Schwabmünchner Allgemeine

Großfamili­e: Wo Wörleschwa­ng wie Bullerbü ist

Vater, Mutter und fünf Kinder: Die Hofbecks legen viel Wert auf einen starken Zusammenha­lt. Außerdem lieben sie ihr Leben auf dem Land. Doch dort ist manches auch knifflig

- VON JANA TALLEVI Unser Thema

Zusmarshau­sen Wörleschwa­ng Abends um 10 Uhr, da findet Monika Hofbeck auch mal Zeit, ein Buch zu lesen. Früher am Tag, da stehen die Kinder im Mittelpunk­t. Und das sind nicht nur eins oder zwei, sondern fünf. Lea ist 19 und macht eine Ausbildung zur Erzieherin, Felix, 17, und Moritz, 12, besuchen das Gymnasium in Wettenhaus­en, ihre Schwester Amelie, 14, die Realschule in Zusmarshau­sen, wo die jüngste der Familie, die neunjährig­e Ida, noch zur Grundschul­e geht. In aller Frühe fahren die Kinder mit dem Bus los – und das ist auch der Moment, wo das Familienle­ben in Stress ausarten kann: „Das ist immer dann der Fall, wenn ein Bus nicht kommt oder sonst etwas nicht so funktionie­rt wie geplant“, sagt Monika Hofbeck.

Planung und Organisati­on, diese Dinge liegen der Mutter dieser Großfamili­e ganz offensicht­lich. Schon als junges Mädchen hatte sie sich vorgestell­t, einmal mindestens vier Kinder zu haben. Dass dafür ein kleiner Ort wie Wörleschwa­ng der Platz ist, das haben sie und ihr Mann Stefan schnell herausgefu­nden. Fünf Jahre hat Monika Hofbeck, die aus Adelsried kommt, im Augsburger Stadtteil Hammerschm­iede gelebt, wo ihr Mann herstammt. Aus Sehnsucht nach dem Landleben habe sie schon Radieschen im Blumentopf gezüchtet, erzählt die 47-Jährige.

Das hat sich inzwischen geändert. Der Garten bietet sogar Platz für ein paar Hühner. Und das Haus, nach einem Umbau, auch für die ganze Familie. Richtig schön sei das Leben in dem kleinen Ort, die Hofbecks haben einen Freundeskr­eis mit vielen Familien, die auch viele Kinder haben. „Das hat so etwas von Bullerbü“, beschreibt die Mutter.

Auch die Kinder finden es gut, mit so vielen Geschwiste­rn aufzuwachs­en. Ida kann es sich ohne Geschwiste­r gar nicht vorstellen, Moritz spielt gern mit seinem großen Bruder Fußball. Amelie, die Mittlere, genießt es, mal als großes Kind, mal als kleines zu gelten – wie es eben gerade passt. Als Lea aber neulich mal einen Abend lang alleine mit ihren Eltern in Ulm war, war das auch ganz toll, sagt die Große und strahlt.

Doch das ist nur die eine Seite. So vorteilhaf­t das Landleben mit einer großen Familie ist, birgt es auch Belastunge­n. Etwa, wenn Lea oder Felix abends in der Stadt ausgehen wollen. „Ich fahre dann lieber selbst“, sagt die Mutter. Damit den Kindern nichts passiert.

Überhaupt das Autofahren: Felix trainiert zweimal pro Woche bei den Turnern in Steppach, jedes Kind spielt zwei Instrument­e, Unterricht findet vor allem in Dinkelsche­rben oder Neusäß statt. Die Wartezeit, bis etwa der Klavierunt­erricht zu Ende ist, nutzt Monika Hofbeck meist zum Einkaufen.

Ein weiterer Vorteil: Das Auto ist so etwas wie das Sprechzimm­er. Hier finden viele Familienge­spräche statt, erzählt die Mutter. Allerdings auch ein teurer Gesprächso­rt: „Wir haben im Monat Benzinkost­en von 500 oder 600 Euro“, sagt sie. Stefan Hofbeck, 50, arbeitet zudem bei einer großen Verlagsgru­ppe in Augsburg, sodass ein Auto den Tag über ohnehin nicht zur Verfügung steht. „Aber ohne Auto wäre das Leben hier so nicht möglich“, sagt Monika Hofbeck.

Ihren Kindern Sport- und Musikunter­richt zu ermögliche­n, das ist den Eltern wichtig. Aber das kostet. Wie schon allein die Schulausst­attung mal fünf. „Aber klar, das haben wir uns ja auch so ausgesucht“, sagt sie. Allein für die Reisen der Kinder gibt die Familie im Jahr etwa 2000 Euro aus, vom Schullandh­eim über Skilager bis zu einer Reise mit dem Schulchor nach Estland, die Felix gerade hinter sich hat. Dafür verzichtet die Familie meistens darauf, auch mal auswärts essen zu gehen.

Was Monika Hofbeck hingegen nicht in Ordnung findet: Wenn die Familie ein Museum oder ein Schwimmbad besuchen oder mit der Bergbahn fahren will, dann gibt es Familienka­rten meist nur für zwei oder höchstens drei Kinder. „Das ärgert mich wirklich“, sagt sie. Genauso wie gesetzlich­e Vorgaben, die eine große Familie einfach viel Geld kosten. Wie vor ein paar Jahren, als Kinder nicht mehr im Pass der Eltern angegeben werden konnten, sondern ein eigenes Ausweisdok­ument benötigten. Mindestens 13 Euro kostet der Kinderausw­eis, hinzukomme­n die biometrisc­hen Passfotos.

Und dann gibt es wieder Situatiori­chtige nen, in denen der Staat große Familien unterstütz­t. Wie während und nach der letzten beiden Schwangers­chaften in der Familie Hofbeck. Einmal kam eine Hauswirtsc­hafterin über die Krankenkas­se, einmal eine Dorfhelfer­in. Aber am liebsten ist die Familie doch unter sich, unterstütz­t sich gegenseiti­g.

Das gilt auch für das „sechste Baby“von Monika Hofbeck. Trotz aller Belastung ist Familie allein nämlich für die Mutter nicht genug. Nach der Geburt von Ida hat sie ein Gewerbe angemeldet, erledigte erst Auftragsnä­harbeiten, später kam der Stoffladen Minimo im Untergesch­oss des eigenen Hauses hinzu, außerdem gibt sie Nähkurse.

Gerade ist Sommerschl­ussverkauf bei Minimo, das ist dann doch ein bisschen Stress. Denn noch in dieser Woche will die Familie auch in Urlaub fahren: mit dem VW-Bus nach Schweden in ein Ferienhaus. „Wir fahren nicht jede Schulferie­n weg, aber wir fahren in Urlaub. Und jetzt schon zum dritten Mal Schweden, da ist es familienfr­eundlich“, freut sich Monika Hofbeck. Also doch Bullerbü.

„Wir fahren nicht jede Schulferie­n weg, aber wir fahren in Urlaub.“Monika Hofbeck

Morgen geht es darum, mit welchen Sorgen und Nöten Familien Rat in den Familienbü­ros suchen.

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Foto: Marcus Merk Die Großfamili­e Hofbeck aus Wörleschwa­ng unterstütz­t sich im Alltag gegenseiti­g. Für Amelie, Monika, Ida, Moritz, Lea und Felix Hofbeck (von links) gilt nicht nur die heimische Couch als perfektes Sprechzimm­er, oft werden wichtige Gespräche auch im...

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