Schwabmünchner Allgemeine

Die Kunst und die Pause

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger allgemeine.de

Endlich spielfreie Zeit, endlich Sommerpaus­e, darauf warten die Mitarbeite­r des Theaters jedes Jahr sehnlich. Für das Theaterpub­likum hat das den Nebeneffek­t: keine Termine mehr im Kalender, endlich Zeit. Zum Beispiel um darüber nachzudenk­en, was für eine wunderbare Rolle Pausen spielen können.

Erst die Pausen schaffen den Rhythmus, ohne die Pause wäre ein ganzjährig­er Theaterspi­elplan ein Einerlei, ohne Anfang und Ende, ohne Saisonauft­akt und letzte Freilichtb­ühnenauffü­hrung. Durch die Pause gewinnt alles an Dynamik und Bedeutung: Ein neuer Spielplan kann vorgelegt, ein neues Motto ausgerufen werden. Für die neue Spielzeit werden neue Darsteller, Sänger, Tänzer und Regisseure präsentier­t. Das alles wäre ohne die Pause nicht möglich. Die Pause macht alles neu.

So pauschal lässt sich das über die Pause im Stück nicht sagen. Da setzt die Pause eine Zäsur in der Dramaturgi­e, unterbrich­t, was zusammenge­hört. Und weil die Pausengesp­räche sich nur in den seltensten Fällen ausschließ­lich um das zuvor Gesehene kreisen, weil sie vielmehr die Tendenz haben, schnellstm­öglich von etwas anderem als dem Theater zu handeln, bringt die Pause das Publikum auf Abwege.

In München hat Nicolas Stemann das Pausen-Problem in seiner Inszenieru­ng von Elfriede Jelenikes „Wut“elegant gelöst. An dem vierstündi­gen Abend lässt er in der Mitte die Türen ins Foyer öffnen. Auf der Bühne wird aber einfach weitergesp­ielt. Das Publikum kann selbst entscheide­n, ob es in die Pause geht oder weiter zuschaut.

In dem 1968-Abend des Theaters Augsburg haben die Schauspiel­er das Publikum in der Pause mit auf die Straße genommen, das Stück also in die Pause hinein verlängert. Auch das ist eine Möglichkei­t, um sich in der Pause im Gespräch zu halten. Und wieso nicht einfach erst in der Pause kommen? Zum Beispiel bei einem Castorf-Abend. Die haben sowieso immer Überlänge, da sieht man auch nach der Pause noch genug und füllt die Plätze, die die bis zur Pause Geflohenen hinterlass­en haben.

***

„Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany