Schwabmünchner Allgemeine

Wortakroba­t und Boxing Champion

Timo Wopp beschäftig­t sich zum Auftakt des Königsfest­ivals mit dem Thema Moral. Doch eine definitive Antwort darf man vom „ersten Schizo“in dieser Frage nicht erwarten – aber viel doppelbödi­gen Humor

- VON ADRIAN BAUER Königsbrun­n

Einen Auftakt nach Maß hat das Königsfest­ival 2018 am Mittwochab­end hingelegt. Kabarettis­t Timo Wopp zeigt auf der Bühne in seinem Programm „Moral – eine Laune der Kultur“, dass Männer durchaus mehr als eine Sache gleichzeit­ig können. Und Christian Kunzi freut sich über 900 Besucher bei seiner Premiere als Festival-Organisato­r.

Timo Wopp gehört in der Szene der Bühnenkomi­ker noch nicht zu den ganz bekannten Namen in Bayern. Doch der Berliner dürfte mit seinem Auftritt einige Fans hinzugewon­nen haben. Denn die Kombinatio­n aus wortreiche­m, hintergrün­digem Kabarett und spektakulä­rer Jonglage sieht man auf den Kleinkunst­bühnen der Republik sonst nirgends – vor allem nicht gleichzeit­ig. Während Wopp über die Prozesse des Arbeitsleb­ens referiert und die Frage bespricht, ob der Mensch überhaupt Herr seiner Prozesse ist, lässt er drei Bälle vor seinem Körper, über seinen Kopf und hinter seinem Rücken kreisen. Beides geschieht in atemberaub­endem Tempo.

Der Kabarettis­t fordert nicht nur sich selbst, sondern auch sein Publikum. Um am Ball zu bleiben, ist einiges an Konzentrat­ion gefordert – sowohl bei den Jonglagen als auch bei den „normalen“Kabarettnu­mmern. Denn Wopps Gedankenzu­g läuft auf Höchstgesc­hwindigkei­t und die Zunge hält locker mit. So erklärt er die gefühlten moralische­n Überlegenh­eiten unserer Zeit am Beispiel der Kita-Muttis in seinem Berliner Heimat- und In-Stadtteil Prenzlauer Berg: „Alle finden sie Apartheit schlimm. Nur halt nicht an unserer Grundschul­e.“Und erklärt, wie er die Ortungsfun­ktion seines Handys mittels ständigem Herumhüpfe­n austrickst und seitdem bei Facebook nur noch Werbung für Ritalin bekommt.

Die Mischung macht sein Programm spannend. Wopp leitet Themen mit einfachen Späßen ein und wird dann immer tiefgründi­ger, bleibt dabei aber so selbstiron­isch, dass nie der Eindruck entsteht, hier spräche ein Moralapost­el. So erklärt er seine neue Lieblingss­portart „Boxing“mit leichter Hand und lässt die Zuhörer lange im Unklaren, dass es sich nicht um Schwinger und Kinnhaken, sondern um das Jonglieren mit Schachteln (englisch: boxes) geht. Mit einfachen 180-GradDrehun­gen der Schachteln erklärt er die politische­n Strömungen und Wechseleie­n im Parteiensp­ektrum. Satz um Satz steigert er den Schwierigk­eitsgrad der Jonglage bis das Publikum begeistert klatscht. Und kommt zu dem Schluss: „Je gefährlich­er eine Aussage, je größer die Show, desto heftiger die Reaktion. So funktionie­rt Populismus.“

Ein Patentreze­pt für moralisch einwandfre­ies Verhalten will Wopp aber nicht anbieten: „Ich habe auch gar keine Ahnung, wie das aussehen sollte. Ich bin doch der erste Schizo.“Zumal moralisch einwandfre­ies Verhalten sowieso Gefühls- und Glaubenssa­che sei: „Egal, was man als Kabarettis­t sagt, am Ende kommt immer einer, der es besser weiß und sagt, wen man noch alles hätte zitieren müssen.“„Feuilleton­lutscher“nennt Wopp diese Zeitgenoss­en. Experten gebe es für viele Gebiete, Bereitscha­ft, die eigene Meinung zu überprüfen nur wenig. Oder wie Wopp es formuliert: „Recherche ist der Feind der Meinung.“

Wissenscha­ftlich fundiert ist dagegen sein Exkurs zum Thema Fluchen: Dass durch deftige Worte Stresshorm­one abgebaut werden, was sich wiederum gesundheit­sfördernd auf den ganzen Organismus auswirkt, ist seit Jahrzehnte­n erwiesen. Allerdings wirke dies nur, wenn weitere Personen anwesend seien und die Grenzübers­chreitung groß genug sei, um einen Adrenalina­usstoß beim Flucher zu bewirken. „Wenn man also seine Wut in Internetko­mmentaren herausläss­t, hat das keinen Stressabba­u zur Folge. Das ist dann schlicht Hetze“, sagt Wopp.

Doch wie gesagt, den moralische­n Kompass spielen kommt für Wopp nicht in die Tüte: „Ich bin eigentlich nur hier, um der Orientieru­ngslosigke­it ein Gesicht zu geben. Meins.“Im Herbst kommt der Kabarettis­t mit seinem neuen Programm ins Parktheate­r nach Göggingen.

Festival-Organisato­r Christian Kunzi war mit dem ersten Abend sehr zufrieden. Die Aufbauarbe­iten hatten sehr gut geklappt und nach seinen Eröffnungs­worten konnte er den Auftritt Timo Wopps auch entspannt genießen. „Die Halle ist schon am ersten Abend gut gefüllt, so kann es weitergehe­n.“Das Königsfest­ival geht mit drei Konzerten weiter. Heute kommen die Schürzenjä­ger mit Alpenrock, am Samstag findet die Schlagerpa­rty mit Jürgen Drews und Michelle statt und am Sonntag treten die „12 Tenöre“auf. Für alle Shows gibt es noch Karten. Beim Schlagerab­end sind für die Sitzplatzk­ategorie 1 nur noch Restkarten verfügbar.

 ?? Fotos: Adrian Bauer ?? Wer behält bei all der Hektik noch den Durchblick? Timo Wopp schon – auch wenn er sich wundert, dass man viele schwierige Tricks stundenlan­g üben kann, für die simple „Eule“aber den meisten Applaus bekommt.
Fotos: Adrian Bauer Wer behält bei all der Hektik noch den Durchblick? Timo Wopp schon – auch wenn er sich wundert, dass man viele schwierige Tricks stundenlan­g üben kann, für die simple „Eule“aber den meisten Applaus bekommt.
 ??  ?? Mit drei Schachteln kann man die politische Landschaft anschaulic­h erklären: Timo Wopp zeigt sich als Meister des „Boxing“.
Mit drei Schachteln kann man die politische Landschaft anschaulic­h erklären: Timo Wopp zeigt sich als Meister des „Boxing“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany