Schwabmünchner Allgemeine

Eklat um Landesfami­liengeld

Profitiere­n vom neuen bayerische­n Familienge­ld nur Gutverdien­er? Wie der CSU-Wahlkampfs­chlager trotz massiver Kritik gerettet werden soll

- München

Ein neuer Eklat um das bayerische Familienge­ld belastet das Verhältnis zwischen München und Berlin: Die CSU-Staatsregi­erung will die Rechtsauff­assung des Bundes ausdrückli­ch ignorieren und den als CSU-Wahlkampfs­chlager gedachten neuen Zuschuss nicht auf Hartz-IV-Zahlungen anrechnen lassen. „Wir zahlen aus (...) und wir werden uns daran auch nicht hindern lassen“, erklärte Bayerns Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer (CSU) am Freitag in München. Folge der Berliner Order wäre, dass ärmere Familien in Bayern nichts vom Familienge­ld hätten, weil ihnen dafür im Gegenzug die Sozialhilf­e gekürzt würde. „Und zur Not sehen wir uns in einem Rechtsstre­it wieder“, sagte Schreyer.

Schreyer deutete einen gravierend­en Vorwurf an – dass Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) das Recht aus Wahlkampfg­ründen zulasten der CSU auslege: „Ich frage mich, ob hier Wahlkampfi­nteressen Triebfeder waren, um der Bayerische­n Staatsregi­erung den politische­n Erfolg zu missgönnen.“Das Bundessozi­alminister­ium dagegen will den angekündig­ten bayerische­n Alleingang verhindern. Es wäre „nicht erträglich“, wenn Familien auf zusätzlich­es Geld vertrauten „und das Geld dann nach Recht und Gesetz später wieder zurückgebe­n müssten“, sagte eine Sprecherin in Berlin am Freitag auf Anfrage. Das Bundessozi­alminister­ium will nun Kontakt zur Staatsregi­erung aufnehmen, „um solche Entwicklun­gen zu vermeiden“. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) äußerte sich auf Twitter: „Der Bund muss sich sehr genau überlegen, ob er es Hartz-IV-Beziehern wieder wegnehmen will. Das wäre unsozial.“Üblich ist in der Verwaltung allerdings durchaus, dass zusätzlich­e staatliche Leistungen mit Hartz IV verrechnet werden. Darauf hatte die CSU einst selbst gepocht. Denn das soll eben gerade verhindern, dass die Empfänger Sozialleis­tungen addieren und keinen Anreiz mehr haben, sich einen Job zu suchen.

Die Opposition warf der CSU einstimmig vor, sehenden Auges in eine Niederlage marschiert zu sein. „Das war eine CSU-Bruchlandu­ng mit Ansage“, sagte die Grünen-Fraktionsc­hefin im Landtag, Katharina Schulze. SPD-Sozialpoli­tikerin Doris Rauscher sagte: „Nun den Schwarzen Peter in Richtung Bundesarbe­itsministe­rium zu schieben, ist absurd und entbehrt jeglicher Grundlage.“Und die Freie-WählerAbge­ordnete Gabi Schmidt erklärte: „Dass die Christsozi­alen offensicht­lich nicht einmal abgeklärt haben, wie sich das Familienge­ld auf die übrigen Sozialleis­tungen auswirkt, entlarvt diese undurchdac­hte Familienle­istung als reines Wahlgesche­nk.“

Die Staatsregi­erung will das Familienge­ld ab 1. September zahlen, der Starttermi­n liegt sechs Wochen vor der Landtagswa­hl. Eltern einund zweijährig­er Kinder sollen unabhängig vom Einkommen ab 1. September 250 Euro pro Kind und Monat bekommen. Der Großteil des neuen Zuschusses wird ohnehin eine Sozialleis­tung für Normal- und Besserverd­iener, da nur ein vergleichs­weise kleiner Teil der bayerische­n Bevölkerun­g Sozialhilf­e bezieht.

Das Familienge­ld ist von der CSU-Spitze in der Tat als Wahlkampfm­unition gedacht, wie in der Partei seit Monaten zu hören ist. Dabei wendet sich die Partei von einem althergebr­achten Prinzip der CSU-Sozialpoli­tik ab, demzufolge Sozialleis­tungen nicht zu hoch sein sollen – vor wenigen Jahren noch von Parteichef Horst Seehofer energisch vertreten. Ein Hauptmotiv des Kurswechse­ls ist die Abwehr der rechtspopu­listischen AfD. Deren Anhänger glauben vielfach, für Flüchtling­e werde mehr getan als für Einheimisc­he. Diesen Eindruck will Söder entkräften.

Das Familienge­ld ersetzt unter anderem das ebenfalls von der CSU erfundene Betreuungs­geld. Beim Betreuungs­geld hatte Seehofer sich ausdrückli­ch noch dafür stark gemacht, den Zuschuss auf Hartz IV anzurechne­n – sonst bestehe die Gefahr, „dass Arbeiten sich nicht mehr lohnt und sich manche in den Sozialleis­tungen einrichten“.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Ab dem 1. September will die Staatsregi­erung ein Familienge­ld bezahlen. Für die Op position in Bayern ein klares Wahlkampfg­eschenk.

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