hemmung, sagt Eva Schichl. Das zeigt sich auch beim Blick auf die Zahlen. 80 Prozent der Tatverdäch­tigen, die im Jahr 2017 einen Beamten der Innen- beleidigt oder attackiert haben, waren betrunken oder anderweiti­g berauscht. Die meisten sind dabei nicht nur leicht betrunken, sondern haben vorher ordentlich zugelangt. Der durchschni­ttliche Promillewe­rt bei diesen alkohoVor lisierten Tatverdäch­tigen lag bei immerhin 1,8 Promille.

Das „Saufen“alleine – das ist aus Sicht der Polizistin Eva Schichl keine ausreichen­de Erklärung für die Gewalt und die Respektlos­igkeit, die Polizisten und inzwischen oft sogar Sanitätern oder Feuerwehrl­euten entgegensc­hlägt. Sie sagt: „Ich habe das Gefühl, dass der Anstand in unserer Gesellscha­ft leider etwas verloren gegangen ist.“Das erfahre sie auch in Gesprächen in ihrem Alltag bei der Polizei – etwa im Kontakt mit Lehrern. Ihr Eindruck: „Für sich selbst fordert man Freiheiten einen, die Toleranz anderen gegenüber ist dagegen sehr eingeschrä­nkt.“Das zeigte sich auch bei den Tätern. Jung und männlich sind sie meist, aber auch aus allen sozialen Schichten. Vom Studenten bis zum Hilfsarbei­ter. Manch einer sei selbst entsetzt, wenn er in nüchternem Zustand erfahre, wie er sich im Rausch danebenben­ommen habe.

Bei der Polizei hat man auf die hohe Gewaltbere­itschaft reagiert. Die Beamten wurden besser ausgestadt-Inspektion stattet, unter anderem mit neuen Schutzwest­en. Und es gibt spezielle Schulungen, wie man sich in kritischen Situation verhalten kann. Bei der Inspektion Mitte wurden auch Uniformkam­eras getestet – sogenannte Body-Cams. Sie sollen jetzt bayernweit zum Standard werden. Die Erfahrunge­n in Augsburg sind positiv. „Zumindest bei manchen wirkt es, wenn sie merken, dass sie gefilmt werden“, sagt Eva Schichl.

Die Videoaufna­hmen dieser Kameras können auch als Beweismate­rial wichtig sein, wenn ein Angriff auf einen Beamten in einem Strafproze­ss verhandelt wird. Denn es gibt eine eindeutige Linie bei der Augsburger Polizei. Angriffe auf Polizeibea­mte würden konsequent verfolgt und zur Anzeige gebracht, sagt Revierchef­in Eva Schichl – genauso, wie man auch das Fehlverhal­ten von Beamten nicht dulde. Polizeiprä­sident Michael Schwald fasst es so zusammen: „Wer Polizeibea­mte beleidigt, bespuckt oder verletzt, greift damit die gesamte Gesellscha­ft an.“

Erst am Wochenende kam ein Polizist ins Klinikum

 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Freund und Helfer – oder Feind? Die Übergriffe auf Polizisten bewegen sich in Augsburg seit mehreren Jahren auf einem hohen Niveau.
Archivfoto: Alexander Kaya Freund und Helfer – oder Feind? Die Übergriffe auf Polizisten bewegen sich in Augsburg seit mehreren Jahren auf einem hohen Niveau.

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