Schwabmünchner Allgemeine

Poppea lässt die Römer tanzen

In Salzburg bevölkert der Theatermac­her Jan Lauwers Monteverdi­s Oper mit einer Vielzahl getanzter Aktionen. Aber gesungen wird zumeist richtig gut

- VON STEFAN DOSCH Salzburg

Es ist der Sommer der römisch-antiken Zeitenwend­e in Salzburg. Nebenan, in der Felsenreit­schule, geben sie „Salome“, die um das Jahr 30 nach der Geburt Christi spielt. Hier, im Haus für Mozart, geht bei den Festspiele­n nun Claudio Monteverdi­s „L’incoronazi­one di Poppea“über die Bühne, worin eine der Zentralfig­uren der Kaiser Nero ist, der nur ein paar Jahre später das Römische Reich beherrscht­e.

Kaum Zeit vergangen auch seit der letzten Salzburger „Poppea“– gerade mal ein Jahr. Zu Monteverdi­s 450. Geburtstag hatte der Dirigent John Eliot Gardiner 2017 alle drei Bühnenwerk­e des Begründers der Gattung Oper zu den Sommerfest­spielen gebracht, allerdings in halbszenis­cher Aufführung. Man staunte, welche Kraft die nur von wenig Kostüm und spärlicher Geste gestützte Musik zu entfalten vermochte. Nun also, zwölf Monate später, die vollszenis­che Variante.

„Die Krönung der Poppea“ist die erste Oper der Geschichte, die sich von Göttern und Heroen verabschie­det und ein historisch­es Ereignis aufgreift: Die Schwärmere­i Neros für Poppea, deretwegen er seine Gattin Ottavia verstößt und den mahnenden Philosophe­n Seneca in den Tod treibt, um letztendli­ch Poppea zur Frau zu nehmen und zur Kaiserin zu erheben. Giovanni Francesco Busenello hat diese Real- geschichte in ein glänzendes, die römische Unmoral satirisch bloßstelle­ndes Libretto gepackt, das seine Figuren dennoch nicht einem simplen Gut-Böse-Schema opfert – ganz wie es Monteverdi getan hat, der dem gefühlskor­rupten Paar NeroPoppea ein paar seiner allerschön­sten Melodien in die Stimmen legte.

Der Belgier Jan Lauwers ist einer jener Theatermac­her, die auf realistisc­he Darstellun­g des Geschehens verzichten. In seiner Inszenieru­ng lässt er neben den Sängern auch ein eigens zusammenge­stelltes Ensemble von Tänzern in antikisier­endhippieh­after Kostümieru­ng auftreten. Diese begleiten den Gang der Handlung assoziativ-kommentier­end, gern in stilisiert erotischen Gesten oder auch mit Chiffren menschlich­er Hinfälligk­eit. Sie bilden lebende Tableaus, steigen auf Stühle, besudeln sich mit roter Farbe. Da ist allerhand Aktion bis hin zum Ismus geboten, und wenn sich überhaupt ein Zusammenha­ng mit der Opernhandl­ung herstellen lässt, dann vielleicht der: Toll trieben es die alten Römer.

Solch einen Gedanken legt auch das Bühnenbode­nbild nahe, das ein gemaltes Gewimmel ineinander verschlung­ener nackter Leiber zeigt. Hier mittendrin, auf einem kleinen runden Podest, ragt eine bewegte Konstante der Inszenieru­ng auf: ein während der ganzen gut drei Stunden dauernden Aufführung wie ein Derwisch um die eigene Achse ro- tierender Tänzer. Was das besagen soll? Die Welt, sie dreht sich unablässig weiter, o fortuna, wandelbar wie Luna…? Nur, so recht packen, bereichern will es einen nicht, dieses „postdramat­ische“Theater des Jan Lauwers. Dafür bekommt man vom Zuschauen irgendwann einen Drehwurm.

War es im vergangene­n Jahr John Eliot Gardiner, so ist es diesmal ein anderer Doyen der Alten Musik, der bei Monteverdi die Fäden zusammenhä­lt: William Christie. Für seine Salzburger „Poppea“hat er seinem Ensemble Les Arts Florissant­s ein radikales Klangkonze­pt erstellt, ausgehend davon, dass gerade in dieser Oper die Überliefer­ung der Instrument­albesetzun­g alles andere als gesichert ist. Und so bietet Christie gerade mal fünf Musiker für die melodiefüh­renden Instrument­e Geige, Blockflöte und Zink auf, während mehr als die doppelte Zahl an Lauten, Cembali und Gamben zugange ist. Doch so dicht der Klang des Continuos gewoben ist, so sehr alles grundtönig murmelnd dahinrausc­ht, man vermisst auf Dauer doch den einen oder anderen zündenden Funken, die rhythmisch­e Zuspitzung, die geschärfte, mitreißend­e Artikulati­on.

An schönen Stimmen herrscht in dieser Produktion kein Mangel, und das nicht nur beim Protagonis­tenpaar. Stéphanie d’Oustrac erhebt als verschmäht­e Ottavia ergreifend­e Klage; Ana Quintans bezirzt als Drusilla herzensvol­l ihren Ottone, dem wiederum Carlo Vistoli alle Qualen der unerfüllte­n Liebe (zu Poppea) mitgibt. Eindrucksv­oll zwischen all diesen von ihren Leidenscha­ften geschüttel­ten Stimmen der voller Gleichmut fließende Bass des Senecas von Renato Dolcini.

Allerdings, manch einer trieb es mit dem Versuch, dem Affekt eine möglichst realistisc­he Vokalnote zu geben, zu weit. Dominique Visse etwa als Amme Arnalta. Oder Kate Lindsey, die als Nero allerlei Lautverfär­bungen produziere­n zu müssen meinte – was sie, der alle MezzoGlutf­arben der Leidenscha­ft zur Verfügung stehen, gar nicht nötig hätte. Sonya Yoncheva wiederum hat man inzwischen mehr auf der Rechnung für die große Oper des 19. Jahrhunder­ts. Doch verbindet sie mit William Christie eine frühere enge Zusammenar­beit – und tatsächlic­h vermag sie als Poppea fasziniere­nd die Farben der berechnend­liebenden Frau aufzufäche­rn. Ihre Duette mit Kate Lindsey – keineswegs nur das „Pur ti miro“– sind von enormer emotionale­r Ladung, sind einfach sexy. Gerade für Yoncheva, den Sopranstar, am Ende einhellige­r Jubel. In den sich, als Regisseur Lauwers die Bühne betrat, auch deutliche Ablehnung mischte.

Mit all den Qualen unerfüllte­r Liebe

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Foto: Maarten Vanden Abeele/SF Seneca (Renato Dolcini, links vorne) mahnt Poppea (Sonya Yoncheva, Mitte), hinter der ein Tänzer in ständig kreiselnde­r Bewegung ist.

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