Familie im Viehwagen abtransportiert
Sudetendeutsche Landsmannschaft erinnert in Königsbrunn an persönliche Schicksale und an die Enteignung der Vertriebenen. Zahlreiche Mitglieder werden geehrt
Mit Musik, Filmen, Vorträgen und vielen Ehrungen feiern der Kreisverband sowie der Ortsverband Königsbrunn/Wehringen der Sudetendeutschen Landsmannschaft ihren Heimattag. Eindringliche Worte kommen dabei vom Kreisvorsitzenden Kurt Aue. Er erinnert an die Benes-Dekrete, die bis heute ihre formale Gültigkeit behalten haben. Mit diesen Dekreten wurde die Enteignung der Vertriebenen gerechtfertigt. Aue will, wie er sagt, „die Ideologie, die hinter den Unrechtsdekreten steht, aus den Köpfen der Menschen beseitigen“. Sein Ziel sei es, mit den Menschen in Tschechien zu reden, damit sie das Unrecht anerkennen. „Wir müssen ihnen die Hand reichen und sie müssen uns die Hand entgegenstrecken – ich gehe in Richtung Versöhnung.“Aue war zwei Jahre alt, als seine Familie im Viehwaggon abtransportiert wurde. Seine Großmutter sei auf der Flucht vergewaltigt und ermordet worden. Er selber ist aus dem Viehwaggon herausgefallen. „Ich hatte aber eine Nummer erhalten und ein Tscheche hat mich unter Einsatz seines Lebens über die Grenze gebracht.“
Zwischen den Programmpunkten entstehen immer wieder lebhafte Gespräche zwischen den Besuchern und es ist zu spüren, dass sich viele schon lange kennen. Eine, die hingegen zum ersten Mal an einer Versammlung der Sudetendeutschen
Von der Tankstelle ihres Vaters gibt es nur noch ein Foto
teilnimmt, ist Barbara Blaschka. Die Schwabmünchnerin hat nach dem Tod ihrer Eltern „kofferweise“Urkunden (darunter eine Geburtsurkunde von 1761, bei der einer ihrer Vorfahren als Pate für einen kleinen Johann Josef eingetragen wurde), Fotos und Briefe gefunden.
Alles stammt aus der Zeit, als ihre Vorfahren in Reichenberg in NordBöhmen lebten beziehungsweise kurz nach der Vertreibung, wie sie am Rande der Veranstaltung erzählt. „Ich habe meinen Eltern so viel zu verdanken und ich möchte mehr über sie erfahren.“Blaschka hält ein altes Schwarz-Weiß-Foto mit einer Tankstelle in Reichenberg in Händen.
Diese gehörte ihrem Vater, der in russische Kriegsgefangenschaft geriet und anschließend nicht mehr in seine alte Heimat zurückdurfte. Alles, was aus dieser Zeit noch geblieben ist, haben Blaschkas Großmutter und Tante mitgebracht. Und auch die Erinnerungen habe der Vater nie mit seinen Kindern geteilt. „Die Zeit des Krieges und der Vertreibung muss so furchtbar gewesen sein, dass er uns nie etwas darüber erzählt hat.“Das Einzige was er gesagt habe, war, dass er mit einen Persil-Karton in München ankam, um alles noch einmal aufzubauen, was die Familie durch die Vertreibung verlor. Nun sucht Blaschka Kontakt zu Familien, die ebenfalls Reichenberg stammen, um mehr zu erfahren. Deshalb nehme sie dieses Jahr an dem Treffen teil. Jetzt schaltet sich der ehemalige Ortsobmann Lothar Silbernagel in das Gespräch ein: An diesem Tag sei wohl niemand mit Reichenberger Wurzeln gekommen, sagt
er, aber er versprach, einen Kontakt herzustellen.
Zuvor in der Versammlung überreichte Kurt Aue Silbernagel zwei Urkunden mit denen der Köaus
nigsbrunner zum Ehrenvorsitzenden sowohl des Kreis- als auch des Ortverbandes ernannt wurde. Walter Eichler, Heimatpfleger von Graupen, gab Einblicke in die Geschichte der Bergstadt am Rande des Erzgebirges und zwei Filme zeigten Bilder aus dem Sudetenland und dem Altvatergebirge. Musikalisch gestaltet wurde die Veranstaltung von Adolf Bier mit seiner Trompete.