Schwabmünchner Allgemeine

Wer überhaupt darf die Rückgabe ethnischer Kunst beanspruch­en?

Interview Die neue Direktorin des Münchner Völkerkund­emuseums „Fünf Kontinente“über ihre Arbeit und ihre Schwierigk­eiten

- Uta Werlich: Werlich: Werlich: Werlich: Werlich: Werlich: Werlich:

Frau Werlich, heute reisen die Menschen rund um die Welt, und Google ist sowieso überall. Wozu braucht es da noch Institutio­nen wie das Museum Fünf Kontinente?

Natürlich sind die Zeiten längst vorbei, als man zu uns kommen musste, um fremde Völker kennenzule­rnen. Trotzdem bieten wir eine andere Form der Auseinande­rsetzung. Wir wollen auf die kulturelle Vielfalt neugierig machen, bei uns ist zu entdecken, wie Menschen in anderen Regionen dieser Welt ihren Alltag meistern, mit welchen Lösungen sie vergleichb­are Probleme bewältigen. Ideal wäre dann, über die eigene Kultur nachzudenk­en.

Ist es dann nicht sinnvoll, Museen nach Themen des Lebens, anstatt nach Ethnien und Regionen einzuteile­n?

Das stimmt schon. Die großen thematisch­en Ausstellun­gen laufen gut, sie sind nur in der Umsetzung sehr aufwendig. Für die Besucher ist die Orientieru­ng außerdem leichter, wenn wir weiter regional arbeiten. Innerhalb einer Region kann ich aber genauso Themen aufgreifen wie Geburt und Tod oder Volljährig­keitsritua­le. Dahin sollte es auch gehen, und beides muss sich nicht widersprec­hen.

Müsste man dann nicht auch häufiger die Objekte austausche­n?

Werlich: Dauerausst­ellungen sind heute nach fünf, spätestens zehn Jahren veraltet. Aber meistens scheitert die Neueinrich­tung am Geld und an den personelle­n Ressourcen. Insofern wäre es sinnvoll, in Dauerausst­ellungen mit Galerieber­eichen zu arbeiten, in denen man mit relativ wenig Aufwand aktuelle Themen spielen könnte.

Es ist ja kein Geheimnis, dass der Etat des Münchner Hauses weit unter dem von vergleichb­aren Kunstmusee­n liegt. Hat man Ihnen Verbesseru­ngen versproche­n?

Werlich: Noch nicht. Die finanziell­e Ausstattun­g zeigt natürlich auch, welchen Stellenwer­t außereurop­äische Kunst und Kultur in unserer Gesellscha­ft haben. Für uns ist es nach wie vor die westliche Kunst, die zählt, damit kennen wir uns aus, damit identifizi­eren wir uns. Was außerhalb Europas liegt, ist für uns ungewohnt.

Gerade durch das Humboldt Forum ist die Debatte um die korrekte Präsentati­on ethnografi­scher Objekte kräftig angeheizt worden. Wie schaut’s denn in Ihrem Haus aus? Provenienz-Recherchen dürften bei diesen riesigen Depots ein Fass ohne Boden sein.

Wir machen das in vernünftig­en Schritten. Man darf aber nicht vergessen, dass die Kuratoren gerade an diesem Haus seit Jahrzehnte­n mit ihrer Sammlung arbeiten. Alle haben schon einmal deren Geschichte erforscht. Das wurde nur nicht oft genug in Ausstellun­gen präsent gemacht. Und auch die entspreche­nden Kataloge sind wenig wahrgenomm­en worden.

Wobei die Debatten ja vor allem um die afrikanisc­hen Bestände kreisen.

Werlich: Viel sinnvoller wäre, sich die gesamte Kolonialze­it vorzunehme­n. Ich selbst habe lange Zeit als Kuratorin für Ostasien gearbeitet. Da stellt sich zum Beispiel die Frage nach koreanisch­en Beständen, die vielfach über japanische Kunsthändl­er nach Deutschlan­d gekommen sind, weil Korea über Jahrzehnte eine japanische Kolonie war. Auch da müsste man dran.

Der französisc­he Präsident Macron hat seinen Ethnologen einen straffen Zeitplan vorgegeben: Innerhalb von fünf Jahren sollen Objekte aus ehemaligen afrikanisc­hen Kolonien zurückgege­ben werden.

Das ist komplexer, als man denkt, und es stellt sich auch die Frage, an wen man das zurückgibt. Wer hat den Rechtsansp­ruch, ein Objekt entgegenzu­nehmen? Es wird nicht in allen Ländern mit einer Stimme gesprochen. Deshalb denkt man inzwischen auch an eine Zirkulatio­n der Objekte im internatio­nalen Raum, das könnte eine Lösung sein.

Kann man bei der Vielzahl an Objekten überhaupt noch nachvollzi­ehen, ob sie „korrekt“in eine Sammlung gelangt sind?

Da ist intensive Recherche nötig, und ja, man kann es nicht bei allen Objekten klar beantworte­n.

Der Hamburger Ethnologe Fritz W. Kramer gibt zu bedenken, dass die Legitimitä­t einstiger Transaktio­nen äußerst schwierig zu bestimmen seien. Einmal führt er normales Handeln an – der Maler Paul Gauguin regte sich ja schon darüber auf, dass die Einheimisc­hen auf Tahiti für die Fremden Skulpturen in Serie produziert­en. Und dann verweist Kramer auf zum Teil höchst komplizier­te Tauschgesc­häfte. Wie will man das jemals lösen?

Wichtig ist der Dialog mit den Herkunftsl­ändern. Es gibt ja lauter unterschie­dliche Perspektiv­en. Deshalb können wir hier gar nicht alleine entscheide­n, was problemati­sch ist und was nicht, oder was zurückgebe­n wird und was nicht.

Mit welchen konkreten Rückgabefo­rderungen werden Sie konfrontie­rt?

Der Schiffssch­nabel in der Afrika-Abteilung ist wahrschein­lich das bekanntest­e Beispiel. Er hat zu verschiede­nsten Forschunge­n geführt. Bis dato ist das Objekt bei uns; die Frage ist, wer den tatsächlic­hen Anspruch auf das Objekt hat.

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Foto: MFK Direktorin Uta Werlich Buddha von 1844. mit einem

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