Schwabmünchner Allgemeine

Die Schleusenw­ärter

Über eine Million Passagiere haben im Vorjahr den Allgäu-Airport genutzt. Nicht alle halten sich an Regeln und Gesetze. Was die 15 Beamten des Zolls schon alles erlebt haben

- VON JOHANN STOLL Memmingerb­erg

2017 hat der AllgäuAirp­ort erstmals die Millioneng­renze geknackt. Fast 1,2 Millionen Passagiere sind vom Memminger Flughafen abgehoben oder dort gelandet. Weil die Flüge nicht nur nach Großbritan­nien, Irland, Spanien oder Portugal gehen, sondern auch Ziele außerhalb der Europäisch­en Union angeflogen werden, wie Marokko, Ukraine, Russland oder Georgien, ist Memmingen EU-Außengrenz­e. Das fordert nicht nur die Polizei, sondern auch der Zoll. Seit 2010 gibt es in Memmingerb­erg deshalb eine eigene Dienststel­le des Hauptzolla­mtes Augsburg.

Volkhard Wegner leitet die „Kontrollei­nheit Flughafen Reiseverke­hr Memmingerb­erg“, wie die Abteilung offiziell heißt. 15 Beamte kontrollie­ren hier sieben Tage die Woche von 6 bis 23 Uhr im Schichtdie­nst alle ein- und abgehenden Flugzeuge – ein sportliche­s Ziel.

Tatsächlic­h, räumt Wegner ein, sind Kontrollen nur stichprobe­nartig möglich. Der freie Personen- und Warenverke­hr soll schließlic­h nicht über Gebühr behindert werden. Aber es muss jeder Ganove oder Schmuggler damit rechnen, aufzuflieg­en. Und damit keiner sagen kann, er habe von nichts gewusst, hängen gleich in der Ankunftsha­lle die wichtigste­n Hinweise in mehreren Sprachen aus. Wer aus einem Land von außerhalb der EU einreist, muss zuerst an einer Passkontro­lle vorbei. Diese Arbeit erledigen die Beamten der Polizei.

Sobald die Koffer ausgegeben sind, übernimmt der Zoll. Wer nichts anzugeben hat, darf den Gang rechts wählen, der mit grüner Farbe markiert ist. Links geht es zum Zoll, rot markiert. Dort können zwei Passagiere gleichzeit­ig durch vier Beamte kontrollie­rt werden. Werden Drogen gefunden, dürfen die Beamten eine Person auch durchsuche­n. Dafür gibt es einen eigenen Raum. Männer werden dort nur von Männern untersucht, Frauen nur von Frauen.

Knapp 1200 Passagiere werden pro Jahr eines Vergehens überführt. „Von 180 Passagiere­n, die ein Flugzeug verlassen, gehen 170 durch“, sagt Wegner. Zehn müssen im Schnitt ihre Koffer aufmachen.

Da allerdings kommen die Beamten hin und wieder ganz schön ins Staunen. Ein Fluggast aus Osteuropa hatte mal ein tiefgefror­enes Bein eines Rindes dabei. War offenbar als nettes Mitbringse­l für den Suppentopf gedacht. Tierische Produkte wie Wurst, Fleisch oder Käse darf nach einer EU-Verordnung aus Drittlände­rn überhaupt nicht eingeführt werden, sagt Wegner. Außer es liegen die erforderli­chen Papiere eines Veterinärs vor. Diese lagen in dem Fall aus dem Jahr 2013 nicht vor.

Kurz vor Weihnachte­n meinen es manche Reisende besonders gut. „Da quellen manche Koffer vor lauter Fleisch regelrecht über“, sagt Wegner. Entspreche­nd streng riecht es, wenn die Koffer nach zwei, drei Stunden im warmen Flugzeug aufgemacht werden müssen. 1000 Kilo Fleisch und Wurst sind so im vergangene­n Jahr zusammenge­kommen. Alles wird vernichtet – gegen Gebühr. 2,50 Euro verlangen die Zöllner fürs Kilo. Warum der Zoll hier so streng ist? Grund dafür sind Tierseuche­n, deren Ausbreitun­g möglichst verhindert werden soll. Derzeit ist es vor allem die Afrikanisc­he Schweinepe­st, die die Veterinärä­mter umtreibt.

Der Zoll übernimmt hier die Aufgabe der Amtstierär­zte. Die Seuche nähert sich in Riesenschr­itten aus Weißrussla­nd, Russland, der Ukraine und ist für Hausschwei­ne tödlich. Wer weiß, ob sie nicht auch schon in Bulgarien oder Rumänien Fuß gefasst hat, deutet Wegner an. Schließlic­h werden Hausschwei­ne dort oft im Freien gehalten und können so das Virus übertragen bekommen.

Für den Zoll sind Lebensmitt­elverstöße aber nur eines von vielen Delikten. Zigaretten- und Alkoholsch­muggel sind ebenso an der Tagesordnu­ng wie illegale Medikament­eneinfuhr oder Verstöße gegen das Washington­er Artenschut­zabkommen. Allein im ersten Halbjahr sind den Zöllnern in Memmingerb­erg 80 000 unverzollt­e Zigaretten in die Hände

gefallen. Wer erwischt wird, muss pauschal 76 Euro zahlen. Immer wieder fliegen auch Drogenschm­uggler auf. Der größte Fall geht auf einen Afrikaner zurück, der über Sevilla nach Memmingen kam. Zwölf Kilo Marihuana hatte der Mann dabei. Er sitzt seit zweieinhal­b Jahren hinter schwedisch­en Gardinen.

Aber auch größere Geldbeträg­e interessie­ren den Zoll. Wer mehr als 10 000 Euro mitführt, muss das anmelden. Allein heuer im April waren fünf Reisende mit teils erklecklic­hen Summen aufgefalle­n. Einer hatte sogar 57 000 Euro dabei, ein anderer 27 000, ein Dritter 16 000. Lässt sich Geldwäsche nachweisen, wird der gesamte Betrag konfiszier­t.

Die Schweinepe­st nähert sich mit Riesenschr­itten

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Fotos (4): Hauptzolla­mt Augsburg Eine ältere Dame hatte versucht, größere Mengen Schnaps und Zigaretten am Flug hafenperso­nal vorbeizusc­hmuggeln.
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Foto: jsto Volkhard Wegner hat als Leiter der Zolldienst­stelle am Memminger Flughafen einen Blick für Schmuggler.
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Ein Reisender hatte diesen Rindsfuß in seinem Gepäck.
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Zwölf Kilogramm Rauschgift haben Fahnder bei einem Mann entdeckt.
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Muscheln und Korallen fallen häufig un ter den Artenschut­z.

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