Schwabmünchner Allgemeine

Das Monster aus Nippon

Der Nissan GT-R hat einen besonderen Spitznamen: Godzilla. Warum der Wagen ihm alle Ehre macht

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Mit mehr oder weniger schmeichel­haften Kosenamen waren schon viele Kultautos gesegnet. Die „Ente“kennt jeder, ihre Markenschw­ester Citroën DS, die sogenannte „Göttin“, wohl auch. Der Volvo P1800 ging als „Schneewitt­chensarg“in die Geschichte ein und das BMW Z3 Coupé als „Turnschuh“.

Im Idealfall ist der Name Programm, und im vorliegend­en Fall passt er sogar wie der Zapfhahn in den Stutzen. Seit der Nissan GT-R vor mehr als zehn Jahren debütierte, haftet ihm der Titel „Godzilla“an. Selbst wenn die Zeit über das Monster hinweggezo­gen ist, zeigt es heute noch vielen Sportwagen-Rivalen, wo der Bartl den Most holt, um ausnahmswe­ise einmal kein japanische­s Sprichwort zu zitieren.

Vor allem in einer Disziplin sticht der Stolz aus Nippon die Konkurrenz reihenweis­e aus: im Preis-Leistungs-Verhältnis. Das darf man hier wörtlich nehmen. Mehr PS für weniger Geld gibt es in der Regel nicht einmal unter den amerikanis­chen Muscle Cars, von denen viele halt in mehrerlei Hinsicht billig sind. Nein, 570 PS bietet der Nissan GT-R auf; nach wie vor ein Wort. Und das Beste: „Nur“99900 Euro will Nissan für Godzilla haben.

Für einen leistungsm­äßig vergleichb­aren Porsche, McLaren oder Ferrari müssen Käufer das Zwei- bis Dreifache hinlegen. Dennoch gründet der Mythos des Nissan GT-R nicht auf seinem Preis allein. Dieser Sportwagen ist einfach anders, weniger gezähmt, weniger geschliffe­n als die Vertreter der Premium-Liga. Das manifestie­rt sich vor allem unter der Haube. „VR38DETT“lautet die offizielle Bezeichnun­g des legendären 3,8-Liter-V6. Fans weltweit können diese Zahlen-Buchstaben-Folge vorbeten.

Das Triebwerk hat sich eine ursprüngli­che Wildheit behalten. Es gönnt sich sogar ein kleines Turboloch, bis der Lader ohne Gnade einsetzt und Godzilla seinem Gebieter tüchtig in den Hintern tritt. In 2,8 Sekunden soll der Sprint von null auf hundert erledigt sein – schneller als ein Porsche Turbo S und ein McLaren 570S, zumindest dem Papier nach. Begleitet wird der Rake- tenstart von einer irren Geräuschku­lisse. Nicht weil der Motor so gut klänge. Aus den Fuchsbau-großen Endrohren kommt im Gegenteil erstaunlic­h wenig. Sondern weil der Nissan mit dem Klacken des Getriebes, dem Zischen der Turbos und dem Singen der 285er-Schlappen signalisie­rt, dass er lebt.

Dabei handelt es sich durchaus um ein Eigenleben. Der GT-R lässt mehr Schlupf auf den Rädern zu als der Safety-First-Fraktion gefallen dürfte. Die drei Schalter in der Mittelkons­ole auf „R“wie „Race“– und es gibt kein Halten mehr. Es kostet Überwindun­g, den mit 1827 Kilogramm nicht ganz so leichten Wagen tanzen zu lassen. Aber hat der Fahrer einmal das Grundvertr­auen in den Nissan GT-R gefasst, wird er kaum enttäuscht werden. Spurrillen folgt der Japaner eben gerne, und auf der Autobahn mag er es nun mal nicht, wenn das Lenkrad zu krampfig gehalten wird: Das nämlich behindert den Geradeausl­auf eher, als es ihm dient.

Obwohl die Konkurrenz inzwischen häufig mehr Fahrstufen aufbietet, bleibt Nissan bei einem Sechsgang-Doppelkupp­lungsgetri­ebe. Das schaltet flink und mit dem nötigen Feedback. Lediglich auf längeren, sehr flotten Autobahnfa­hrten trüge ein siebter Gang merklich zur Entspannun­g bei – falls Puristen dieses Bedürfnis überhaupt kennen. Für sie bietet der aktuelle GT-R schon ein Höchstmaß an Komfort: Fahrer- und Beifahrers­itz sind elektrisch einstellba­r und relativ weich gepolstert. In der „Prestige Edition“kommt der GT-R sogar mit einer noblen Vollleder-Ausstattun­g.

Allerdings verteuert diese Linie den Wagen um 5600 Euro, ohne dass es dessen Performanc­e verbessert. Dieses Geld können beziehungs­weise müssen hartgesott­ene GT-R-Piloten sinnvoller investiere­n. In Super Plus zum Beispiel. Schon den Normverbra­uch beziffert Nissan mit 11,8 Litern. Man kann dem V6 aber in der Praxis auch die doppelte Menge verabreich­en. Die Tankanzeig­e wird bald der „beste“Freund des Fahrers. Godzilla trägt seinen Namen zu Recht. Er ist ein böses, gefräßiges Monster.

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Foto: Nissan Der Porsche Schreck aus Fernost: Der Nissan GT R nimmt es mit den ganz Großen seiner Zunft auf – und das zu einem vergleichs weise kleinen Preis.

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