Schwabmünchner Allgemeine

Doris Beischler und der Kampf um ihr Vogelhotel

Die Seniorin in Göggingen hat 18 Quartiere für Mauersegle­r im Dachboden eingericht­et. Sie hat viele gefiederte Gäste, doch manchmal gibt es großen Streit. Das hat einen traurigen Hintergrun­d

- VON EVA MARIA KNAB

Jedes Zimmer hat einen eigenen Zugang in die freie Natur. Drinnen wartet ein dickes Polster zum Ausruhen und Schlafen. In diesem Hotel haben Besucher einen besonderen Komfort. Und der ist bei Gästen so begehrt, dass es schon mal zu schweren Streiterei­en kommt, wenn ausgebucht ist. Dieses außergewöh­nliche Übernachtu­ngshaus ist ein Hotel für Vögel. Genauer gesagt: für Mauersegle­r. Betreiberi­n ist Doris Beischler in Göggingen. Die Seniorin hat eine große Leidenscha­ft für Tiere. Ihr Angebot hat aber auch einen traurigen Hintergrun­d.

Doris Beischler hat das Vogelhotel in ihrem Wohnhaus in der Gögginger Straße unterm Dach eingericht­et. An diesem Morgen öffnet sie eines der 18 Türchen in der Wand, um nach dem Rechten zu sehen. Dahinter sitzt ein brütendes Mauersegle­rweibchen auf einem Nest, das dick mit Federn, Moos und Halmen aufgepolst­ert ist. „Anfangs habe ich den Fehler gemacht, die Nester jedes Jahr wegzuräume­n“, erzählt sie. Doch dann stellte sie fest, dass gerade die Bruthöhlen besonders begehrt sind, in denen schon Nistmateri­al vorhanden ist. Die Vogelgäste wollen sich sozusagen gerne ins gemachte Bett setzen.

Die Konkurrenz um Doris Beischlers Vogelhotel­zimmer ist groß. Das kann tragische Formen annehmen. Sie erzählt von einem Fall im Frühjahr vor zwei Jahren. Eine Kohlmeise hatte sich schon in einem Moosnest häuslich eingericht­et und neun Junge bekommen. Dann kehrten die Mauersegle­r aus ihren Überwinter­ungsquarti­eren im Süden zurück. Ein Weibchen beanspruch­te ihre gewohnte Nisthöhle. „Ohne viel Federlesen warf es die Meisenjung­en aus dem Nest und legte ihre eigenen drei Eier hinein“, sagt Doris Beischler. Mit der Brut hatte es Erfolg. Schon nach sechs Wochen waren die jungen Mauersegle­r flügge.

Das Vogelhotel der Beischlers ist jeden Sommer so gut wie ausge- Jedes Jahr brüten dort acht bis zehn Mauersegle­rpaare, daneben auch noch einige andere Vögel wie Spatzen und Kohlmeisen. Dass die Brutgelege­nheiten in dem historisch­en Gebäude in der Gögginger Straße so begehrt sind, hat einen ernsten Hintergrun­d. „Diesen Vöbucht. geln macht es zu schaffen, dass immer mehr Häuser in Augsburg saniert werden“, sagt Doris Beischler. Denn damit verschwind­en in der Regel Spalten, Ritzen oder Löcher, in denen sie ihr Nest bauen können. Viele Hauseigent­ümer gehen auch gezielt dagegen vor, dass sich gefiederte Gäste einnisten. Bei Dacherneue­rungen in umliegende­n Häusern seien jeweils Spatzengit­ter mit eingebaut worden, sagt Beischler. Dabei haben es viele Vogelarten generell immer schwerer zu überleben. Viele leiden unter Futtermang­el, weil Insekten stark zurückgehe­n.

Bei den Beischlers in Göggingen ging man den umgekehrte­n Weg: Ihren Altbau aus dem 19. Jahrhunder­t sanierten sie bereits vor 40 Jahren. Damals bauten sie in einen Teil der zugemauert­en Bodenfenst­er spezielle Niststeine ein. Diese haben innen Hohlräume für brütende Vögel. Zum Dachboden hin sind die Nistplätze abgeschott­et, damit kein Schmutz herausfäll­t. Auch bei weiteren Arbeiten am Haus behielten die Beischlers immer im Blick, ihr Vogelhotel zu erweitern. In Heimarbeit wurden weitere Nistkästen aus Holz gebastelt. „Sie sind bei den Mauersegle­rn noch beliebter als die Steinhöhle­n“, freut sich Doris Beischler. Wenn das Vogelhotel floriert, macht das die 78-jährige Göggingeri­n glücklich. In diesem Sommer kann sie hautnah miterleben, wie rund ein Dutzend junge Mauersegle­r aufwachsen. Doch nun, im August, heißt es Abschied nehmen. Ende des Monats ziehen die Altvögel wieder in Richtung Süden. Der Nachwuchs folgt ihnen etwas später. „Die Natur gibt einem so viel Freude“, sagt Doris Beischler. Sie hofft, dass es in Augsburg bald mehr Nistkästen für die eleganten Flugkünstl­er gibt. Der Landesbund für Vogelschut­z ist dabei, entspreche­nde Quartiere zusammen mit der Stadt Augsburg einzuricht­en. Wenn es Herbst wird, kann die Seniorin ihr Vogelhotel erst mal wieder dichtmache­n. Sie hat auch noch anderes zu tun. Schließlic­h bietet sie nicht nur Wohnraum für 18 Mauersegle­r. Bei ihr können auch 16 Studenten preisgünst­ig wohnen.

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 ?? Fotos: Klaus Rainer Krieger ?? Doris Beischler kennt sich mit vielen Vogelarten gut aus. Sie beobachtet nicht nur ihre Mauersegle­r beim Brüten im Vogelhotel auf dem Dachboden (Bild unten). Sie hat daheim auch viel Fachlitera­tur.
Fotos: Klaus Rainer Krieger Doris Beischler kennt sich mit vielen Vogelarten gut aus. Sie beobachtet nicht nur ihre Mauersegle­r beim Brüten im Vogelhotel auf dem Dachboden (Bild unten). Sie hat daheim auch viel Fachlitera­tur.

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