Eine Dame namens Rosa ist der Star am Strand
Ein Familientag eröffnet das Singoldsand Festival. Zwischen Kindern, die im Sand buddeln, tummeln sich Gänse, Hühner und ein Schwein. Der harte Kern der Festivalgänger tanzt am Ende im Nieselregen
Der Kindertag zur Eröffnung des Singoldsandfestivals kommt bestens an. Woran sich die Kinder erfreuen können.
Die Hüpfburg wackelt, die Kinder springen. Ein paar Meter weiter erklimmen Jungen und Mädchen den großen Sandhügel. Auf der Wiese neben der Festivalbühne balancieren die Kinder auf Stelzen. Oder sie üben sich im Dosenwerfen. Doch die größte Attraktion des Tages stapft mit wackelndem Ringelschwanz über das Gelände. Rosa von Schwarte schlendert vorbei an den lachenden und staunenden Kindern, entlang an Buden, Bars und Bierbänken. Das schwarzgefleckte Schwein zieht die Blicke auf sich. Gemeinsam mit einer Gänsefamilie und Hühnern wandert es ganz frei durch den Sand. Rosa ist Teil des Kleintierzirkus Liberta, der hier beim Singoldsand Festival in Schwabmünchen gastiert.
Es ist die achte Auflage des Festivals, und zum ersten Mal widmet sich das Pop-Event den Kindern und Familien. Gemeinsam mit dem Kreisjugendring und 200 ehrenamtlichen Helfern haben die Organisatoren diesen Tag, den Singoldsandkasten, geplant. Um 14 Uhr strömen die ersten Familien auf das Gelände am Ufer der Singold, eine stattliche Menschenschlange reiht sich vor den Eingang. 1500 Besucher – so wird die Bilanz lauten.
Eltern und Kinder wollen einen Blick auf den Zirkus Liberta erhaschen, sie drängen sich in der Nachmittagshitze um die Manege vor dem bunt bemalten Wohnwagen. Gänse schnattern, die Kinder kichern, und ab und an gluckst eine Henne. Dieter Schetz, der Direktor des „Kleinsten Zirkus der Welt“, tritt auf. Der Mann mit dem Spitzbart reißt ein paar lockere Sprüche, um ganz beiläufig eine weiße Maus aus einem Becher zu zaubern. Dann lässt er eine schwarze Katze durch einen Rahmen aus Zeitungspapier hüpfen.
Vor der Strandbühne eröffnet sich der Sandstrand – die Manege, in der sich die Kinder austoben dürfen. Während viele buddeln und den Sand in Förmchen pressen, lässt sich ein Junge gleich mehrmals mit sichtlicher Freude vom Berg kullern. Ein kleiner Planwagen zieht Spuren durch den Sand. Er gehört Betty Schönmetz und Sabine Schuster. „Zwei Muttis und drei Kinder – so sind wir heute unterwegs“, sagt Schönmetz. Was sie für den Tag am Singoldsandkasten brauchen, listet Schuster auf: „Schnuller, Handtuch, Mütze, Sonnenhut, Decken und Trinken. Da kann man einen Bollerwagen gut gebrauchen.“
Die Tochter von Betty Schönmetz hat beim Aktionsparcours des Kreisjugendrings mitgemacht und sich fünf Stempel ergattert. Die dreijähri- ge Lilly verrät schüchtern und in knappen Worten, was sie auf diesem Weg gemeistert hat. „Ringe werfen“, sagt sie und macht große Augen. Eine Balancierübung hat sie absolviert und auch mit Bällen auf Dosen geworfen. Als Gewinn winkt ein Eis – eine angemessene Belohnung bei schwüler Hitze. Doch Lillys kulinarisches Highlight: „Popcorn!“
Kinderwagen schlängeln sich durch eine Seitengasse des Geländes, Kässpätzle-Bude, T-ShirtDruck und Batik. Zähfließender Verkehr – ein Buggy reiht sich an den nächsten. Doch in die Kolonne der Kinderwagen mischt sich eine Gruppe von Rollstuhlfahrern. Das Schwabmünchner Seniorenzentrum Haus Rafael besucht den Singoldsandkasten. Zenta Klein hat mit ihrem Rollstuhl einen schattigen Platz am Stand der Wasserwacht gefunden. „Es ist etwas laut“, sagt die Frau mit dem weißen, gewellten Haar. „Aber es ist alles so schön hergerichtet. Die Kombination ist toll.“Die freilaufenden Gockel bringen sie zum Lachen und vor allem Rosa von Schwarte.
Und während die Frau mit dem kleinen Strohhut ihre Portion Pommes genießt, läuft die Sau um die Ecke. Vorbei an der Currywurstbude bis zum Cocktailstand, an dem Eltern ein wenig Ruhe und Unterzwischen haltung finden. Das Festival bleibt ein Schwabmünchner Projekt. Vereine betreiben die Stände, von den Volleyballern bis zum THW. Doch zu den Schaustellern gehört auch Lucy aus Schwabmünchen. „Das Geschäft läuft gut“, sagt die Zwölfjährige. In ihrem Pavillon bietet sie Flechtfrisuren und bunte Strähnchen an. Ihre Kundschaft steht Schlange – vor allem Mädchen, die ihre Haare pink färben wollen. „Nimm Platz“, sagt sie jeder kleinen Kundin und weist auf den Sitz, der mit goldener Folie bespannt ist. Und routiniert wie ein Profi stellt sie mit einem Lächeln die nächste Frage: „Was hättest du gerne?“
Die Atmosphäre ist entspannt und herzlich – und die Kulisse kreativ. 50 ehrenamtliche Helfer haben sich allein um die Dekoration gekümmert. Stühle und Segel hängen in und an den Bäumen. Eine Lichterkette, die sich um einen Baum aus Draht schlängelt, funkelt in den Abendstunden. Die Lightbar des THW leuchtet mit den Glühbirnen der Cocktailbar um die Wette.
Doch das Finale des Kindertags kündigt sich mit Donner und Blitz an. Gerade, als ein Pirat auf der Strandbühne eine Zaubershow präsentiert und die Kinder zu Späßen animiert, setzt Regen ein. Viele Familien verlassen das Gelände, andere suchen Unterschlupf in den Zelten. Doch der harte Kern bleibt, bis das Prasseln zu einem leichten Nieseln abklingt. Und bis die Livemusik beginnt. „Ihr seid die Tapfersten der Tapferen“, rufen die Sänger von „Unter meinem Bett“in die Menge. Dutzende Regencapes sammeln sich am Geländer.
Eltern und Kinder tanzen gemeinsam. Ein Junge im Regenponcho setzt sich in den nassen Sand und blickt mit Kulleraugen auf die Bühne. Josef Falch vom Kreisjugendring betrachtet diese Szenen und ist glücklich. „Diesen schönen Platz so zu erleben, das war herrlich“, sagt Falch. Gerne würde der KJR das Projekt Singoldsandkasten fortsetzen. Auch Falchs Kollegin Mairi MacFarlane würde sich über eine Fortsetzung freuen: „Es war megagalaktisch gut.“
Und als die Musik verklingt, die letzte Vorführung beendet ist, und die Leuchtbuchstaben über dem Zirkus-Container erloschen sind, da setzt sich Dieter Schetz auf eine Holzkiste und zündet sich eine Zigarette an. Hühner und Gänse scharen sich um ihn, die Katzen hat er in den Wagen gebracht. Er wartet nur noch auf Rosa von Schwarte. „Aber die weiß genau, wo ich bin“, sagt der Zirkusdirektor. „Ist ja schließlich keine dumme Sau.“