Kein Geld für die Geburtsstationen
Bei einem Vortrag für Senioren muss Gesundheitsministerin Melanie Huml kritische Fragen zu den Wertachkliniken beantworten. Warum sie im Streit um Fördergelder auf ihrem Standpunkt beharrt
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml bestätigt: keine staatliche Förderung für die Wertachkliniken.
Eigentlich wollte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml über die Gesundheit von Senioren sprechen. Über Vorsorge und Pflege, über die Digitalisierung auf dem Gesundheitssektor wollte sie diskutieren. Und dabei für ein gesundes Leben im hohen Alter werben. Es ist zunächst auch ein ruhiger Termin, an diesem Nachmittag im Bürgerhaus Graben vor dem Kreisverband der CSU-Senioren. Doch als Bernhard Albenstetter, Ortsvorsitzender der Schwabmünchner CSU, in der Fragerunde das Mikrofon ergreift, ändert sich das Thema – und das Temperament der Diskussion. Eine vehemente Debatte beginnt. Sie dreht sich um die Geburtenstation an den Wertachkliniken.
Der Brief, den Albenstetter vor etwa zwei Wochen von Huml erhalten hat, liegt griffbereit vor ihm auf dem Tisch. Es ist das Schreiben, mit dem die Absage kam: Die Krankenhäuser in Schwabmünchen und Bobingen werden nicht in das Förderprogramm „Geburtshilfe Bayern“aufgenommen. Albenstetter hakt beim Vortrag der Ministerin nach – doch die beharrt auf ihrem Standpunkt. Die Kliniken genügen nicht den Kriterien des Programms. Punkt.
Der Freistaat fördert künftig Geburtsstationen, wenn sie zwei Bedingungen erfüllen: Sie müssen zwischen 300 und 800 Geburten im Jahr nachweisen – und damit zugleich 50 Prozent der Geburten im Landkreis betreuen. Doch die Wertachkliniken fallen aus diesem Raster. Beim ersten Kriterium erfüllen sie das Soll. „Zwischen 400 und 500 Geburten waren es in den vergangenen Jahren immer“, sagt Albenstetter. Er appelliert an Huml: „Wir bitten Sie, von der 50-Prozent-Regel abzurücken. Es ist uns unmöglich, diese Hürde zu übertreffen.“Beide Wertachkliniken decken gemeinsam 39 Prozent der Geburten im Landkreis ab. Deshalb bittet Albenstetter die Ministerin, die Gleichzeitigkeit der Kriterien abzuschaffen.
Huml, die sich in ihrem Vortrag ruhig und gelassen präsentiert hatte, erwidert an diesem Punkt energisch. Die Gesundheitsministerin betont, dass die Förderung eine freiwillige Leistung sei. „Das ist eigentlich nicht unsere Zuständigkeit“, sagt Huml. „Aber wir sind so freundlich, Geburtshilfestationen zu unterstützen.“Dass davon alle Kliniken profitieren wollen, verstehe sie. „Das ist der Fluch der guten Tat“, sagt die Ministerin, die selbst Ärztin ist. Eigentlich entscheide der Kostenträger, ob das Defizit einer Klinik getragen werde – und das sei in diesem Fall der Landkreis. 85 Prozent des Defizits übernimmt der Kreis als Hauptkostenträger. Zweimal 7,5 Prozent entfallen auf die Standorte, die Städte Bobingen und Schwabmünchen.
Die bayerische Gesundheitsministerin begründet im Bürgerhaus ihre Kriterien: Die Obergrenze der Förderung liege bei 800 Geburten. Stationen, die diese Marke übertreffen, „müsste man gut ohne Förderung betreiben können“. Sie sagt, dass der Freistaat nur dort eingreife, wo etwas nicht funktioniere. Bei der 50-Prozent-Regel habe sie aber „viel hin und her überlegt“. Doch die Regel sei sinnvoll, da man somit diejenigen erreiche, die den größten Bedarf abdecken. Die entscheidenden Fragen seien: Wer braucht das Angebot und wer nutzt es? Die Problematik solch klarer Regeln sei ihr bewusst: „Wenn du Grenzen ziehst, wird immer einer nicht dabei sein.“ möglichen Fehlentwicklungen und Problemen könne man immer noch reagieren.
Das Problem der 50-ProzentHürde liege in der Gebietsstruktur des Landkreises Augsburg – da sind sich Albenstetter und Staatssekretärin Carolina Trautner einig. Trautner sitzt in dieser Debatte zwischen den Stühlen – zwischen ihrem Heimatlandkreis und dem Kabinett. Sie ist Landtagsabgeordnete für den Kreis Augsburg Süd und Staatssekretärin für Unterricht und Kultus. Sie betont, der Landkreis Augsburg sei sehr groß. Rund 250000 Menschen leben hier. Der Kreis umschließe zudem die Stadt Augsburg mit ihren Kliniken. Somit könne die reine Statistik nicht alles widerspiegeln. „Ich kämpfe für den Landkreis“, beteuert sie. Seit Dezember stehe sie in dieser Debatte im Kontakt mit Huml. Sie könne sich vorstellen, dass es sinnvoll wäre, den südlichen Landkreis Augsburg in der Statistik separat zu betrachten. Dennoch bittet sie um Verständnis für Humls Position: „Das ist ein Modellprojekt auf freiwilliger Basis. Dem müssen wir jetzt erst einmal eine Chance geben.“
Doch Albenstetter hat kaum Verständnis und beharrt auf seinem Standpunkt: „Mein Ansinnen ist die Abschaffung der Gleichzeitigkeit der Kriterien oder aber die Schaffung von Härtefallregelungen. Wichtig wäre aber auch ein konstruktives Programm zur Gewinnung von Hebammen.“Es sei schwierig, Menschen für diesen Beruf zu gewinnen. Er spricht von „unmöglichen Arbeitszeiten“, davon, dass auch die Kosten der Haftpflichtversicherung steigen. Nachhaltigkeit in der Ausbildung und der personellen Planung, das sei wichtig – „aber das kostet Geld“. Doch auch Huml signalisiert, dass sie an diesem Punkt nach Lösungen sucht: Das Ministerium habe eine Studie rund um die Arbeitsbedingungen und das Berufsbild der Hebammen in Auftrag gegeben. „Wir müssen erst einBei mal genügend Hebammen haben“, sagt sie.
Albenstetter gibt sich am Ende der Diskussion sachlich und ernüchtert. „Ich habe es nicht unversucht gelassen, ich habe diese Chance nutzen müssen. Aber die Antworten sind die gleichen“, sagt er und deutet auf den Zettel vor ihm, auf das Schreiben der Ministerin. Sein Fazit des Ministerbesuchs ist klar: „Da kommt in nächster Zeit kein Geld.“Und so sehe er die Fortführung der Geburtsstationen an beiden Standorten als gefährdet, also auch in Bobingen. Die in Schwabmünchen ist bereits seit dem Frühjahr geschlossen. Der bisherige finanzielle Zuschuss von 40 Euro pro betreuter Geburt, der genüge nicht. „40 Euro mal 400? Damit können Sie keine Station kostendeckend betreiben“, sagt Albenstetter.
Dass diese Diskussion vor den CSU-Senioren gerade beim Thema Geburtshilfe ihren Siedepunkt erreicht, darin sieht er keinen Widerspruch: „Jedes Alter hat einen Beginn – und das fängt mit der Geburt an.“
Huml verteidigt die 50 Prozent Regel