Als Onkel Rudi zum Diaabend kam und Bilder von Wurstplatten dabei hatte
Täglich werden Milliarden und noch mehr von Daten produziert – und fast ebenso viele neue Bilder. Die meisten davon mittlerweile mit Smartphones. Neulich war von einem Fall die Rede, dass eine Frau ihr Smartphone zu einem sogenannten Datenretter gebracht hat. Der dann herausfand, dass die Speicherkarte einen Haarriss erlitten hatte und dadurch die gespeicherten Fotos verloren waren. Fotos ihrer beiden Töchter vom Kindergarten, Fotos vom Urlaub mit den Sprösslingen. Die Dame war natürlich unglücklich ob dieses Verlusts.
Da wäre ein klassisches Fotoalbum sicherer gewesen – oder auf Dia-Film festgehaltene Erinnerungen. Dias und die dazugehörigen Projektoren prägten die Hobbyfotografie der 1960er und 1970er Jahre. Der Diaabend war eine gepflegte, kleinbürgerliche Institution, so aufwendig inszeniert wie eine Geburtstagsfeier.
Wenn Onkel Rudi mit seinen Diakästen kam, wurde im Wohnzimmer die Couch an die Wand gerückt und alle Stühle, die im Haus zu finden waren, aufgestellt. Auf der einen Seite des Wohnzimmers stand Showmaster Onkel Rudi, neben sich circa 80 Kästen mit je 50 Dias, die er vorzuführen gedachte. Ganz vorn saßen die Kinder, weiter hinten die Älteren aus der Bekanntschaft und Verwandtschaft. Das Geräusch, das das Schieben der Kästen verursachte, habe ich noch in den Ohren. Auch die sogenannten „Newtonschen Ringe“sehe ich noch, die ich bei längerem Stillstand eines Dias auf demselben ausbreiteten.
Am beliebtesten waren die Urlaubsdias und die Dias diverser Feiern – Hochzeit, Geburtstag, Weihnachten. Nach etwa zwei Stunden wurden die Alten in der Loge etwas unruhig, weil sie auf Toilette mussten. Oder aber man hörte sie gar nicht mehr, weil sie im Begriff waren, einzuschlafen.
Onkel Rudi berührte das kaum, er kannte keine Gnade. Er zeigte jetzt noch die Wurstplatten (ein beliebtes Motiv) von der Silberhochzeit in der „Krone“.
Ich habe im Übrigen noch drei Fotoalben aus meiner Kindheit und Jugendzeit, deren Besitz mich jedoch beunruhigt. Wem soll ich – kinderlos – die Alben mal vererben? Aber sie einfach im Wertstoffhof zu entsorgen, das wäre pietätlos – als ob eine Frau ihr Hochzeitskleid in einem Altkleidercontainer entsorgen würde. An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.