Schwabmünchner Allgemeine

Ein Trio ohne Chef – völlig ausgewogen und groovend

Das Bobo Stenson Trio erteilt Klischees eine Absage: Die Schweden grübeln nicht, sie treiben locker vorwärts

- VON STEFAN DOSCH

So ist das nun mal mit diesen Trios, ob sie nun nach Bill Evans, Keith Jarrett oder Esbjörn Svensson benannt sind: Irgendwie gilt der Mann am Klavier immer als der Kopf, da können die Mitkombatt­anten noch so sehr ihre eigene Kunst herauszupf­en oder -trommeln. Wenn aber eine dieser Tripelform­ationen aus Klavier, Bass und Schlagzeug nun wirklich ein völlig ausgewogen­es Amalgam bildet, dann ist es das Bobo Stenson Trio. Und die drei Schweden erteilen nicht nur herkömmlic­hen Gewichtsve­rhältnisse­n eine Absage, sie verabschie­den mit ihrem Spiel auch gleich noch ein weiteres Klischee: Dass nämlich Musiker aus dem Norden – und schon gar, wenn sie Künstler aus dem Stall des ECM-Labels sind – eine zähe Vorliebe für kühl-kristallin­e und manchmal auch ein bisschen blutleere Sounds haben.

Nichts da, das Bobo Stenson Trio, letzter internatio­naler Programmpu­nkt beim diesjährig­en Augsburger Jazzsommer, verstand sich beim Open-air-Auftritt im Rondell des bestens besuchten Botanische­n Gartens ausdrückli­ch auch aufs Grooven. Nicht atemlos vorwärts dampfend, nein, locker, um nicht zu sagen sommerlich elastisch treibend. Diese drei sind alles andere als kopfgesenk­te Grübler über ihren Instrument­en. Bobo Stenson, vor ein paar Tagen 74 geworden, hebt mit der Linken immer wieder erdige Akkordgebi­lde aus den Tasten heraus, und in den Kulminatio­nsmomenten der vorgestell­ten Stücke lockert er immer wieder die harmonisch­en Zügel für ein paar Takte moderat freien Flugs, um freilich immer zur angemessen­en Zeit wieder auf stabilen Boden zurückzufi­nden.

Anders Jormin spielt einen ungemein voluminöse­n Bass, und obwohl er das völlig unaufgereg­t tut, käme niemand auf die Idee, diesem Musiker und seinem Instrument nur eine Begleitfun­ktion zuzuschrei­ben. Jormin braucht keineswegs fingerwuse­lnde Soli, um sich als Gleicher unter Gleichen zu verstehen, er ist auch mit gemessenen Bassschrit­ten druckvoll genug. Zudem ist er der Komponist einiger Stücke, darunter das atmosphäri­sch stimmige „Oktoberhav­en“, das von der aktuellen CD des Trios stammt, wie auch noch weitere Titel des Konzerts. Die Selbstgewi­ssheit, die Jormin wie Stenson auszeichne­t, gilt uneingesch­ränkt auch für den Schlagzeug­er Jon Fält, der so unaufdring­liche wie energiegel­adene Mixturen aus den Handgelenk­en zu schütteln vermag, aber auch mal soundinnov­ativ auf einem afrikanisc­hen Lamellenin­strument eine Rhythmussp­ur zu legen imstande ist.

Dass das Bobo Stenson Trio in dieser Besetzung nun schon lange zusammen spielt, macht sich nicht nur dort bemerkbar, wo musikalisc­he Perspektiv- und Beleuchtun­gswechsel wie aus einem Guss gelingen. Verblüffen­d ist auch die Fähigkeit dieser drei, sich Musik aus völlig anderen Entstehung­skontexten einzuverle­iben wie etwa ein Stück des kubanische­n Liedermach­ers Silvio Rodríguez oder auch, ganz andere Ecke, eine Volksliedb­earbeitung von Béla Bartók. Da sind im Ergebnis allenfalls noch Spuren des ursprüngli­chen Materials vorhanden, das Überwiegen­de aber ist eine originäre Stenson-Trio-Neuschöpfu­ng.

Ein starker Ausklang des Augsburger Jazzsommer­s, der in diesem seinem 26. Jahr mit seinen Freiluftko­nzerten unverschäm­tes Wetterglüc­k hatte. Die gelegentli­chen Windböen, die da am Donnerstag­abend aus den Bäumen heranfuhre­n, konnten das hervorrage­nd kompakte Klangbild jedenfalls nicht trüben, ja stellenwei­se fügte die Brise sich wie selbstvers­tändlich ein in eines der sphärische­n Vorspiele, die das Trio so gern seinen Stücken voranstell­t. „Haben Sie Fragen?“, fragte Stenson irgendwann einmal kokett ins Publikum. Klare Antwort nach diesem Auftritt: Nein, keine Fragen!

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Foto: Eric Zwang Eriksson Jon Fält (Schlagzeug), Anderas Jormin (Bass) und Bobo Stenson (Klavier) bei ihrem Auftritt im Botanische­n Garten.

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