Der Sand ist das größte Souvenir
Der Abbau des Singoldsand Festivals schreitet voran, schon am Sonntagabend ist die Hälfte verschwunden. Manch ein junger Helfer sichert sich ein Erinnerungsstück
Die Abendsonne strahlt auf den Festivalplatz an der Singold. Als sei nichts gewesen. Als sei dort nicht drei Tage lang der Regen auf die Erde geprasselt, während Tausende Festivalgänger durch den Matsch tanzten. Doch der Sand der Tanzfläche ist wieder trocken und häuft sich zu einem Berg in der Mitte des Platzes. Die Aufräumarbeiten beginnen und die Spuren des diesjährigen Singoldsand Festivals verschwinden Stück für Stück.
Ein paar Glasscherben liegen am Rand eines Trampelpfads. Andrea Klein kehrt sie zusammen. Eigentlich ist sie die Pressekoordinatorin, aber heute hilft sie mit Schaufel und Besen. „Seit 10 Uhr baut das Team ab“, berichtet sie. Doch in den Köpfen hallt das Fest noch nach. „Alle sind müde und wehmütig“, sagt Klein. „Das, was wir tagelang aufgebaut haben, räumen wir jetzt in aller Schnelle wieder ab.“Nach den langen Festivaltagen mit akutem Schlafmangel wagt sie eine Prognose: „Wir gehen heute alle früh ins Bett.“
Es ist 19 Uhr und mehr als die Hälfte des Abbaus ist geschafft. Auf dem Dach der Seebühnenbar hämmern Helfer gegen die hölzernen Dachlatten. Ein junger Mann mit Sonnenbrille lenkt lächelnd einen Gabelstapler
Der Sandberg wird zum Vertreiber zurückgebracht
über den Hauptplatz. Dort steht noch das Skelett der Strandbühne. Der Abbau des Gerüsts ist eine der wenigen Aufgaben, die das Team der ehrenamtlichen Helfer nicht selbst stemmt. Am Rande dieser Bühne liegen noch kleine Sandhäufchen. Darin steckt der bunte Flitter, den die Band „Dicht & Ergreifend“über das Publikum gefeuert hatte. Der große Sandberg wird aber wieder an den Vertreiber zurückgebracht und weiterverwertet.
Andrea Klein steht vor den Resten eines Zelts, in dem in der Nacht zuvor noch die Festivalgänger auf Kissen und Decken lagen. Bis auf ein paar Stangen ist es jetzt abgebaut. Klein betrachtet das zwiebelförmige Zeltgerüst: „Wir Helfer waren immer nur am Rennen, kaum einer hatte Zeit, sich hier auszuruhen.“Doch bei aller Wehmut ist der Abbau für sie auch eine Entdeckungsreise. „Ich sehe jetzt noch einmal ganz neue Details.“Ein kleines Element der Dekoration, das sie nicht wahrgenommen hat, ein buntes Schild oder eine Lampe, die sie zuvor nicht bemerkt hat.
Die Kulisse der Theaterbühne am Kanal, die das Ufer der Singold in eine Urwaldszene verwandelte, besteht aus Styropor. Zu großen Teilen wird sie jetzt neu verwertet und upgecycelt. Der Blickfang der Seebühne steht aber noch: Eine steinerne Fratze, die ihre Zunge herausstreckt und aus deren Augen ein grünes Licht „Wir wissen noch nicht, was aus der Maske wird“, sagt Klein. „Aber sie ist zu wertvoll, um sie wegzuwerfen.“Teile der Deko bewahrt das Team auf. Acht Schuppen stehen dem Festival im Süden von Schwabmünchen zur Verfügung und auch eine Werkstatt gegenüber dem Festivalgelände.
Bis zum letzten Arbeitstag steht auf dem Platz die Feldküche. Neben den weißen Zelten nehmen die Helfer zum Abendessen auf den Bierbänken Platz. Das Küchenteam teilt Schinkennudeln aus und am Desserttisch sprudelt ein Schokoladenbrunnen. Für die Köche applaudieren die Ehrenamtlichen spontan. Dann plaudern die jungen Helfer, schwelgen in Erinnerung und tauschen sich über die Momente der Festivalzeit aus.
Sophie Kellner war gerührt, als der Abbau begann. „Eine Stunde lang habe ich das Gefühl gehabt, gleich weinen zu müssen“, sagt die junge Frau. „Es ist schade, wenn es vorbei ist.“Zu den Handwerkern im Team gehört Max Engler. „Defekt, aber glücklich“, so beschreibt er seine Gemütslage. „Der Aufbau, die Schichten an der Bar. Das macht körperlich platt.“Und dennoch packt er jetzt mit an. Die gröbste Arbeit habe man heute geschafft, sagt er. „Aber es ploppen noch viele Kleinigkeiten auf.“Deswegen sind für den Abbau drei Tage anberaumt.
Eine Tafel lehnt am Küchenzelt. Darauf steht, mit Kreide geschrieben, der Zeitplan. Arbeitsbeginn: Dienstag um 8.30 Uhr, Mittwoch um 8.30 Uhr. Gemeinsames Mittagessen, Abendessen. „Die, die jetzt helfen, sind der harte Kern“, sagt Lorenz Merbold. „Jedes Jahr ist es viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt.“Gerne denkt er an den Singoldsandkasten zurück, an den Familientag. „Die Kinder, die im Sand gespielt haben, diese Atmosphäre. Was für ein Tag“, sagt Merbold. Er sichert sich ein Andenken an diese Zeit: „Den Crewfunkelte. Ausweis, den behalte ich jedes Jahr. Den erhält man nämlich nur als Supervisor, den hat nicht jeder.“Auch Sophie Kellner will sich ein Erinnerungsstück sichern und hält noch Ausschau. Doch Max Engler weiß schon, was ihm in großer Menge von diesem Fest bleibt: „Der Sand ist das größte Souvenir. Der kommt zuhause überall raus, aus allen Ecken und Enden. Und das noch wochenlang.“
Während der Abbau fortschreitet, ziehen nicht nur die Helfer ein Fazit. Die Polizei spricht von einer durchwegs friedlichen Atmosphäre. Sie lobt das „mustergültig ausgearbeitete Sicherheitskonzept“der Veranstalter und den zuverlässigen Sicherheitsdienst. Die eingesetzten Zivilkräfte erwischten am Samstag lediglich einen 27-jährigen Schwabmünchner mit einem Joint. Bei der Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei weiteres Rauschgift. Den 27-Jährigen erwartet nun eine Anzeige nach dem Betäubungsmittelgesetz.