Krieg der Automaten verdrängt Kneipensport
Zwei Bobinger schlagen zurück und wollen mit modernen Flippern über Geldmaschinen triumphieren
Wenn einem beim Anblick eines alten Student Prince, eines Big Chief oder eines im Vergleich fast schon neumodisch anmutenden Terminators die Zeigefinger flattern und die Hände sich verkrampfen, als müssten sie gleich einen zentnerschweren Kasten aus dem Gleichgewicht bringen, dann muss man ein alter Rocker sein oder als jugendlicher Schüler vom Land die Wartezeit auf den Zug nach Hause mehr in alten Wirtschaften statt in Wartehäuschen vertan haben. Es geht um Flipper – und um ein Stück 70er-, 80-er Jahre, um Kneipenkultur sowie die Hoffnung, dass nicht immer alles schlechter wird.
Eigentlich heißen sie Pinballs, denn sie sind Weiterentwicklungen alter, schräg gestellter Spielbretter, auf denen sich Bälle schon im 18. Jahrhundert den Weg an Nägeln und Löchern vorbei gesucht haben sollen. Aus Wirtschaften sind die elektrischen Monster der 1950er- bis 1980er-Jahre längst verschwunden, als einfaches Kinderspielzeug gibt es die Urform noch im Kleinformat. An der Lindauer Straße in Bobingen steht ihre modernste Generation.
Ihr Merkmal: voll elektronisch. Computer mit LED-Schirm. Unübersehbare Größe und beeindruckendes Aussehen. Ihre Mission: Sie sollen einen Krieg der Automaten beenden und das Flippern wieder zum Kneipensport machen. Das hat natürlich seine Vorgeschichte: Die alten Ladenräume in Bobingen waren auch schon mal ein Versicherungsbüro, heute sind sie Elektronikwerkstatt, Onlineshop und vor allem die Herzkammer zweier leidenschaftlicher Tüftler und PinballSpieler.
Christian Dobler und Oliver Rast bauen hier ihre Geräte selbst, vor allem entwerfen sie neue Spiele und programmieren die Software für das Lichterspiel auf dem großen, hochkant gestellten Monitor, der das Spielfeld der Vorläufer abgelöst hat. Ihr Ziel: Sie wollen den in die Ecken von Spielsalons verdrängten Geschicklichkeitsgeräten wieder Aufmerksamkeit und Platz in der Öffentlichkeit verschaffen.
Es waren andere Automaten, die die Flipper schon vor Jahren verdrängten. Ihr Merkmal: Hunger auf Geld und eine schlanke Figur. Sie sind gerade an der Macht. Ihnen geht es nicht um Geschicklichkeit, auch nicht um das Wetteifern ganzer Gruppen von Mitspielern, die einst mit Gläsern voller Bier oder Spezi um die klassischen Flipper standen, während der Wirt die Lautsprecher aufdrehte, weil The Who gerade „Pinball Wizard“rockte.
Der Spaß hatte ein Ende, als Geräteverkäufer den Wirten zuflüsterten, dass Flipper und Billardtische nur Sitzplätze wegnehmen und dass Automaten gefälligst mehr Geld bringen sollten. So flogen die Flipper ebenso raus wie die Billardtische, die Geldspielautomaten besetzten erst die Wände zu den Toilettenabgängen, dann vermehrten sie sich so stark, dass sie inzwischen eigene Spielerlokalitäten beherrschen.
Doch der Glaube versetzt Berge, sagt man. Dobler und Rast begannen zunächst, ihr kleines Garagenunternehmen von Wehringen nach Bobingen zu versetzen. Sie tauften es auf den Namen DoRa-Pinball und machten ihr Hobby zum Nebenberuf. Das war vor gut zwei Jahren.
Leben können sie davon noch nicht, doch der Feierabendjob im eigenen Betrieb scheint auch weniger nötiger Zuverdienst zu sein als vor allem ein Feld ihrer Leidenschaft für eine virtuelle Welt, durch die ständig eine glänzende Stahlkugel flitzt, immer wieder aus der Bahn geworfen wird oder durch gezielte Stöße der beiden Schaufeln (Flipper) neue Felder der Spielarena erobert. Dabei zischt, klingt, kracht und blinkt es – im Idealfall sprüht ein ganzes Feuerwerk über den Monitor. Je länger das geht, umso besser. An Geld bringt das dem Wirt höchstens eine Münze. Warum sollte der sich also wieder einen Flipper ins Lokal holen? Oliver Rast hätte ihm da schon einiges zuzuflüstern: Kneipensport bringe Gäste – und zwar gruppenweise. Die heutige Pinball-Generation sei zudem billiger im Einsatz als die alten Flipper-Kästen. Der erste alte Spielautomat, den sich Dobler und Rast kauften, war innen voll von Kabeln und Tausenden Lötstellen. Gummibänder, Drahtbügel und Stangen boten weitere Ansatzpunkte für Verschleiß und Ausfälle. Die Wartungskosten verschlangen meist alle Einnahmen. Der Beweis steht noch immer in dem Pinball-Laden in Bobingen.
Die neuen Geräte unterbieten in der Anschaffung mit guten 3000 Euro das, was Wirte einst in D-Mark für alte Apparate zahlten, und sehen dennoch aus wie kultige Flipperautomaten – zumindest, sobald sie eingeschaltet sind und der Bildschirm erwacht. Und ihr Anblick weckt bei Kneipenbesuchern erst schöne Erinnerungen und dann Wettkampffieber. Langweilig werde es nie, verspricht Oliver Rast, denn per Knopfdruck lassen sich ganz unterschiedlich gestaltete Spieloberflächen starten. Viele Flipper in einem also. So wollen er und Christian Dobler zwar in keinen neuen Krieg ziehen, aber in die Welt der Automaten wieder etwas Kneipensport und Geselligkeit bringen.