Vorwürfe und eine Entschuldigung
Gladbecker Geiseldrama schockierte vor 30 Jahren das Land
Hannover Es waren drei atemlose, höllische Tage im August 1988. Live verfolgte die Öffentlichkeit die Geiselnahme von Gladbeck, die als eins der aufsehenerregendsten Verbrechen in die deutsche Geschichte eingegangen ist. Millionen Menschen kennen die Frau, die sich zum 30. Jahrestag des Dramas zu Wort gemeldet hat. Ines Voitle war selbst Geisel – und erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizei, Medien und Staatsanwaltschaft: „Keine Zugriffe beim Einkaufen, beim Essengehen. Dann immer wieder die Frage, welche Polizei jetzt zuständig ist – das Nicht-miteinander-Kooperieren“, beklagt die Frau, die nach der Tat an psychischen Problemen litt, in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Mehr als 19 Stunden befand sich Voitle in der Gewalt der Geiselgangster Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski. Sie überlebte am 18. August 1988, getroffen von einer Polizeikugel, leicht verletzt die Befreiungsaktion eines Sondereinsatzkommandos auf der A3 zwischen Köln und Frankfurt. Bei dem Zugriff starb ihre Freundin Silke Bischoff. Im späteren Prozess wurde Rösner für den tödlichen Schuss zur Verantwortung gezogen. Voitle sagte nun: „Ich glaube daran nicht. Er hätte es nicht gewagt, Silke zu erschießen. Die Polizei hat Silke erschossen.“Es sei wie bei ihr „eine Kugel von draußen“gewesen.
Voitle widerspricht damit Gutachten, die nach der Tat ergaben, dass Bischoff durch eine Kugel aus Rösners Waffe gestorben ist. Die Polizei habe sich bis heute nicht bei ihr entschuldigt, klagte die Gladbeck-Geisel. „Das kommt jetzt noch. Der Bremer Senat trifft sich mit mir und will wissen, wie es mir geht. Besser spät als nie.“
Das Geiseldrama von Gladbeck begann am 16. August 1988 mit einem Überfall auf eine Filiale der Deutschen Bank im Gladbecker Stadtteil Rentfort-Nord. Insgesamt 54 Stunden flohen die Gangster mit Geiseln quer durch Deutschland und die Niederlande. Zwischenzeitlich brachten sie in Bremen einen voll besetzten Bus in ihre Gewalt, unter den Insassen Ines Voitle und Silke Bischoff. Am Ende starben drei Menschen.
Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hat zum 30. Jahrestag Fehler der damaligen Behörden eingestanden. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will die Mutter von Silke Bischoff um Vergebung bitten. „Auch der Staat muss, wenn er Fehler macht, dies eingestehen“, sagte Laschet. Dies habe die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen lange versäumt. Er wolle das jetzt „korrigieren“.
Einer der Täter, Dieter Degowski, war Anfang des Jahres aus der Haft entlassen worden, sein Komplize Rösner sitzt dagegen weiter im Gefängnis.