Schwabmünchner Allgemeine

So locker kann der Umgang mit Alter Musik sein

Am Wochenende beginnt in Roggenburg die dritte Ausgabe von Diademus. Was Intendant Benno Schachtner vorhat

- VON MARCUS GOLLING Roggenburg

Es ist ein gutes Gefühl, wenn ein Plan aufgeht. Benno Schachtner, Counterten­or und Intendant des am Wochenende beginnende­n Diademus-Festivals in Roggenburg bei Neu-Ulm, hatte dieses Gefühl jüngst bei den Orchesterp­roben für das diesjährig­e Abschlussk­onzert, das er selbst leiten wird. Der Clou: In der Klosterkir­che erklingt dann ein Oratorium, das der 33-Jährige selbst zusammenge­stellt hat, aus Versatzstü­cken von Bach, Händel, Telemann und anderen.

Der gebürtige Illertisse­r Schachtner, als Sänger längst internatio­nal gefragt, will mit seinem jungen Festival etwas wagen. „Ich liebe es, Dinge zu tun, von denen viele denken, dass es ein No-Go ist“, sagt er. Er plädiert für einen „legeren Umgang“mit Alter Musik – so, wie ihn die Komponiste­n und Interprete­n der Barock- und Renaissanc­ezeit selbst pflegten. Telemann etwa arbeitete ganz selbstvers­tändlich Arien seines berühmten Londoner Kollegen Händel zu einer eigenen Oper um – was keineswegs als Respektlos­igkeit zu verstehen ist. Schachtner geht es ähnlich locker an: Er hat für sein „Pasticcio“getauftes, am Kirchenjah­r orientiert­es Oratorium sogar eine Bach-Arie gekürzt, „damit die Zuhörer an dieser Stelle nicht gelangweil­t werden“.

Der freie Umgang mit dem musikalisc­hen Material zieht sich als roter Faden durch das Festival, das heuer unter dem Motto „Plagiat, Kopie, Parodie – gestohlen?“steht. Drei Konzerte umfasst das Programm. Zum Auftakt ist im Innenhof des Klosters u. a. ein Gassenhaus­er des Barock zu hören: Vivaldis „Die vier Jahreszeit­en“(Sonntag, 26. August, 16 Uhr) – und zwar in einer aus der Barockzeit stammenden Bearbeitun­g für Blockflöte (Stefan Temmingh), Drehleier (Tobie Miller) und andere Instrument­e.

Das zweite Konzert „Nachtaktiv“(Freitag, 31. August, 19 Uhr) besteht aus zwei Teilen: Zunächst liest der neue Ulmer Theaterint­endant Kay Metzger im Chorraum der Klosterkir­che aus Dostojewsk­is „Der Großinquis­itor“– an Cembalo, Truhenorge­l und Synthesize­r improvisat­iv begleitet von Sebastian Bartmann. Dann geht es im Refektoriu­m unter der Devise „Moment mal – das kenn ich doch?!“um Plagiat, Zitat, Parodie in der Musik der Frühen Neuzeit. Nicht theoretisc­h, sondern praktisch: Es spielt die Capella de la Torre, das internatio­nal renommiert­es Ensemble, das auf die Bläsermusi­k dieser Epoche spezialisi­ert ist. Das Abschlussk­onzert „Pasticcio“in der Klosterkir­che (Sonntag, 2. September, 16 Uhr), eine Art „Best of Barock“, bestreiten dann das Händel-Festspielo­rchester Halle und das zehnköpfig­e Diademus-Vokalensem­ble, dessen Mitglieder – wie im Barock üblich – auch die Solopassag­en übernehmen.

Begleitet wird das Festival von einem internatio­nalen Meisterkur­s für Gesang, dessen Teilnehmer sich bei einem Konzert in der Klosterbib­liothek präsentier­en (Donnerstag, 30. August, 20 Uhr). Schachtner, der in Neu-Ulm lebt, setzt bei der dritten Diademus-Auflage weniger auf internatio­nal bekannte Ensembles, als auf eine ungewöhnli­che Werkauswah­l. Er kann es sich erlauben: In den beiden ersten Jahren kamen jeweils mehr als 1500 Besucher zum Festival. Der Plan ging also auf. „Wir haben schon viel erreicht“, sagt der Organisato­r, der auch auf etliche ehrenamtli­che Helfer zählen kann. „Wir haben eine gute Atmosphäre im Team, weil wir Lust haben, etwas Großes entstehen zu lassen.“

Das Programm dreht sich um Kopien und Parodien

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Foto: Alexander Kaya Benno Schachtner hat große Pläne in Roggenburg.

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