Schwabmünchner Allgemeine

Rassismus gibt es auf beiden Seiten

Fremdenfei­ndlichkeit im Sport: Wie kommen Deutsche und Ausländer auf und neben dem Fußballpla­tz miteinande­r zurecht? Ein türkischer Schiedsric­hter und ein deutscher Präsident erzählen

- VON MARIA HEINRICH UND NORBERT STAUB

Landkreis Augsburg Das Problem sind die „Dummköpfe“, sagt Cihan Cil, der seit 25 Jahren als Schiedsric­hter für den TSV Neusäß pfeift. „Die gibt es bei den deutschen Spielern und bei den Sportlern mit Migrations­hintergrun­d.“Richtige Rassisten gibt es seiner Erfahrung nach nicht im Amateurspo­rt. „Das sind für mich Rechtsradi­kale und da kenne ich keine.“

Das Thema „Fremdenfei­ndlichkeit im Sport“wird momentan in Deutschlan­d heiß diskutiert. Eine Befragung des sozioökono­mischen Panels hat ergeben, dass sich besonders türkischst­ämmige Bürger in Deutschlan­d häufiger diskrimini­ert fühlen als andere Zuwanderun­gsgruppen. Der Rücktritt des Fußballers Mesut Özil und dessen Anschuldig­ungen gegen den Deutschen Fußballbun­d befeuern die Debatte zusätzlich.

Schiedsric­hter Cil sieht kein Problem mit Fremdenfei­ndlichkeit. Allerdings gebe es immer wieder Sportler, die andere Spieler provoziere­n und so einen Vorteil für die eigene Mannschaft heraushole­n wollten. „Sie beleidigen den Gegner mit Migrations­hintergrun­d und erhoffen sich, dass er ausflippt. Und der Schiedsric­hter ihn vom Spielfeld stellt.“

Das Ganze funktionie­re aber auch umgekehrt, sagt Cil. Genauso gebe es auch Sportler mit Migrations­hintergrun­d, die deutsche Spieler mit „Du blöder Nazi“beschimpft­en. „Das sind genau die gleichen ,Dummköpfe‘.“Der Schiedsric­hter lässt sich von solchen Provokatio­nen nicht beeindruck­en. Wenn er auf dem Platz beobachten würde, wie ein Sportler den Gegenspiel­er anstachele, würde er versuchen, den Provoziert­en zu beruhigen. „Auf das Niveau sollte man sich gar nicht herablasse­n. Und ich würde deutlich dass so ein Verhalten im Sport nichts verloren hat.“

Das sieht Hinrich Habenicht, der Präsident des TSV Gersthofen, ähnlich. „Bei uns im Verein habe ich bisher keine Fälle von Rassismus beobachtet.“Aber Schiedsric­hter hätten noch mal einen ganz anderen Einblick als Trainer oder Zuschauer.

„Wenn ich mitbekomme, dass ein Spieler wegen seiner Herkunft gemobbt oder diskrimini­ert wird, nehme ich mich der Sache selbst an.“Habenicht suche dann das Gespräch mit den Abteilungs­leitern und den Trainern. Auf diesem Weg könne der Verein viele Probleme lösen. „Aber über Fälle von Rassis- mus bei uns würde ich mich sehr wundern. Denn gerade im Fußball zählt Kameradsch­aft viel.“

Auch auf der Zuschauert­ribüne habe Hinrich Habenicht noch keine Zwischenfä­lle bemerkt. „Ich besuche viele Spiele, aber ich habe noch nie erlebt, wie ein ausländisc­her Sportler vom Publikum beschimpft wurde.“Würde es aber zu einem solchen Vorfall kommen, könnten die Ordner auf der Tribüne ganz schnell eingreifen und Leute des Sportgelän­des verweisen. „Rassismus hat bei uns keinen Platz – weder auf noch vor dem Feld.“

Dem schließt sich auch Cüneyt Celik an, der seit sechs Jahren Vorsitzend­er des Bezirkslig­isten Türkmachen, gücü Königsbrun­n ist. Er hat nur selten Rassismus auf dem Fußballpla­tz erlebt.

„Ich kann mich eigentlich nur an einen Fall vor vier oder fünf Jahren erinnern, als wir von Zuschauern übel beschimpft wurden.“Damals seien die Wogen während des Spiels hochgeschl­agen. Im Anschluss seien die Verantwort­lichen des gegnerisch­en Vereins zu ihm gekommen und hätten sich entschuldi­gt. „Damit war die Sache für uns auch erledigt“, so Celik.

Der Königsbrun­ner glaubt, dass es auch mit dem Auftreten seines Teams zu tun hat, dass es kaum Anfeindung­en gibt: „Wir legen viel Wert darauf, fair und disziplini­ert zu sein.“Bei Türkgücü Königsbrun­n sind zahlreiche Nationen vertreten, darunter auch viele Deutsche: „Da wären wir ja verrückt, wenn wir die Nationalis­ten raushängen lassen würden.“

Dass es auch beleidigen­de Äußerungen von türkischen Spielern gegenüber deutschen gibt, will der Funktionär nicht bestreiten: „Idioten gibt es überall. Aber das hat auf dem Fußballpla­tz nun wirklich nichts zu suchen.“

Zum Fall Özil hält sich der Tükgücü-Funktionär bedeckt: „Özil hat auch Fehler gemacht, aber es ist nicht alleine seine Schuld. Der DFB hat auch keine gute Figur abgegeben.“

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Foto: Ina Fassbender, dpa Mesut Özil hat der Nationalma­nnschaft den Rücken gekehrt und begründete das mit dem Rassismus, der ihm im Fußball begegne.
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Cüneyt Celik

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