Wortakrobat und Boxing Champion
Timo Wopp beschäftigt sich zum Auftakt des Königsfestivals mit dem Thema Moral. Doch eine definitive Antwort darf man vom „ersten Schizo“in dieser Frage nicht erwarten – aber viel doppelbödigen Humor
Einen Auftakt nach Maß hat das Königsfestival 2018 am Mittwochabend hingelegt. Kabarettist Timo Wopp zeigt auf der Bühne in seinem Programm „Moral – eine Laune der Kultur“, dass Männer durchaus mehr als eine Sache gleichzeitig können. Und Christian Kunzi freut sich über 900 Besucher bei seiner Premiere als Festival-Organisator.
Timo Wopp gehört in der Szene der Bühnenkomiker noch nicht zu den ganz bekannten Namen in Bayern. Doch der Berliner dürfte mit seinem Auftritt einige Fans hinzugewonnen haben. Denn die Kombination aus wortreichem, hintergründigem Kabarett und spektakulärer Jonglage sieht man auf den Kleinkunstbühnen der Republik sonst nirgends – vor allem nicht gleichzeitig. Während Wopp über die Prozesse des Arbeitslebens referiert und die Frage bespricht, ob der Mensch überhaupt Herr seiner Prozesse ist, lässt er drei Bälle vor seinem Körper, über seinen Kopf und hinter seinem Rücken kreisen. Beides geschieht in atemberaubendem Tempo.
Der Kabarettist fordert nicht nur sich selbst, sondern auch sein Publikum. Um am Ball zu bleiben, ist einiges an Konzentration gefordert – sowohl bei den Jonglagen als auch bei den „normalen“Kabarettnummern. Denn Wopps Gedankenzug läuft auf Höchstgeschwindigkeit und die Zunge hält locker mit. So erklärt er die gefühlten moralischen Überlegenheiten unserer Zeit am Beispiel der Kita-Muttis in seinem Berliner Heimat- und In-Stadtteil Prenzlauer Berg: „Alle finden sie Apartheit schlimm. Nur halt nicht an unserer Grundschule.“Und erklärt, wie er die Ortungsfunktion seines Handys mittels ständigem Herumhüpfen austrickst und seitdem bei Facebook nur noch Werbung für Ritalin bekommt.
Die Mischung macht sein Programm spannend. Wopp leitet Themen mit einfachen Späßen ein und wird dann immer tiefgründiger, bleibt dabei aber so selbstironisch, dass nie der Eindruck entsteht, hier spräche ein Moralapostel. So erklärt er seine neue Lieblingssportart „Boxing“mit leichter Hand und lässt die Zuhörer lange im Unklaren, dass es sich nicht um Schwinger und Kinnhaken, sondern um das Jonglieren mit Schachteln (englisch: boxes) geht. Mit einfachen 180-GradDrehungen der Schachteln erklärt er die politischen Strömungen und Wechseleien im Parteienspektrum. Satz um Satz steigert er den Schwierigkeitsgrad der Jonglage bis das Publikum begeistert klatscht. Und kommt zu dem Schluss: „Je gefährlicher eine Aussage, je größer die Show, desto heftiger die Reaktion. So funktioniert Populismus.“
Ein Patentrezept für moralisch einwandfreies Verhalten will Wopp aber nicht anbieten: „Ich habe auch gar keine Ahnung, wie das aussehen sollte. Ich bin doch der erste Schizo.“Zumal moralisch einwandfreies Verhalten sowieso Gefühls- und Glaubenssache sei: „Egal, was man als Kabarettist sagt, am Ende kommt immer einer, der es besser weiß und sagt, wen man noch alles hätte zitieren müssen.“„Feuilletonlutscher“nennt Wopp diese Zeitgenossen. Experten gebe es für viele Gebiete, Bereitschaft, die eigene Meinung zu überprüfen nur wenig. Oder wie Wopp es formuliert: „Recherche ist der Feind der Meinung.“
Wissenschaftlich fundiert ist dagegen sein Exkurs zum Thema Fluchen: Dass durch deftige Worte Stresshormone abgebaut werden, was sich wiederum gesundheitsfördernd auf den ganzen Organismus auswirkt, ist seit Jahrzehnten erwiesen. Allerdings wirke dies nur, wenn weitere Personen anwesend seien und die Grenzüberschreitung groß genug sei, um einen Adrenalinausstoß beim Flucher zu bewirken. „Wenn man also seine Wut in Internetkommentaren herauslässt, hat das keinen Stressabbau zur Folge. Das ist dann schlicht Hetze“, sagt Wopp.
Doch wie gesagt, den moralischen Kompass spielen kommt für Wopp nicht in die Tüte: „Ich bin eigentlich nur hier, um der Orientierungslosigkeit ein Gesicht zu geben. Meins.“Im Herbst kommt der Kabarettist mit seinem neuen Programm ins Parktheater nach Göggingen.
Festival-Organisator Christian Kunzi war mit dem ersten Abend sehr zufrieden. Die Aufbauarbeiten hatten sehr gut geklappt und nach seinen Eröffnungsworten konnte er den Auftritt Timo Wopps auch entspannt genießen. „Die Halle ist schon am ersten Abend gut gefüllt, so kann es weitergehen.“Das Königsfestival geht mit drei Konzerten weiter. Heute kommen die Schürzenjäger mit Alpenrock, am Samstag findet die Schlagerparty mit Jürgen Drews und Michelle statt und am Sonntag treten die „12 Tenöre“auf. Für alle Shows gibt es noch Karten. Beim Schlagerabend sind für die Sitzplatzkategorie 1 nur noch Restkarten verfügbar.