Schwabmünchner Allgemeine

Eine breite Front gegen den Hass

Ein geplanter Aufmarsch rechtsradi­kaler Gruppen in Washington gerät zur Farce. Nur wenige sind ein Jahr nach den Ausschreit­ungen von Charlottes­ville in die Hauptstadt gekommen – ein moralische­r Triumph für die Trump-Gegner

- VON KARL DOEMENS Washington

Sie sind ein bisschen aus der Übung gekommen. „Ich habe nicht gedacht, dass ich das noch mal tun würde“, sagt Mike Brady. Der rüstige Rentner steht neben seiner Frau Sue im Lafayette-Park nördlich des Weißen Hauses und hält ein selbst gemaltes Plakat hoch: „Die weiße Vorherrsch­aft endete 1865“steht da drauf. „Keine Wiederholu­ng!“

Das letzte Mal hat Brady hier vor fünfzig Jahren demonstrie­rt. Damals ging es gegen den Vietnamkri­eg. Doch der geplante Aufmarsch von hunderten Rechtsextr­emen im Herzen Washington­s treibt ihn nun erneut auf die Straße. „Unser Land befindet sich in einer sehr ernsten Lage“, sagt er und deutet zum Wei- Haus: „Schauen Sie nur: Zwischen uns und unserem Regierungs­sitz stehen die Nazis. Das ist ein starkes Symbol.“

Tatsächlic­h dürfen sich Passanten und Gegendemon­stranten an diesem Sonntagnac­hmittag dem Weißen Haus nur bis zu einem Sperrgitte­r nähern. Dahinter stehen viele Polizisten, hinter denen man wiederum schemenhaf­t ein Häuflein von Menschen und einen Anführer erkennt, der von einem Podest wild agitiert. Das ist Jason Kessler, der vor einem Jahr in Charlottes­ville den blutigen Aufmarsch der Rechten mitorganis­iert hat, bei dem eine 32-Jährige getötet wurde. Nun hat er unter dem Motto „Vereinigt die Rechte“Neo-Nazis, Skinheads und KuKlux-Klan-Anhänger in der Hauptstadt zusammenge­trommelt, um für die Rettung der weißen Rasse und gegen die jüdische Übermacht zu pöbeln. Trotz dieser Ausfälle distanzier­t sich US-Präsident Donald Trump auch dieses Mal nicht klar von den Rechtsextr­emen. Zwar verurteilt­e er aus seinem Urlaub „alle Arten von Rassismus“, ließ sich aber einen Tag vor der Demonstrat­ion mit martialisc­hen Motorradbi­kern in Ledermontu­r beim Fahnengruß ablichten. „Es ist doch klar, was er wirklich denkt“, glaubt Brady. Am Sonntag jedenfalls bleibt Trump bei Twitter ungewöhnli­ch stumm.

Tausende Gegendemon­stranten sind seit dem Nachmittag mit fantaßen sievollen Plakaten und Sprechchör­en friedlich durch die Innenstadt gezogen. „Nazis nerven!“, steht auf den Schildern, oder: „Schweigen ist Mitschuld.“Es herrscht eine heitere, kämpferisc­he Stimmung. Das ist eine eindrucksv­olle Absage an rechten Hass – und auch an Trump, der als „Größte Gefahr für Amerika“gebrandmar­kt wird.

Bei den Rechtsextr­emen hingegen herrscht Katzenjamm­er. Statt der erwarteten 400 sind gerade einmal zwei Dutzend angereist. Offenbar ist das braune Lager seit Charlottes­ville völlig zersplitte­rt. Trotzdem ist die Polizei mit einem gewaltigen Aufgebot im Einsatz und hat ganze Straßen gesperrt, um Zusammenst­öße zu verhindern. Zur Realität gehört auch, dass sich abseits der friedliche­n Gegendemon­stranten rund 200 schwarz gekleidete und vermummte Antifa-Anhänger versammelt haben, die sich äußerst aggressiv gegenüber der Polizei verhalten. Doch zu größeren Gewaltausb­rüchen kommt es nicht.

Dafür entlädt sich kurz nach fünf ein Sommergewi­tter über der Hauptstadt, und den Rassisten mit US-Flaggen und roten „Make America Great Again“-Kappen vergeht endgültig die Lust am Demonstrie­ren. Anderthalb Stunden früher als geplant beenden sie ihre Kundgebung, und die Polizei geleitet sie mit einer Hundertsch­aft zurück zur U-Bahn. „Wir müssen uns von diesem Hass befreien“, sagt Mike Brady: „Nicht sondern wir sind die Mehrheit.“Daran kann zumindest an diesem Sonntag kein Zweifel bestehen.

Bei den Rechten herrscht Katzenjamm­er

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Foto: Alex Wroblewski, Getty Zumindest am Montag in Washington waren sie die große Mehrheit: Gegner des angekündig­ten Aufmarschs von Rechten beherrscht­en die Szenerie in der Hauptstadt.

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