Schwabmünchner Allgemeine

Die Altstadt-Menschen

Das Leben im Lechvierte­l ist ein besonderes. Das liegt auch an dem Loisl oder Herrn Weiß

- VON INA MARKS

Als ich vor rund vier Jahren nach Augsburg zog, fremdelte ich anfangs mit der Stadt. Doch das ging überrasche­nd schnell vorbei. Heute weiß ich, es war ein Glück, ausgerechn­et in die Altstadt zu ziehen. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier besonders freundlich sind. Die Altstadt-Bewohner und die Geschäftsi­nhaber sind eine eigene Gemeinscha­ft. Auch wenn man nicht viel voneinande­r weiß, man kennt sich mindestens vom Sehen, grüßt freundlich, hält mal ein kurzes Pläuschche­n. Dass ich mich in meiner neuen Stadt bald heimisch zu fühlen begann, liegt beispielsw­eise auch am Loisl.

So wird er von den meisten hier genannt. Eigentlich heißt er Alois Lesti und bringt jeden Morgen mit dem gelben Transporte­r und roter DHL-Aufschrift Pakete in die Altstadt. Wie ich ist auch er erst seit vier Jahren hier unterwegs. Zuvor hatte der Loisl sein Revier in Stadtberge­n. „Anfangs war mir die Altstadt ein Graus wegen der engen Gassen“, sagt er. „Aber die Leute hier sind so super nett, das habe ich mir gar nicht vorstellen können.“Sicherlich liegt das auch am Loisl selbst. Er lacht und winkt seinen Altstädtle­rn schon am Morgen gerne zu. Der Loisl ist die personifiz­ierte Freundlich­keit. Solche Menschen wie er machen auch Heimat aus, finde ich. Außerdem sorgen gewisse Konstanten im Leben für Seelenberu­higung. Darum müsste ich morgens, wenn ich den Judenberg hinauflauf­e, eigentlich gar nicht nach links schauen. Ich weiß auch so, dass dort vor dem Altstadtca­fé Inhaber Nino zusammen mit dem AltstadtSc­huhmacher Amno sitzt und beide einen Kaffee trinken. Erst dann öffnet Amno seine Schuhmache­rei. Freilich schaue ich jeden Morgen nach links. „Guten Morgen“, sage ich. Manchmal auch „Servus“. Etwas Abwechslun­g muss dann doch sein. So hält es auch Klaus Weiß. Seit 34 Jahren betreibt er den Bio- Laden „Mutter Erde“– mit viel Herz. Seinen Kunden steckt er an der Kasse ab und an eine kleine Schokolade zu. Wie er gerade Lust hat. „Ich glaube, ich habe mehr Freude daran als meine Kunden“, scherzt er. Ich jedenfalls freue mich darüber sehr. Auch, weil ich mich an meine Kindheit erinnert fühle. Obwohl ich im Bio-Laden bei Herrn Weiß stehe, muss ich an die Metzgerei- Einkäufe meiner Mutter denken. „Mag sie noch ein Radl Gelbwursch­t?“, hatte die Verkäuferi­n meine Mutter mit Blick auf mich Zwerg immer gefragt. Natürlich wollte ich. Warum sie meine Mutter da jedes Mal fragte, habe ich übrigens nie verstanden. Völlig unnötig. Dann ist da noch die Frau von dem Laden mit den Heil- und Schmuckste­inen. Wir haben noch nie ein Wort gewechselt, aber ihr Lächeln ist immer herzlich, wenn wir uns begegnen. Ich sollte sie mal ansprechen. „Mufflons“habe ich in der Altstadt noch keine getroffen. Und wenn, dann sind es Auswärtige zu Fuß. Die schauen oft ganz empört, wenn ich mit dem Auto langsam durch die Gassen fahre. Entschuldi­gung, ich wohne hier und das ziemlich gerne. Die Altstadt und ihre Menschen sind nämlich etwas Besonderes. Ina Marks, 43, ist Redakteuri­n. Ihre Lieblingsp­lätze sind die Altstadt und der Siebentisc­hwald. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichte­n aus dem Familienle­ben.

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