Rassismus gibt es auf beiden Seiten
Fremdenfeindlichkeit im Sport: Wie kommen Deutsche und Ausländer auf und neben dem Fußballplatz miteinander zurecht? Ein türkischer Schiedsrichter und ein deutscher Präsident erzählen
Landkreis Augsburg Das Problem sind die „Dummköpfe“, sagt Cihan Cil, der seit 25 Jahren als Schiedsrichter für den TSV Neusäß pfeift. „Die gibt es bei den deutschen Spielern und bei den Sportlern mit Migrationshintergrund.“Richtige Rassisten gibt es seiner Erfahrung nach nicht im Amateursport. „Das sind für mich Rechtsradikale und da kenne ich keine.“
Das Thema „Fremdenfeindlichkeit im Sport“wird momentan in Deutschland heiß diskutiert. Eine Befragung des sozioökonomischen Panels hat ergeben, dass sich besonders türkischstämmige Bürger in Deutschland häufiger diskriminiert fühlen als andere Zuwanderungsgruppen. Der Rücktritt des Fußballers Mesut Özil und dessen Anschuldigungen gegen den Deutschen Fußballbund befeuern die Debatte zusätzlich.
Schiedsrichter Cil sieht kein Problem mit Fremdenfeindlichkeit. Allerdings gebe es immer wieder Sportler, die andere Spieler provozieren und so einen Vorteil für die eigene Mannschaft herausholen wollten. „Sie beleidigen den Gegner mit Migrationshintergrund und erhoffen sich, dass er ausflippt. Und der Schiedsrichter ihn vom Spielfeld stellt.“
Das Ganze funktioniere aber auch umgekehrt, sagt Cil. Genauso gebe es auch Sportler mit Migrationshintergrund, die deutsche Spieler mit „Du blöder Nazi“beschimpften. „Das sind genau die gleichen ,Dummköpfe‘.“Der Schiedsrichter lässt sich von solchen Provokationen nicht beeindrucken. Wenn er auf dem Platz beobachten würde, wie ein Sportler den Gegenspieler anstachele, würde er versuchen, den Provozierten zu beruhigen. „Auf das Niveau sollte man sich gar nicht herablassen. Und ich würde deutlich dass so ein Verhalten im Sport nichts verloren hat.“
Das sieht Hinrich Habenicht, der Präsident des TSV Gersthofen, ähnlich. „Bei uns im Verein habe ich bisher keine Fälle von Rassismus beobachtet.“Aber Schiedsrichter hätten noch mal einen ganz anderen Einblick als Trainer oder Zuschauer.
„Wenn ich mitbekomme, dass ein Spieler wegen seiner Herkunft gemobbt oder diskriminiert wird, nehme ich mich der Sache selbst an.“Habenicht suche dann das Gespräch mit den Abteilungsleitern und den Trainern. Auf diesem Weg könne der Verein viele Probleme lösen. „Aber über Fälle von Rassis- mus bei uns würde ich mich sehr wundern. Denn gerade im Fußball zählt Kameradschaft viel.“
Auch auf der Zuschauertribüne habe Hinrich Habenicht noch keine Zwischenfälle bemerkt. „Ich besuche viele Spiele, aber ich habe noch nie erlebt, wie ein ausländischer Sportler vom Publikum beschimpft wurde.“Würde es aber zu einem solchen Vorfall kommen, könnten die Ordner auf der Tribüne ganz schnell eingreifen und Leute des Sportgeländes verweisen. „Rassismus hat bei uns keinen Platz – weder auf noch vor dem Feld.“
Dem schließt sich auch Cüneyt Celik an, der seit sechs Jahren Vorsitzender des Bezirksligisten Türkmachen, gücü Königsbrunn ist. Er hat nur selten Rassismus auf dem Fußballplatz erlebt.
„Ich kann mich eigentlich nur an einen Fall vor vier oder fünf Jahren erinnern, als wir von Zuschauern übel beschimpft wurden.“Damals seien die Wogen während des Spiels hochgeschlagen. Im Anschluss seien die Verantwortlichen des gegnerischen Vereins zu ihm gekommen und hätten sich entschuldigt. „Damit war die Sache für uns auch erledigt“, so Celik.
Der Königsbrunner glaubt, dass es auch mit dem Auftreten seines Teams zu tun hat, dass es kaum Anfeindungen gibt: „Wir legen viel Wert darauf, fair und diszipliniert zu sein.“Bei Türkgücü Königsbrunn sind zahlreiche Nationen vertreten, darunter auch viele Deutsche: „Da wären wir ja verrückt, wenn wir die Nationalisten raushängen lassen würden.“
Dass es auch beleidigende Äußerungen von türkischen Spielern gegenüber deutschen gibt, will der Funktionär nicht bestreiten: „Idioten gibt es überall. Aber das hat auf dem Fußballplatz nun wirklich nichts zu suchen.“
Zum Fall Özil hält sich der Tükgücü-Funktionär bedeckt: „Özil hat auch Fehler gemacht, aber es ist nicht alleine seine Schuld. Der DFB hat auch keine gute Figur abgegeben.“