Woher kommt der Chemie Geruch?
Mitarbeiter des Umweltamtes sehen sich vor Ort in der Von-Roll-Fabrik in Inningen um. Nach massiven Klagen von Anwohnern will das Unternehmen nachbessern
Wie schlimm ist der Chemiegeruch aus einer Fabrik im Augsburger Stadtteil Inningen? Und wie kann man die Situation für Anwohner verbessern? Diesen Fragen gingen nun Fachleute des städtischen Umweltamtes bei einem Ortstermin nach. Hintergrund sind Beschwerden von Anwohnern. Sie wehren sich gegen Geruchsbelästigungen, die vom Firmengelände des Unternehmens Von Roll in der TheodorSachs-Straße ausgehen. Seit drei Jahren habe die Stadt nichts dagegen unternommen, so die Kritik. Deshalb haben sie eine Unterschriftenaktion gestartet und eine Bürgerinitiative gegründet.
Silke Komet aus Inningen klagt nicht nur über einen Gestank wie nach „verbrannten Autoreifen“. Sie macht sich auch Sorgen, dass der Geruch gesundheitsschädlich für ihre Familie sein könnte. Ursache des umstrittenen Geruchs sei mit ziemlicher Sicherheit der Stoff Phenol, berichtete Referent Reiner Er- ben nun im Umweltausschuss des Stadtrates. In der Von-Roll-Fabrik, dem ehemaligen Ferrozell-Werk, werden Materialien zur Isolierung hergestellt. Im Produktionsprozess entstehen Lösemittel und andere Stoffe. Erben zufolge werden sie aber weitestgehend in der thermischen Nachverbrennungsanlage der Fabrik zerstört.
Er beruft sich auf einen Messbericht der Anlage vom September 2017. Danach wurden 0,4 Milligramm Phenol pro Kubikmeter Luft gemessen. Dieser Wert liege an der Nachweisgrenze, so Erben. Normalerweise werde Phenol von Menschen ab einer Konzentration von 0,25 Milligramm wahrgenommen. Der zugelassene Grenzwert liege bei 20 Milligramm pro Kubikmeter Luft, ab 24 Milligramm rufe Phenolgeruch Unwohlsein hervor. Der Umweltreferent sagte weiter, Phenol könne ab bestimmten Konzentrationen zwar gesundheitsschädlich sein, krebserregend sei der Stoff jedoch nicht.
Eine weitere Quelle für diffuse Gerüche könnte nach Angaben des Referenten aber auch das offene Zwischenlager für Abfälle auf dem Firmengelände sein. Beim Ortstermin sei vereinbart worden, dass sich die Firma gerade die diffusen Geruchsquellen noch einmal genauer anschaut. Das Abfalllager soll noch in diesem Jahr neue geschlossene Container bekommen, in denen die Luft über Filteranlagen abgesaugt werden kann. Darüber hinaus sollen Mitarbeiter sensibilisiert werden, Container, Luken und Tore möglichst geschlossen zu halten, um Geruchsbelästigungen für Anwohner zu vermeiden. Der Referent will nun abwarten, ob diese Maßnahmen greifen. Über neue Messungen soll danach gesprochen werden.
Erben betonte im Umweltausschuss aber auch: „Was riecht, muss nicht gesundheitsschädigend sein, auch wenn es eine Belästigung ist.“Nach den Bestimmungen für Geruchsemissionen dürfe es in Wohngebieten 876 Stunden pro Jahr „riechen“. Derzeit geht das städtische Umweltamt davon aus, dass dieser Wert in Inningen nicht erreicht wird – auch wegen der vorherrschenden Wetterlage mit Südwestwinden. Für diese These des Umweltamtes spreche darüber hinaus, dass es in den vergangenen Jahren lediglich sieben Beschwerden gegeben habe.
Das war allerdings nicht immer so. In den 1980er und 90er Jahren litten Bürger offenbar erheblich unter Gestank, der damals aus dem Fabrikgelände drang. Erben zufolge breiteten sich „massive Gerüche“bis in die Stadtteile Haunstetten und Göggingen aus. Heute sei in Inningen nur noch eine Umgebung von rund 600 Metern von dem umstrittenen Geruch betroffen. Nach Einschätzung des Referenten ist es unwahrscheinlich, dass man diesen Chemie-Geruch ganz vermeiden kann. Die Inningerin Silke Komet ist mit ihrer Kritik aber nicht alleine. Vor allem aus der Nachbarschaft des Von-Roll-Werks unterschreiben viele Menschen für saubere Luft. Eine Sprecherin des Unternehmens sagte, das Augsburger Werk sei auf dem neuesten Stand der Technik und entspreche allen gesetzlichen Anforderungen.
OAm Mittwoch, 25. Juli, lädt Von Roll von 16 bis 19 Uhr zu einer Diskussion mit Werksbesichti gung in die Theodor Sachs Straße 1 in Inningen. Anmeldung unter: augsburg@vonroll.com.