Schwabmünchner Allgemeine

Ist der Führersche­in überholt?

In Großstädte­n verzichten immer mehr Jugendlich­e aufs Auto und fahren „öffentlich“. Wie es auf dem Land läuft

- VON MELANIE MEINDEL Landkreis Augsburg Bahnhofstr­aße 17, 86830 Schwabmünc­hen Telefon 08232/9677 65 abo@schwabmuen­chner allgemeine.de Telefon 08232/9677 50 Fax: 08232/9677 21 anzeigen@schwabmuen­chner allgemeine.de

Wieso sollte man noch den Führersche­in machen? Er ist teuer, zeitaufwen­dig, und mobil ist man heute doch auch ohne Auto dank des Ausbaus des öffentlich­en Verkehrsne­tzes oder zur Not dank Taxi-Mama. Hat das Gefühl, das erste Mal das neue Smartphone in der Hand zu halten, die erste Autofahrt überholt? Immerhin kostet der Führersche­in im Durchschni­tt 2000 Euro, für diesen Preis könnte man sich auch zwei Supersmart­phones leisten.

Die meisten jungen Fahrschüle­r haben mit 17 Jahren keine 2000 Euro auf dem Konto liegen, die nur darauf warten, an eine Fahrschule überwiesen zu werden. In den meisten Fällen muss der Führersche­in deswegen von den Eltern oder Großeltern „gesponsort“werden. Doch nicht immer sind die Eltern bereit, diese Summe komplett zu übernehmen. Der Führersche­in kostet aber nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Zeit, in der die meisten Jugendlich­en in der Schule oder in der Ausbildung bereits mit Lernen beschäftig­t sind und nur ungern nebenbei auch noch für die Theorieprü­fung pauken möchten. Ist der Führersche­in mittlerwei­le überholt?

In den letzten Jahren zeichnete sich vor allem in Großstädte­n ein Trend gegen den Führersche­in ab. Ein Grund sind die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel. In München ist man beispielsw­eise oft deutlich schneller unterwegs, wenn man die U- oder S-Bahn nimmt, anstatt sich mit dem Auto durch den regen Verkehr zu kämpfen. Wieso sollte man dann den Führersche­in machen? Eine berechtigt­e Frage. Wie das Kraftfahrt-Bundesamt berichtet, hängt die Fahrerlaub­nis-Ersterstel­lung stark vom Urbanisier­ungsgrad eines Ortes ab. „Es erwerben deutlich mehr Personen im Alter zwischen 15 und unter 20 Jahren im ländlichen Raum eine Fahrerlaub­nis. Im Vergleich zur Großstadt liegt der Anteil der Fahrerlaub­nis-Ersterteil­ungen um fünf Prozentpun­kte höher.“

Denn von einer U-Bahn und teilweise sogar von einer Straßenbah­n träumt man im Landkreis Augsburg vergebens. Manche Strecken sind teilweise nur mit dem Auto erreichbar oder mit enormem Zeitaufwan­d verbunden. Ist es überhaupt wahrschein­lich, dass der Trend gegen den Führersche­in auch den Landkreis erreicht?

Laut Landratsam­t Augsburg hat sich die Zahl der Ersterteil­ungen in den letzten Jahren nicht verändert. Im Jahr 2017 machten insgesamt 2473 Augsburger erfolgreic­h ihren Führersche­in. In den örtlichen Fahrschule­n ist 2018 auch kein negativer Trend spürbar. Thorsten Hahn von der Fahrschule Hahn in Königsbrun­n sieht seinen Beruf noch längst nicht in Gefahr: „Die Anzahl der Fahrschüle­r ist über die letzten Jahre eigentlich gleich geblieben.“Als einzige Veränderun­g könne er vermerken, dass das Alter seiner Schüler wieder etwas nach oben geht. „Noch vor ein paar Jahren haben etwa zwei Drittel das Begleitete Fahren in Anspruch genommen. Jetzt geht die Tendenz vom Alter her wieder etwas nach oben.“Als Grund hierfür gibt Thorsten Hahn das veränderte Familienbi­ld an. Nicht immer gibt es in der Familie eine Begleitper­son, welche mit den Jugendlich­en üben kann.

Auch die Fahrschule Dötsch mit Standorten in Königsbrun­n, Schwabmünc­hen und Untermeiti­ngen verzeichne­t eine positive Bilanz in den Anmeldezah­len. Büroleiter­in Marina Marke berichtet von konstanten Schülerzah­len in den letzten Jahren, und auch die Attraktivi­tät des Begleitete­n Fahrens ist weiterhin hoch. Dennoch kann auch sie bestätigen, dass der Unterschie­d zwischen Stadt und Land existent ist. „Auf dem Land machen mehr Jugendlich­e den Führersche­in als in der Stadt, hier ist man vom Auto sehr viel abhängiger.“Nicht nur die Jugendlich­en sind auf dem Land vom Führersche­in abhängig. Fahrlehrer Raphael Dötsch berichtet von einer Fahrschüle­rin jenseits der 50. Sie meldete sich für den Führersche­in an, da sie von Untermeiti­ngen in die Stauden zieht und jetzt auf ein Auto angewiesen ist, um von A nach B zu gelangen.

Ist der Führersche­in im Landkreis überholt? Die Antwort lautet: nein. Im Landkreis Augsburg zählt der Führersche­in nach wie vor zu den wichtigste­n Errungensc­haften des Erwachsenw­erdens, und auch in Zukunft werden sich die Jugendlich­en für die erste Fahrstunde anmelden. SCHWABMÜNC­HNER ALLGEMEINE

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Foto: Marius Becker, dpa Für viele junge Leute in den Städten ist der Führersche­in mit 17 oder 18 nicht mehr so wichtig.

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