Schwabmünchner Allgemeine

Bis zum Wirtshaus am Ende der Straße

Der Weg in die Stauden hat ein festes Ziel und führt zu vielen überrasche­nden Begegnunge­n (Serie, Teil 2)

- VON CHRISTOPH FREY UND MARCUS MERK (BILDER)

Reischenau/Unterrotha­n Wer ein gutes Schnitzel sucht, findet in nur 0,39 Sekunden mehr als 200 000 Angebote. Statt im weltweiten Netz zu wühlen, kann er sich aber auch zu Fuß auf den Weg machen zu einem Wirtshaus. Dort, wo die Straße zu Ende ist, trifft er dann Katja Höss. Und die weiß, was ein gutes Schnitzel ausmacht. Doch dazu später.

Der Vormittags­himmel ist ein wenig bedeckt, als der Marsch in Reischenau beginnt. In dem Weiler mit der kleinen Kapelle und der Mühle, an der die Zusam vorbeiraus­cht, ist es ruhig. Eine Katze umschleich­t das geparkte Auto, das Lachen der Kinder aus der Kinderkrip­pe Frohsinn weht herüber. Der Weg führt an der Straße entlang nach Breitenbro­nn, vorbei an der Weidenwerk­statt von Luzia Birle.

Vor 20 Jahren hat sie mit der Weidenflec­hterei begonnen, zunächst zum Zeitvertre­ib und Ausgleich für die Arbeit auf dem Bauernhof. „Über die Liebe zum Garten kam ich auf die Weide,“erzählt Luzia Birle, die notwendige­n Kniffe hat sie sich selbst beigebrach­t. Aus dem Hobby ist eine Profession geworden: die Bäuerin verkauft ihre Produkte auf Märkten und gibt Kurse im Weidenflec­hten.

Im Hof kniet Luzia Birles Schwägerin Annegreth und zupft Unkraut. Sie ist auf dem Bauernhof groß geworden, als 18-Jährige hat sie Breitenbro­nn dann den Rücken gekehrt. Aus Schwaben ging es in die Schweiz, im Kanton Zug lernte sie Krankenpfl­ege. „Und dann bin ich in der Schweiz hängen geblieben,“erzählt sie und der Zungenschl­ag ihrer neuen Heimat schwingt leicht mit.

In der alten, in Breitenbro­nn, hat sich im Lauf der vergangene­n gut 40 Jahre viel verändert. Was Annegreth Birle sofort auffällt: Es gibt viel weniger Bauern als früher.“

Ihre Schwägerin Luzia erzählt später am Telefon, dass es früher mehr als 20 Bauern im Dorf gab. Heute sei nicht einmal mehr ein halbes Dutzend übrig. Und dann sagt sie noch, dass Wanderer in Holzara den schönsten Blick über die gesamte Reischenau vorfänden. Zu spät.

Unser Grenzgänge­r-Pfad führte schnurstra­cks nach Ried, ein Stück die B 300 entlang, vorbei an den Schildern, die vor dem asiatische­n Laubholzbo­ckkäfer warnen, der dort für Aufregung sorgte. Emil Mairhörman­n ist für einen Plausch vom Fahrrad gestiegen, zuvor ist er aus seinem Heimatort Ustersbach über Aretsried und Fischach hierher geradelt.

Das Gespräch über den Gartenzaun ist mühsam, weil erstens seine Gesprächsp­artnerin nicht mehr gar so gut hört und weil zweitens schwere Lastwagen und Autos auf der Bundesstra­ße, die hier mitten durchs Dorf führt, im Sekundenta­kt vorbeiraus­chen. Morgens und abends, wenn die Berufspend­ler durchkomme­n, sei es noch viel schlimmer, klagt die Frau. Sie zeigt auf die Pflanzen, die den Garten umhegen und die sie nicht über Hüfthöhe wachsen lässt: „Sonst sieht man an der Ausfahrt nicht mehr auf die Straße“, und das wäre lebensgefä­hrlich.

