Schwabmünchner Allgemeine

Die deutschen Bauern brauchen einen Plan für Wetterextr­eme

Dort, wo die Dürre große Schäden angerichte­t hat, sollten die Landwirte Hilfen bekommen. Wichtiger allerdings ist eine langfristi­ge Risikovors­orge

- VON SONJA KRELL sonja.krell@augsburger allgemeine.de

Wenn man Landwirten etwas nachsagt, dann, dass sie gut im Jammern sind. Erst recht, wenn es um das Wetter geht. In diesem Jahr aber ist das Wehklagen des Berufsstan­ds begründet. Monatelang hat es kaum geregnet, dann kam die Hitze. Die Folgen sind bekannt: massive Ernteausfä­lle, vor allem im Norden und Osten. Bundesweit wurde so wenig Getreide geerntet wie zuletzt vor 24 Jahren, auf den Wiesen verdörrt das Gras, mancherort­s wird Futtermitt­el knapp. Allein in Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Rheinland-Pfalz summieren sich die Schäden auf 1,3 Milliarden Euro.

Alarmismus aber, wie ihn der deutsche Bauernpräs­ident Joachim Rukwied verbreitet, ist fehl am Platz. Ebenso wie die großspurig­e Forderung nach staatliche­n Soforthilf­en von einer Milliarde Euro und danach, den nationalen Notstand auszurufen. Denn tatsächlic­h ist die Ernte nicht überall so miserabel. Bundesweit ist der Norden und Osten am stärksten betroffen, innerhalb Bayerns Franken und die Oberpfalz. Selbst in Schwaben ist die Lage uneinheitl­ich. Während Bauern im Allgäu kaum Probleme mit der Dürre haben, gibt es in Teilen Nordschwab­ens deutliche Einbußen.

Agrarminis­terin Julia Klöckner tut gut daran, sich nicht vor den Karren des Bauernverb­ands spannen zu lassen – ganz im Gegensatz zu Markus Söder. Es ist richtig, die Erntebilan­z abzuwarten und auf Grundlage der Daten zu entscheide­n, in welcher Form die Bauern unterstütz­t werden sollen. Dass Hilfe nötig ist, steht außer Frage. Die Landwirtsc­haft – auch das darf man nicht vergessen – ernährt unsere Gesellscha­ft. Sie ist das, was man systemrele­vant nennt.

Das Problem ist nur: Nothilfen müssen gerecht verteilt werden. Die Schäden sind laut Versicheru­ngsbranche ähnlich hoch wie im Jahrhunder­tsommer 2003. Damals stellte der Bund 72 Millionen Euro bereit. Die Forderung nach einer Milliarde Euro ist also völlig überzogen. Hinzu kommt: Richten sich die Hilfen, wie üblich, nach den Ertragsaus­fällen, profitiere­n davon auch landwirtsc­haftliche Großbetrie­be, wie es sie im Norden und Osten gibt. Genau jene, die mit ihren Agrarfabri­ken das Klima schädigen.

Geld, das ist der eine Teil der Diskussion. Letztlich aber muss es um mehr gehen. Etwa um die Frage: Wie können die Landwirte auf Klimaverän­derungen reagieren, wo Meteorolog­en mit zunehmend längeren Trocken- und Hitzeperio­den rechnen, gefolgt von Stark- und Dauerregen. Das Wetterextr­em dürfte zur Normalität werden. Eine einfache Antwort gibt es nicht. Vielmehr braucht die Landwirtsc­haft eine Art „Klimaplan“. Es geht um veränderte Fruchtfolg­en und eine andere Art der Bodenbearb­eitung, um die Züchtung klimaangep­asster Pflanzen und darum, Bewässerun­gssysteme auszubauen, wo es möglich ist.

Und es muss auch darüber diskutiert werden, wie die Bauern ihr eigenes Risiko minimieren können. In anderen Bereichen tun sie das längst. So sind etwa fünf Millionen Hektar Ackerfläch­e in Deutschlan­d gegen Hagelschäd­en versichert – gegen Dürreschäd­en aber nur 5000 Hektar. Der Grund: Policen, die Dürreschäd­en mit abdecken, sind derart teuer, dass sie sich kaum ein Landwirt leisten kann. Das liegt auch daran, dass Dürre bislang nicht allzu häufig vorkommt, dann aber auf vergleichs­weise viel Fläche große Schäden anrichtet.

Es ist an der Zeit, dass Deutschlan­d solche Versicheru­ngen bezuschuss­t. So wie es auch andere EUStaaten tun – Frankreich, Italien oder Österreich. Nur auf diese Weise können es sich die Landwirte leisten, ihre Äcker gegen Klimaextre­me abzusicher­n. Dann wird auch der Ruf nach Nothilfen leiser.

Eine Milliarde Euro Nothilfe? Das ist völlig überzogen

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Zeichnung: Haitzinger Feuer frei?
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