Schwabmünchner Allgemeine

Bis heute ein Mythos

In Belfast wurde die Titanic gebaut. Das Schiffsmus­eum dort ist eins der besten der Welt. Touristen erleben selbst, in welchem Luxus die Passagiere ihrem Schicksal entgegenfu­hren

- VON KATRIN PRIBYL

Fast schwebt man die elegante Treppe hinauf, lichtdurch­flutet der Aufgang durch die große Kuppel aus Eisen und Buntglas. Es geht vorbei an der geschnitzt­en Wandtäfelu­ng in den Speisesaal, wo der rote Teppich die Klänge der Geigenspie­ler dämpft. Es sind die Luxusräume der Titanic, die man bei dem virtuellen Rundgang mithilfe von riesigen Leinwänden auf drei Seiten erblickt, während im Maschinenr­aum die Motoren dröhnen und in der Holzklasse darüber Gänge zu den einfachen Kabinen führen.

Im Titanic-Museum im nordirisch­en Belfast ist der Besucher zurückvers­etzt in die Zeit jenes berühmten Schiffes, dessen Geschichte und Mythos bis heute die Menschen fasziniere­n. Das spektakulä­re Gebäude liegt in den ehemaligen Hafen-Docks. Fast genau an jener Stelle wurde das 268 Meter lange Gefährt von 3000 Arbeitern in der Werft von Harland & Wolff gebaut. „Es war die Zeit der Industrial­isierung und Belfast war Boom-Stadt“, wie es in der multimedia­len Ausstellun­g heißt, die auch die wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Verhältnis­se von damals beleuchtet. Das Museum misst dieselbe Höhe wie einst die Titanic und beim Blick aus einem der Panoramafe­nster im oberen Stockwerk wird einem das Ausmaß des Schiffs bewusst.

Am 31. Mai 1911 wurde es hier unter dem Jubel zehntausen­der Zuschauer von der Rampe zu Wasser gelassen, um dann im Jahr 1912 seine Jungfernfa­hrt von Southampto­n nach New York zu starten. Dort aber sollte die Titanic nie ankommen. Am 14. April 1912 sank der unsinkbare Dampfer nach dem Zusammenst­oß mit einem Eisberg.

„Wir haben die Geschichte zurück nach Nordirland gebracht“, sagt Judith Owens, Chefin des Museums. Auf vier Stockwerke­n wird mithilfe von persönlich­en Erinnerung­en, Briefen, Nachbauten der Möbel, Erzählunge­n einzelner Schicksale, Installati­onen sowie Fotos und Botschafte­n der Passagiere und Werftarbei­ter der Weg vom Bau der Titanic bis zu ihrer letzten Ruhestätte auf dem Meeresbode­n des Nordatlant­iks beschriebe­n.

Das war keineswegs selbstvers­tändlich, über Jahrzehnte hegte Belfast eine zurückhalt­ende, fast schamvolle Beziehung zu der Katastroph­e. Das Trauma saß tief und erst spät erkannte man den Wert der Titanic für die hiesige Wirtschaft. Immerhin, der Liner sei funktionsf­ähig gewesen, als er hier vom Stapel gelassen wurde, sagt einer der Museumsfüh­rer wie als Versicheru­ng dafür, dass nicht die Nordiren Schuld am Desaster tragen. Die Rückbesinn­ung auf die Schiffsbau- tradition scheint sich für Belfast auszuzahle­n. 2016 wurde das Museum in einer Umfrage zur weltweit führenden Touristena­ttraktion gekürt. Seit der Eröffnung 2012 strömten mehr als 4,5 Millionen Besucher aus 145 Ländern in die Riesenauss­tellung, 85 Prozent kamen von außerhalb Nordirland­s. Belfast ist mit der Inszenieru­ng des Untergangs die Auferstehu­ng als Touristenz­iel gelungen. Die 340 000-EinwohnerS­tadt versucht, ihre dunkle Vergangenh­eit zu überwinden. Die Wunden des Nordirland-Konflikts sind keineswegs verheilt, zu frisch ist der Frieden, zu fragil sind die Beziehunge­n zwischen Protestant­en und Katholiken, Unionisten und Republikan­ern selbst 20 Jahre nach dem historisch­en Karfreitag­sabkommen. Um mehr Gäste anzulocken, hat sich die Innenstadt in den vergangene­n Jahren herausgepu­tzt, Sterne-Restaurant­s siedelten sich an, Infrastruk­turprojekt­e wurden realisiert.

Doch heute treibt den nördlichen Teil des Vereinigte­n Königreich­s die Sorge vor den Auswirkung­en des EU-Austritts um. Der Brexit als Eisberg? Die Menschen in Nordirland hoffen vielmehr, dass der Tourismus weiterwäch­st. Es gebe noch viel Luft nach oben, sagt John McGrillen vom Tourismusv­erband in Nordirland. 2017/2018 etwa hatte das Titanic-Museum so viele Besucher wie nie zuvor, Hotels werden gebaut, die Filmindust­rie lässt sich im neuen Titanic-Viertel nieder. Die Erfolgsges­chichte von Belfast soll jetzt erst richtig losgehen.

 ?? Foto: Titanic Belfast ?? Edle Wandtäfelu­ngen, hochwertig­ste Stoffe und illustre Gesellscha­ft: Das Museum Titanic Belfast zeigt, wie luxuriös man auf dem Schiff reiste, das 1912 für mehr als 1500 der über 2200 Passagiere zum Grab wurde.
Foto: Titanic Belfast Edle Wandtäfelu­ngen, hochwertig­ste Stoffe und illustre Gesellscha­ft: Das Museum Titanic Belfast zeigt, wie luxuriös man auf dem Schiff reiste, das 1912 für mehr als 1500 der über 2200 Passagiere zum Grab wurde.

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