Das Frauenhaus kämpft um mehr Personal
Vergangenes Jahr zog die Einrichtung in ein neues, moderneres Gebäude. Doch eine ordentliche Unterkunft ist für die Frauen, die dort Hilfe suchen, nicht das Wichtigste. Warum zuletzt Bewerberinnen abgewiesen wurden
Gabi Seibold* hat lange für diesen Schritt gebraucht. Im Januar wandte sie sich mit ihrer Tochter, 24, und ihrem Sohn, 8, ans Augsburger Frauenhaus – und fand dort Unterschlupf. In den vergangenen Monaten hat sie Abstand gefunden von ihrem Mann und ihrem früheren Leben. Doch der Weg in eine eigenständige Zukunft ist für sie und ihre Kinder nicht einfach. 25 Jahre war sie mit ihrem Mann verheiratet, 25 Jahre, in denen sie viel ertragen musste. „Ich wurde von ihm und seiner Mutter unterdrückt und isoliert. Das war psychische Gewalt.“Sie lebten in ländlichen Gegenden ohne großen Kontakt zu Nachbarn. Gabi Seibold hat keinen Führerschein, nach der ersten Schwangerschaft half die Arzthelferin im Haushalt und auf dem Hof mit. Am Ende fühlte sie sich wie eine Gefangene und wollte nur noch raus aus dieser Situation. Sie meldete sich im Frauenhaus und hatte Glück.
Ihre Kinder und sie bekamen einen Platz. Das ist nicht immer so: Allein im Jahr 2017 mussten 125 Frauen in Augsburg abgewiesen beziehungsweise an andere Stellen verwiesen werden, so Birgit Gaile, Leiterin des Augsburger Frauenhauses, das für die Stadt Ausburg sowie die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg und Landsberg zuständig ist. 153 Frauen und Kinder konnten aufgenommen werden.
Die Einrichtung ist 2017 in einen sanierten Wohnblock umgezogen. Die Zimmer und Büros sind hell und freundlich, die Frauen und ihre Kinder sind in kleinen Apartments untergebracht, die über eine eigene Küche und ein Bad verfügen. 2,8 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, das die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die der Träger der Augs- burger Einrichtung ist, mit Unterstützung des Deutschen Hilfswerkes, der Bayerischen Landesstiftung und Sternstunden gestemmt hat.
„In unserer früheren Einrichtung haben wir uns teilweise geschämt, als wir den Frauen ihre Unterkünfte gezeigt haben“, erzählt Sozialpädagogin Marie-Jeanette Gillmann. In anderen bayerischen Frauenhäusern würden die Frauen im Mehrbettzimmer mit Etagendusche leben. In Augsburg ist das anders. Hier können die Kinder in einem geschützten Garten, der von außen nicht zugänglich und nicht einsehbar ist, spielen. Es gibt Aufenthaltsbereiche, die von den Bewohnerinnen ge- meinsam genutzt werden. Für die Kinder gibt es altersgerechte Spielräume, die die Sozialpädagoginnen Eva Brenner und Julia Blind in ihre Arbeit mit einbinden – wenn Zeit bleibt. Denn die ist dünn gesät.
21 Frauen und 21 Kinder leben in der Augsburger Einrichtung. Dem gegenüber stehen rein rechnerisch 2,5 Personalstellen, die sich um die Frauen kümmern – 1,5 für die Personen, die Kinder unter ihre Fittiche nehmen, und eine halbe Stelle für die Verwaltung. „Zu wenig“, wie die Leiterin des Frauenhauses betont. Denn es bleibe viel Zeit für die Verwaltungstätigkeiten und Vernetzung auf der Strecke. Die Frauen müssten bei existenzsichernden Maßnahmen, wie das Stellen eines Hartz-IV-Antrags oder Besuchen im Jobcenter oder dem Amt für Soziale Leistungen betreut werden. Daneben müssten die Bewohner monatlich abgerechnet werden. Wenn jemand ausziehe, müsse das Apartment für die neuen Bewohnerinnen hergerichtet werden. Die hauseigene Kleiderkammer, die die Bewohner mit SecondhandKleidung versorgt, müsse betreut, anfallende Reparaturarbeiten erledigt werden. „Wenn ein Brief vom Amtsgericht kommt, in dem steht, dass der Vater das Umgangsrecht für das Kind beantragt hat, löst das oft eine Krise aus. Wir betreuen und beruhigen die Frauen“, erzählt Eva Brenner aus dem Alltag. Für solch einen Fall benötige es Zeit, die in der Regel aber knapp bemessen ist.
Nachdem der Schutz von Frauen und Kindern eine staatliche Aufgabe ist, hat der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt erst kürzlich eine Resolution veröffentlicht, in der er eine angemessene Unterstützung der Träger der Frauenhäuser im Freistaat fordert. Denn auch der von Bayerns CSU-Sozialministerin Kerstin Schreyer auf den Weg gebrachte Drei-Stufen-Plan, der unter anderem im Nachtragshaushalt 2018 eine zusätzliche Förderung von 1,5 Millionen Euro für alle bayerischen Einrichtungen beinhaltet, reiche nicht aus, so Gaile.
Es bräuchte zusätzliche Stellen, damit eine vorausgehende Beratung, Krisenintervention und eine längerfristige Beratung und Nachbegleitung der Betroffenen möglich sei. Die Rufbereitschaft außerhalb der Arbeitszeiten werde derzeit von den Mitarbeitern ehrenamtlich aufrechterhalten, die diesen Dienst zusätzlich übernehmen müssten. „Die Frauen, die Hilfe in unserer Einrichtung suchen, haben einen erhöhten Unterstützungsbedarf, da sie oft mehrere Probleme haben. Sie sind traumatisiert, verschuldet oder haben gar keine Einkünfte“, sagt Gaile. Auch die Kinder würden sehr unter den gescheiterten Beziehungen leiden, in denen sie oft Gewalt erlebten. Sie bräuchten zusätzliche sozialpädagogische Unterstützung.
Gabi Seibold hat im Frauenhaus ihr Leben neu sortiert. Wenn alle behördlichen Fragen geklärt sind, will sie den Neuanfang mit ihren Kindern wagen und sich Wohnung und Job suchen. „Ich will nie wieder in die Abhängigkeit rutschen“, sagt sie.
*Name geändert