Literaturreise rund um den Globus
Der Königsbrunner Kulturpreisträger Armin Strohmeyr widmet sich in seinem neuen Werk Frauen, die große Abenteuer bestanden haben. Einige der historischen Figuren hätte er gerne auch selbst einmal getroffen
Annie Taylor war eine füllige ältere Matrone, als sie die ungläubigen Böttcher beauftragte, ein Fass zu bauen, mit dem sie sich die Niagarafälle herunterstürzen wollte. Lynne Cox hingegen brauchte erst die Genehmigung vom sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, bevor sie die fünf Grad kalte Beringstraße zwischen Alaska und Sibirien durchschwimmen konnte – und das Warten war nervenaufreibend, denn es herrschte der Kalte Krieg zwischen Ost und West. Der Königsbrunner Autor Armin Strohmeyr hat die beiden Abenteuerinnen zusammen mit sieben weiteren Frauen in seinem neuen Buch „Weltensammlerinnen“porträtiert.
Wie bereits in seinem 2017 erschienen Buch „Die leuchtenden Länder“erzählt Strohmeyr locker und unterhaltsam die Abenteuer der Protagonisten, skizziert die politischen Verhältnisse und die gesellschaftlichen Normen. So erklärt er manche Herausforderung, den Erfolg oder auch Misserfolg. Annie Taylor überlebte zwar den Sturz über die Niagarafälle, blieb aber bettelarm, und ihr Kalkül, dieses Abenteuer zu vermarkten, schlug fehl. Cox erreichte das sibirische Ufer mit letzter Kraft, denn wegen des Nebels hat sie genauso wie ihr Beiboot die Orientierung verloren und zwischenzeitlich riss sogar der Kontakt zwischen Schwimmerin und Beiboot ab. Letztendlich wurde sie aber von begeisternden Russen völlig erschöpft und unterkühlt an Land gezogen, und Gorbatschow spricht im Beisein von US-Präsidenten Ronald Reagan vor versammelter Weltpresse einen Toast auf die Extremschwimmerin aus. Er bezeichnete sie als Botschafterin des Friedens.
Die von Strohmeyr geschriebenen Porträts berufen sich auf historisch verbriefte Ereignisse – die Nachweise befinden sich im Anhang – und lesen sich teilweise wie spannende Abenteuerromane. Dabei lässt der Autor die Abenteuerinnen immer wieder selber zu Wort kommen. So sagt Taylor nach ihrem Niagarafälle-Sturz einem Journalisten: „Bei meinem letzten Atemzug würde ich jedermann davon abraten, dieses Kunststück zu versuchen.“
Bei den porträtierten Frauen stand die Abenteuerlust im Vordergrund, der bedingungslose Wunsch nach Selbstbehauptung und Emanzipation von gesellschaftlichen Fesseln, bisweilen auch die Absicht eines politischen Statements, erklärt Strohmeyr. Alle waren aber auch Menschen ihrer Zeit, gefangen in hergebrachten Vorstellungen ihrer europäischen Welt. Sie stießen oft an Grenzen des Verständnisses für fremde Kulturen. Odette du Puigaudeau bereiste das weitgehend unerforschte Mauretanien, war zur gleichen Zeit vom Zauber der Sahara angezogen und abgestoßen von der zivilisatorischen Rückständigkeit und Härte der Berberstämme. „Ein Konflikt, der nicht untypisch ist, der aber gerade die Darstellungen der von mir porträtierten Frauen so authentisch, nachvollziehbar und interessant macht“, so Strohmeyr. „Diese Frauen waren Heldinnen, weil sie sich selbst das Äußerste abverlangten und das Unvorstellbare wagten. Aber sie waren nicht ohne Makel und nicht durchweg sympathisch.“
Trotzdem würde Strohmeyr seinen Weltensammlerinnen gerne einmal begegnen: „Vor allem die unerschrockene Martha Gellhorn, die ein paar Jahre lang auch Ehefrau von Ernest Hemingway war, hätte ich gerne persönlich getroffen“, sagt der Autor. Sie war in seinen Augen eine unglaublich toughe Globetrotterin und hochtalentierte Erzählerin. Und Lina Bögli faszinierte Strohmeyr, da sie sich als Schweizer Gouvernante aus einfachsten Verhältnissen mutig ein Ziel steckte und ihren Plan durchzog.
Nach all der Recherche über spektakuläre Reisen mutiger Frauen bekennt Strohmeyr aber auch, dass er persönlich weniger strapaziöse Reiseziele bevorzuge: Italien, Deutschland, Frankreich, gerne in
Als nächstes folgt ein Roman mit zwei Handlungssträngen
den Bergen. „Aber beim Bergwandern erklimme ich nicht die schroffsten Gipfel – ich will ja noch das eine oder andere Buch schreiben und meiner Leserschaft erhalten bleiben.“Derzeit arbeitet Strohmeyr an einem Roman mit zwei Handlungssträngen, die in der Gegenwart und in der Nachkriegszeit spielen. Für das Projekt erhielt er zwei Arbeitsstipendien. Das Skript soll noch dieses Jahr fertig werden.
Im Dezember dieses Jahres erscheint zudem sein Buch „Uns gehört die Welt“als National-Geographic-Ausgabe. Auch hier stehen reisende Frauen im Vordergrund.
Armin Strohmeyr lebt in Berlin. Er ist in Königsbrunn aufgewachsen, studierte an der Universität Augsburg und promovierte bei Helmut Koopmann, den viele Königsbrunner von seinen Vorträgen zu Bert Brecht kennen. 2005 erhielt Strohmeyr den Kulturpreis der Stadt Königsbrunn.