Ein Trio ohne Chef – völlig ausgewogen und groovend
Das Bobo Stenson Trio erteilt Klischees eine Absage: Die Schweden grübeln nicht, sie treiben locker vorwärts
So ist das nun mal mit diesen Trios, ob sie nun nach Bill Evans, Keith Jarrett oder Esbjörn Svensson benannt sind: Irgendwie gilt der Mann am Klavier immer als der Kopf, da können die Mitkombattanten noch so sehr ihre eigene Kunst herauszupfen oder -trommeln. Wenn aber eine dieser Tripelformationen aus Klavier, Bass und Schlagzeug nun wirklich ein völlig ausgewogenes Amalgam bildet, dann ist es das Bobo Stenson Trio. Und die drei Schweden erteilen nicht nur herkömmlichen Gewichtsverhältnissen eine Absage, sie verabschieden mit ihrem Spiel auch gleich noch ein weiteres Klischee: Dass nämlich Musiker aus dem Norden – und schon gar, wenn sie Künstler aus dem Stall des ECM-Labels sind – eine zähe Vorliebe für kühl-kristalline und manchmal auch ein bisschen blutleere Sounds haben.
Nichts da, das Bobo Stenson Trio, letzter internationaler Programmpunkt beim diesjährigen Augsburger Jazzsommer, verstand sich beim Open-air-Auftritt im Rondell des bestens besuchten Botanischen Gartens ausdrücklich auch aufs Grooven. Nicht atemlos vorwärts dampfend, nein, locker, um nicht zu sagen sommerlich elastisch treibend. Diese drei sind alles andere als kopfgesenkte Grübler über ihren Instrumenten. Bobo Stenson, vor ein paar Tagen 74 geworden, hebt mit der Linken immer wieder erdige Akkordgebilde aus den Tasten heraus, und in den Kulminationsmomenten der vorgestellten Stücke lockert er immer wieder die harmonischen Zügel für ein paar Takte moderat freien Flugs, um freilich immer zur angemessenen Zeit wieder auf stabilen Boden zurückzufinden.
Anders Jormin spielt einen ungemein voluminösen Bass, und obwohl er das völlig unaufgeregt tut, käme niemand auf die Idee, diesem Musiker und seinem Instrument nur eine Begleitfunktion zuzuschreiben. Jormin braucht keineswegs fingerwuselnde Soli, um sich als Gleicher unter Gleichen zu verstehen, er ist auch mit gemessenen Bassschritten druckvoll genug. Zudem ist er der Komponist einiger Stücke, darunter das atmosphärisch stimmige „Oktoberhaven“, das von der aktuellen CD des Trios stammt, wie auch noch weitere Titel des Konzerts. Die Selbstgewissheit, die Jormin wie Stenson auszeichnet, gilt uneingeschränkt auch für den Schlagzeuger Jon Fält, der so unaufdringliche wie energiegeladene Mixturen aus den Handgelenken zu schütteln vermag, aber auch mal soundinnovativ auf einem afrikanischen Lamelleninstrument eine Rhythmusspur zu legen imstande ist.
Dass das Bobo Stenson Trio in dieser Besetzung nun schon lange zusammen spielt, macht sich nicht nur dort bemerkbar, wo musikalische Perspektiv- und Beleuchtungswechsel wie aus einem Guss gelingen. Verblüffend ist auch die Fähigkeit dieser drei, sich Musik aus völlig anderen Entstehungskontexten einzuverleiben wie etwa ein Stück des kubanischen Liedermachers Silvio Rodríguez oder auch, ganz andere Ecke, eine Volksliedbearbeitung von Béla Bartók. Da sind im Ergebnis allenfalls noch Spuren des ursprünglichen Materials vorhanden, das Überwiegende aber ist eine originäre Stenson-Trio-Neuschöpfung.
Ein starker Ausklang des Augsburger Jazzsommers, der in diesem seinem 26. Jahr mit seinen Freiluftkonzerten unverschämtes Wetterglück hatte. Die gelegentlichen Windböen, die da am Donnerstagabend aus den Bäumen heranfuhren, konnten das hervorragend kompakte Klangbild jedenfalls nicht trüben, ja stellenweise fügte die Brise sich wie selbstverständlich ein in eines der sphärischen Vorspiele, die das Trio so gern seinen Stücken voranstellt. „Haben Sie Fragen?“, fragte Stenson irgendwann einmal kokett ins Publikum. Klare Antwort nach diesem Auftritt: Nein, keine Fragen!