„Ich kenne die Brücke, ein ziemlich altes Ding“
Der Ex-Chef des A-8-Ausbaus, Gianluca Beraldo, ist entsetzt. Schulleiter Peter Krauß sieht den Unglücksort im Urlaub in Genua mit eigenen Augen. Was die beiden als Ursache vermuten und warum die Brücken im Landkreis sicher sind
Den Krater und die Betonberge hat Peter Krauß am Mittwochmorgen mit eigenen Augen gesehen. Der Schulleiter des Paul-Klee-Gymnasiums Gersthofen macht gerade in Genua Urlaub. Fassungslos betrachtete er während einer Wanderung an einem Berg in der Nähe der Stadt die Unglücksstelle von Weitem. Er konnte es kaum glauben, dass die Autobahnbrücke eingestürzt ist. „Direkt war ich noch nicht vor Ort. Es ist sowieso alles weiträumig abgesperrt und ich halte nichts von Katastrophentourismus.“
In den Cafés, an den Plätzen, in den Geschäften: Egal, wo man sich in Genua befindet, die Leute diskutieren nur über ein Thema. Am Mittwochabend hat Krauß in einer Bar einen Mann kennengelernt, dessen Bekannte bei dem Unglück gestorben ist, berichtet Krauß. Die Zeitungen sind voll mit den Fotos der Opfer, es werden Schuldzuweisungen und hergeschoben. Die Regierung sei schuld, die EU und die Autobahnbetreiber. Krauß: „Die Leute wollen, dass die Verantwortlichen für ihre Fehler zur Rechenschaft gezogen werden.“
Von einer Sekunde auf die andere stürzte am Dienstag ein mehr als 100 Meter langes Straßenstück der Morandi-Brücke in Genua in die Tiefe. Autos wurden 40 Meter weit hinabgerissen, Lastwagen krachten in den Fluss Polcevera. Mindestens 37 Menschen starben bisher, zahlreiche Helfer suchen in den Trümmern nach weiteren Opfern.
Die Autobahnen werden in Italien von verschiedenen privaten Gesellschaften betrieben. Sie pachten und warten die einzelnen Abschnitte. Auf Zeitungsbildern habe man erkennen können, dass die Brückenpfeiler, die noch stehen, vor ein paar Jahren mit schwarzen Seilen verstärkt worden seien, sagt Krauß. „Die eingestürzten Pfeiler sind nicht nachgebessert worden. Man sieht in der Zeitung: Dort sind keine Seile.“Peter Krauß hat schon oft auf der Fahrt in den Urlaub den Weg über die A 10 an der Morandi-Brücke genommen. Die „Autostrada dei Fiori“gilt als beliebte Strecke für Urlauber. „Es ist schließlich eine wichtige Verbindung nach Frankreich und nach Mailand.“Die A 10 ist jedoch nicht die einzige Autobahn, die Genua mitten in der Stadt durchkreuzt. „Die Italiener sind meisterliche Autobahnbauer. Aber die Brücken müssen eben auch gewartet werden.“
Von dem Unglück in seinem Heihin- matland hat Bauingenieur Gianluca Beraldo am Mittwochabend erfahren. Der gebürtige Italiener war im Augsburger Land jahrelang als Geschäftsführer des Konsortiums Pansuevia, das die A8 zwischen Augsburg und Ulm/Elchingen errichtet hat. Gerade macht er Urlaub in Island. Er sagt: „Ich bin entsetzt. Mit großem Schrecken habe ich die Artikel über das Unglück gelesen.“
Bisher deutet alles auf strukturelles und menschliches Versagen hin, erklärt der Bauingenieur. Aber es werde wohl eine ganze Weile dauern, bis die Behörden die genaue Ursache herausgefunden haben. „Ich kenne die Brücke, ein ziemlich altes Ding.“Beraldo arbeitet seit vielen Jahren als Bauingenieur, eine Brücke hat er in Italien aber nie gebaut. „Nur einen Tunnel. Deshalb kann ich nicht viel zur Ursache sagen.“
Auch Benjamin Wunderer von der Abteilung Brückenbau des Staatlichen Bauamts Augsburg möchte sich noch nicht zur Ursache äußern. Dafür gibt er Entwarnung fürs Augsburger Land: „Dass so ein Unglück bei uns passiert, ist unwahrscheinlich. Wir kontrollieren unsere Brücken sehr gut und sehr regelmäßig.“
Vorgeschrieben ist, dass Bauwerke ab zwei Meter Länge alle sechs Jahre kontrolliert werden müssen. Das ist die Hauptprüfung. Dabei nehmen die Kontrolleure alle Abdeckungen und Verkleidungen ab und prüfen die Substanz handnah. Zusätzlich finden alle drei Jahre einfache Prüfungen statt, und jährlich nimmt ein speziell geschultes Personal noch einmal die Brücke ab. „Selbst die ältesten Bauwerke sind so sehr gut überwacht.“Die ältesten im Landkreis sind weit über 100 Jahre alt. „Es gibt durchaus Bauwerke von 1890, das sind vor allem die kleinen.“Die meisten Brücken stammen aus den 1950er-Jahren. „Man schätzt, dass sie zwischen 70 und 100 Jahre halten können.“ SCHWABMÜNCHNER ALLGEMEINE