Sie pflegen gute Nachbarschaft
Im Viertel um die Füssener Straße in Königsbrunn herrscht seit 40 Jahren ein guter Zusammenhalt. Der zeigt sich unter anderem in einem Sandlplatz-Fest ohne Sandkasten und einem Maibaumfest, das ohne Maibaum auskommt
Wenn sich Erwachsene zu einer Party am Sandlplatz treffen, dann hört sich das etwas kurios an – sind es doch eher Kinder, die man hier vermutet, anzutreffen. Doch die Kleinen hätten nur wenig Interesse an dem Sandkasten gehabt, erzählt Günter Pabst, da es in der Nähe einen Abenteuerspielplatz mit viel größerer Anziehungskraft gab.
Er und Leo Austermann gehören zu den Mitorganisatoren der Sandlplatz-Bier-Party, die in diesem Jahr zum 40. Mal stattfand. Und er erklärt, wie es dazu kam. Als Ende der 1970er-Jahre alle ihre Bungalows in der Füssener Straße bezogen, kamen sich die Nachbarn schnell näher. Jeder war am Werkeln und Gestalten. Über dem Gartenzaun hinweg wurde die Gestaltung diskutiert, und man half sich mit Werkzeug aus. Überall gab es ein reges Miteinander, nur eben der Sandkasten nebenan war wegen des oben genannten Grundes verwaist.
So entstand die Idee, hier doch einmal ein Nachbarschaftsfest zu feiern. Es sollte nicht aufwendig sein. Einer schmeißt den Grill an, und alle bringen mit, was sie darauflegen wollen. Salate werden auf die Mitte des Tisches gestellt, und jeder bedient sich, Besteck und Geschirr bringt jeder für sich selber mit. Pabst zeigt die erste Einladung, die er damals noch per Hand gestaltet hat. Die Maß Bier vom Fass kostete damals 1,50 Mark – heute ist das Bier manchmal kostenlos: „Wir haben oft einen Spender, jemand hatte Jubiläum, einen runden Geburtstag, die Geburt eines Enkels – es gibt immer einen Grund, anzustoßen“, sagt Pabst.
Apropos Enkel: Die Kinder, die damals den Sandkasten verschmähten, sind mittlerweile erwachsen, aber immer noch eingeladen und bringen ihre Familien mit. So kamen zur diesjährigen SandlplatzBier-Party über 60 Personen, darunter auch Bürgermeister Franz Feigl. Denn auch das hat Tradition, dass der jeweilige amtierende Bürgermeister zu den runden Nachbarschaftspartys eingeladen wird. 26 Familien gehören zum „Füssener Straße-Harter-Kern“, wie sich die Nachbarschaftsgruppe nennt. Zieht jemand fort, wird sein Nachfolger eingeladen – und natürlich auch der Weggezogene.
Denn die gute Nachbarschaft führt zu persönlichen Kontakten und wird auch anderweitig gepflegt: Während der Urlaubszeit wirft man ein Auge auf das Nachbarhaus, und Notfallschlüssel sind hinterlegt. Als die Kinder noch jünger waren, wurden gemeinsame Zoobesuche und Radtouren organisiert und einmal auch eine Weihnachtsfeier. Einige Nachbarn musizieren gemeinsam, gerne auf den Nachbarschaftsfesten.
Den Sandkasten gibt es übrigens schon lange nicht mehr. Den hat die Stadt wegen mangelnder Nutzung abgebaut, dafür gibt es jetzt eine kleine Wiese mit Bäumen und Parkbänken. Aber der Name von der Sandlplatz-Bier-Party ist geblieben, genauso wie das Maibaumfest, obwohl es jetzt keinen Maibaum mehr gibt. Aber das tut der Sache keinen Abbruch, gefeiert wird am 1. Mai trotzdem. 2015 haben die Organisatoren zur 32. Maibaumfeier mit Maibaum eingeladen, seitdem feiert man halt ohne – geht auch. Den Stamm aus dem Wald holen, schälen, streichen und auf einem der Flachdächer vor Maibaumdieben zu verstecken, war mühsam. „Wir werden nicht jünger“, sagen Pabst und Austermann unisono.
Jeder Nachbar hatte sein Schild für den Festbaum selber entworfen und gefertigt. Das Maibaumfest starten die Nachbarn gerne mit einem Weißwurst-Frühstück, die Sandlplatz-Bier-Party geht in die lauen Sommerabende hinein, und sollte das Wetter mal nicht mitspielen, sitzen alle unter dem großen Zelt geschützt. Das hat sich die Gemeinschaft extra für ihre Feste angeschafft. Da 40 Jahre eine lange Zeit ist, bot sich Karl-Heinz Reichelt als Chronist an und hat alle Feste in Bildern festgehalten. Und bei den Zusammenkünften zeigt er zur Freude aller die Fotos aus vier Jahrzehnten Nachbarschaft in einem Lichtbildervortrag.