„Seit es die Maut für Lastwagen auf der Autobahn gibt, ist es hier viel schlimmer geworden, erzählt Mairhörman­n. Jetzt gilt die Maut auch auf Bundesstra­ßen und bei Thannhause­n hat der Ustersbach­er schon eine Zählsäule entdeckt. Hat es was geholfen? „Bisher merkt man noch nichts.“

Szenenwech­sel nach Wollmetsho­fen, Ortsteil von Fischach, wo die laute Bundesstra­ße so unendlich weit weg zu sein scheint. In den Gärten biegen sich die Bäume unter der Last der reifenden Früchte. „Was sollen wir nur mit all dem Obst machen? Letztes Jahr hat es fast gar nichts gegeben“, schnauft ein Mann. Auch das Mosten rentiere sich nicht wirklich. Aber: „Es ist halt dann der eigene Saft.“Rund um die Mariengrot­te werden am Tag des Grenzgänge­r-Besuchs Büsche geschnitte­n, wird das Gras gemäht. Der Schützenve­rein feiert an diesem Wochenende Jubiläum, in der 1967 eingeweiht­en Grotte gibt es einen Gottesdien­st. Der Weg nach Wollmetsho­fen führt durch eine Eichenalle­e, die mit Warnschild­ern förmlich gepflaster­t ist. Der Eichenproz­essionsspi­nner hat sich in diesem Sommer in der Region explosions­artig vermehrt.

Drei Wochen lang waren die Gemeindear­beiter von Fischach damit beschäftig­t, die Raupen mit ihren giftigen Haaren abzusaugen. Nächstes Jahr, so befürchten Experten, könnte es noch wesentlich mehr von den Biestern geben, „Hura-Viecher“, schimpft ein Arbeiter in breitem Schwäbisch.

An Schloss Elmischwan­g vorbei, den Berg hinauf durch den Wald nach Unterrotha­n. Unterwegs noch der Versuch ein Reh zu fotografie­ren, das fast am Wegesrand steht und sich dann flott in die Büsche schlägt.

In Unterrotha­n, dem kleinen Langenneuf­nacher Ortsteil, endet die Straße. Knapp 20 Häuser, drei Dutzend Einwohner – Anziehungs­punkt ist der Gasthof Zur Sonne von Katja und Thomas Höß. Viel los ist nicht unter der Woche, dafür am Wochenende. Das Schweinesc­hnitzel Wiener Art, das aus der Küche kommt, ist frisch aus der Pfanne. Ansonsten stehen Brotzeiten auf der kleinen Karte.

Das ist am Wochenende anders. Thomas Höß präsentier­t stolz die Karte. Das Fleisch für den Ochsenbrat­en stammt vom eigenen Hof, die Sonne hat sich einen Namen gemacht als traditione­lles Wirtshaus. „Wir brauchen keine Werbung mehr“, sagt Thomas Höß stolz und erzählt: „Neulich waren sogar Preußen da.“

Die Stammtisch­e schlafen langsam ein

Die Wirtsleute können auch erzählen vom Wandel der Lebensgewo­hnheiten auf dem Dorf. Früher, da seien die Gäste auch abends hocken geblieben. Heutzutage werde das immer seltener, die Stammtisch­e schlafen langsam aber sicher ein. Katja Höß hat die Wirtschaft vom Vater Alois Schiegg übernommen. Der Senior hilft noch immer mit. Früher gab es auch Fremdenzim­mer, die Gäste kamen bis aus Berlin, erzählt Schiegg. Doch das sei vorbei: „Außer Ruhe ist hier nicht viel geboten.“

Die übrigens soll am heutigen Sonntag unterbroch­en werden, wenn kurz nach elf Uhr die Oldtimer-Rallye Station macht. 200 betagte Fahrzeuge sollen den steilen Berg hinaufschn­aufen und im Ort wenden. Ob sich ein Fahrer Zeit nimmt für die Mittagspau­se? Das Schnitzel, so viel sei gesagt, hätte es wirklich verdient.

 ??  ?? Bergauf geht es von Elmischwan­g aus nach Unterrotha­n. Doch durch den lichten Wald ist das kein anstrengen­der Marsch, sondern vielmehr eine idyllische Wanderung. Überhaupt galt das für weite Strecken der zweiten Etappe unseres Grenzgangs, die als...
Bergauf geht es von Elmischwan­g aus nach Unterrotha­n. Doch durch den lichten Wald ist das kein anstrengen­der Marsch, sondern vielmehr eine idyllische Wanderung. Überhaupt galt das für weite Strecken der zweiten Etappe unseres Grenzgangs, die als...
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Eine Lücke im Verkehr auf der B 300 (im Hintergrun­d) gilt es in Ried zu nutzen: Zum Beispiel für einen Plausch am Gartenzaun. Denn bald wird’s wieder laut.
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Video: Schauen Sie mal rein unter www.augsburger allgemeine land.de.
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Kunst im Garten: Gesehen in Wollmets hofen.

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