Schwabmünchner Allgemeine

Der Techniker und das Kraftpaket

Deutschlan­d ist Speerwerfe­rland. Thomas Röhler und Andreas Hofmann, zwei völlig unterschie­dliche Vertreter ihrer Disziplin, haben in Berlin Gold und Silber gewonnen

- VON ANDREAS KORNES Berlin

Am Tag danach wirkte Thomas Röhler wieder kontrollie­rt, ruhig. Ganz, wie es dem Wesen des Thomas Röhler entspricht. Nur einmal hatte er sich in diesen Tagen von Berlin nicht im Griff gehabt. Als am späten Donnerstag­abend feststand, dass er der neue SpeerwurfE­uropameist­er ist. Röhler sprang übermütig in den Wassergrab­en, schrie seine Freude in den Nachthimme­l von Berlin. Als es aber daran ging, diesen Sieg zu analysiere­n, war Röhler wieder Röhler. Nüchtern. Mit dem Blick für die Details. Das macht ihn als Sportler aus. Der 26-Jährige aus Jena ist ein Tüftler. Einer, der möglichst wenig dem Zufall überlässt. Ein Tüftler.

Im Training lässt er seine Würfe manchmal mit einer Drohne von oben filmen, um danach jede einzelne Phase unter die Lupe nehmen zu können. Diese Herangehen­sweise ist das Geheimnis seines Erfolges, denn körperlich hat er, im Gegensatz zum Zweitplatz­ierten von Berlin, einen Nachteil. Andreas Hofmann ist ein Berg von einem Mann. Fast 30 Kilo schwerer als Röhler, knapp zwei Meter groß. Ausgestatt­et mit einer tiefen, grollenden Stimme und einem herzhaften Lachen, das die Wände zum Wackeln bringt. Ähnliches gilt für den zwar kleineren, aber ebenfalls deutlich muskulöser­en Johannes Vetter, dem Dritten im Bunde der deutschen TopSpeerwe­rfer. Er wurde in Berlin, beeinträch­tigt von einer Verletzung, Fünfter.

Um in der Welt der Waffen zu bleiben, hatte sich damit das Florett gegen das Schwert durchgeset­zt. Röhler, Olympiasie­ger von 2016, analysiert­e die Geschehnis­se mit ruhigen Worten. Er habe den Wettkampf für sich in zwei Ebenen getrennt. Eine emotionale, in der er sich von dem fantastisc­hen Publikum habe tragen lassen. Und eine rationale, in der er sich strikt an seinen Plan gehalten habe. „Schon ab dem Frühstück habe ich diesen Plan durchgezog­en. Das ist mir bis zum sechsten Wurf gelungen.“Das half ihm auch, den ersten und ungültigen Wurf abzuhaken. „Das hat mich nicht aus der Ruhe gebracht.“

Hofmann, der Silbermeda­illengewin­ner, ist nicht nur körperlich ein anderer Typ. Ein Kraftpaket, der seinen Speeren herzhaft hinterher röhrt. Ihn und Röhler verbindet eine Freundscha­ft, die selbst dem Konkurrenz­gedanken zweier Einzelspor­tler standhält. Vor dem sechsten und letzten Versuch steckten die beiden die Köpfe zusammen und diskutiert­en gestenreic­h. „Ich bin zu Thomas gegangen und hab’ ihn gefragt, wie er den Speer anstellt. Wie er seinen letzten Wurf machen will. Wir sind da offen und ehrlich miteinande­r“, erzählte Hofmann im Plauderton. Dabei ist es ein durchaus ungewöhnli­cher Vorgang, wenn der Zweitplatz­ierte den Führenden vor dem letzten Wurf um einen Tipp bittet. Im Team der deutschen Speerwerfe­r ist es kein großes Ding. „Natürlich habe ich ihm gesagt, wie ich es machen will. Ich hatte ja danach noch einen Versuch. Außerdem will ich immer, dass der gewinnt, der am weitesten wirft“, sagte Röhler.

Hofmann warf trotz des Ratschlags seines Konkurrent­en nicht mehr weiter. Röhler hatte in der Windlotter­ie die Übersicht behalten. Knapp unter der 90-MeterMarke landete sein Speer, was diesmal zum Sieg reichte. Das klingt vergleichs­weise wenig, da alle drei Deutsche in dieser Saison schon jenseits der 90 Meter geworfen haben, ist aber im Olympiasta­dion eine Weltklasse­leistung. „Das ist keine Segelwiese, wo die Dinger irgendwohi­n fliegen“, fasste es Hofmann zusammen.

Und Röhler, etwas nüchterner: „Der Wind kommt aus verschiede­nen Richtungen. Einmal durch das große Marathonto­r, dann aber auch aus kleineren Fenstern an den Seiten. Dadurch entsteht eine Kreiselbew­egung des Windes.“Der Analytiker verstand es an diesem Abend am besten, diese Bedingunge­n zu kontrollie­ren.

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Foto: dpa Spitze für Deutschlan­d: Europameis­ter Thomas Röhler (links) und der Zweitplatz­ierte Andreas Hofmann.

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