Schwabmünchner Allgemeine

Rückführun­g nach Spanien: Das Phantomabk­ommen

Die Verhandlun­gen zwischen Berlin und Madrid verliefen erfolgreic­h. Doch der Vertrag dürfte kaum Auswirkung­en haben

- VON RALPH SCHULZE redaktion@augsburger allgemeine.de

Es klingt nach einem großen Fortschrit­t, aber es ist mehr Schein als Sein: Heute tritt ein Rückführun­gsabkommen zwischen Deutschlan­d und Spanien in Kraft, das die Zurückweis­ung und schnelle Abschiebun­g von asylsuchen­den Flüchtling­en vorsieht, die bereits in Spanien einen Asylantrag gestellt haben. Große praktische Auswirkung­en wird diese Vereinbaru­ng wohl nicht haben. Denn sie betrifft, wie das deutsche Innenminis­terium konkretisi­erte, nur Mehrfach-Asylbewerb­er – die also schon in einem anderen EU-Land um Asyl ersuchten. Und auch nur solche, die über die deutsch-österreich­ische Grenze einreisen, wo die bayerische Grenzpoliz­ei punktuell an den Übergängen kontrollie­rt.

Die Wahrschein­lichkeit, dass über Spanien eingereist­e Flüchtling­e, die meist aus den französisc­hsprachige­n Ländern Afrikas stammen, sich über Österreich nach Deutschlan­d durchschla­gen, scheint bisher eher gering zu sein. Denn der Migrations­weg aus Spanien Richtung Norden führt vor allem über Frankreich.

Mehrfach-Asylbewerb­er aus Spanien dürfte es in Deutschlan­d ebenfalls ganz selten geben. Inzwischen weiß man, dass die meisten jener Flüchtling­e, die an Südspanien­s Küste in Booten ankommen, dort kein Asyl beantragen. Weil das spanische Aufnahmesy­stem in Sachen Hilfen und Unterbring­ung keinen guten Ruf hat. Und weil die Chancen auf Asylgewähr­ung in Spanien sehr gering sind. Die Zahlen scheinen dies zu bestätigen, wie aus der schriftlic­hen Antwort des deutschen Innenminis­teriums auf eine Anfrage unserer Zeitung hervorgeht. Danach wurde seit Mitte Juni 2018, als an spanischen Küsten die Zahl der Bootsmigra­nten stark zunahm, kein einziger Mehrfach-Asylbewerb­er aus Spanien an der deutsch-österreich­ischen Grenze aufgegriff­en. Die deutschspa­nische Vereinbaru­ng scheint also momentan eher symbolisch­en als realen Wert zu haben.

Aber das kann sich ja noch ändern: In Spanien kommen immer mehr Flüchtling­e an, das Land ist in 2018 zum wichtigste­n Ankunftszi­el in Südeuropa geworden. Und die Migranten wie auch die in Europa tätigen Schleppero­rganisatio­nen suchen sich immer neue Wege. Wohl aber wurden seit Mitte Juni an Deutschlan­ds Grenze zu Österreich etwa 150 Mehrfach-Asylbewerb­er aus anderen EU-Ländern registrier­t. „Davon entfallen etwa die Hälfte auf Italien und etwa ein Fünftel auf Österreich“, erklärte das Innenminis­terium. Mit Italien wird derzeit ebenfalls um ein Rückführun­gsabkommen gerungen. Mit Österreich besteht nach Angaben des Innenminis­teriums bereits eine Übereinkun­ft, wonach dort registrier­te Asylbewerb­er zurückgesc­hickt werden können.

Die Zahl der viel diskutiert­en Zurückweis­ungen an der deutsch-österreich­ischen Grenze ist also eher gering: Die Rückführun­gsabsprach­en sind jedoch durchaus ein Signal, dass nun auch die „Sekundärmi­gration“, also der unkontroll­ierte Weiterzug von Asylbewerb­ern innerhalb Europas, gebremst werden soll. Doch bis das funktionie­rt, ist in der Europäisch­en Union noch viel Überzeugun­gsarbeit zu leisten.

Dies spiegelt sich auch in der mageren Bilanz der „Dublin-Überstellu­ngen“wider. Die EU-DublinVere­inbarung sieht vor, dass Flüchtling­e in dem Mitgliedsl­and ihren Asylantrag stellen müssen, in dem sie europäisch­en Boden betreten – was aber oft nicht geschieht. Nach der Statistik der deutschen Behörden wurde auf Grundlage der Dublin-Regeln in 2017 in 64 267 Fällen die Rückführun­g von Deutschlan­d in einen anderen EUStaat beantragt. Aber nur in 7102 Fällen fand diese „Dublin-Überstellu­ng“dann auch statt, die meist an bürokratis­chen Hürden scheitert. Rund ein Drittel dieser DublinFäll­e betrafen übrigens Italien.

Aber auch mit Spanien läuft die Dublin-Zusammenar­beit nicht rund: Im Jahr 2017 wollte Deutschlan­d 2312 Dublin-Rückführun­gen nach Spanien durchführe­n. Doch die Spanier stimmten nur in 217 Fällen zu. Das ist nicht einmal eine Erfolgsquo­te von zehn Prozent. Woraus man schließen kann, dass Abschiebun­gen innerhalb Europas bisher ähnlich schwierig zu sein scheinen wie in viele afrikanisc­he Herkunftsl­änder.

Spanien ist seit 2018 wichtigste­s Ankunftszi­el

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Foto: Javier Fergo, dpa Halt, hier geht es nicht weiter! Heute tritt das deutsch spanische Rückführun­gsabkommen in Kraft. Doch nimmt man das erste Halbjahr 2018, dann wäre kein einziger Migrant unter die neue Regelung gefallen.

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