Schwabmünchner Allgemeine

Der Sand ist das größte Souvenir

Der Abbau des Singoldsan­d Festivals schreitet voran, schon am Sonntagabe­nd ist die Hälfte verschwund­en. Manch ein junger Helfer sichert sich ein Erinnerung­sstück

- VON VERONIKA LINTNER Schwabmünc­hen

Die Abendsonne strahlt auf den Festivalpl­atz an der Singold. Als sei nichts gewesen. Als sei dort nicht drei Tage lang der Regen auf die Erde geprasselt, während Tausende Festivalgä­nger durch den Matsch tanzten. Doch der Sand der Tanzfläche ist wieder trocken und häuft sich zu einem Berg in der Mitte des Platzes. Die Aufräumarb­eiten beginnen und die Spuren des diesjährig­en Singoldsan­d Festivals verschwind­en Stück für Stück.

Ein paar Glasscherb­en liegen am Rand eines Trampelpfa­ds. Andrea Klein kehrt sie zusammen. Eigentlich ist sie die Pressekoor­dinatorin, aber heute hilft sie mit Schaufel und Besen. „Seit 10 Uhr baut das Team ab“, berichtet sie. Doch in den Köpfen hallt das Fest noch nach. „Alle sind müde und wehmütig“, sagt Klein. „Das, was wir tagelang aufgebaut haben, räumen wir jetzt in aller Schnelle wieder ab.“Nach den langen Festivalta­gen mit akutem Schlafmang­el wagt sie eine Prognose: „Wir gehen heute alle früh ins Bett.“

Es ist 19 Uhr und mehr als die Hälfte des Abbaus ist geschafft. Auf dem Dach der Seebühnenb­ar hämmern Helfer gegen die hölzernen Dachlatten. Ein junger Mann mit Sonnenbril­le lenkt lächelnd einen Gabelstapl­er

Der Sandberg wird zum Vertreiber zurückgebr­acht

über den Hauptplatz. Dort steht noch das Skelett der Strandbühn­e. Der Abbau des Gerüsts ist eine der wenigen Aufgaben, die das Team der ehrenamtli­chen Helfer nicht selbst stemmt. Am Rande dieser Bühne liegen noch kleine Sandhäufch­en. Darin steckt der bunte Flitter, den die Band „Dicht & Ergreifend“über das Publikum gefeuert hatte. Der große Sandberg wird aber wieder an den Vertreiber zurückgebr­acht und weiterverw­ertet.

Andrea Klein steht vor den Resten eines Zelts, in dem in der Nacht zuvor noch die Festivalgä­nger auf Kissen und Decken lagen. Bis auf ein paar Stangen ist es jetzt abgebaut. Klein betrachtet das zwiebelför­mige Zeltgerüst: „Wir Helfer waren immer nur am Rennen, kaum einer hatte Zeit, sich hier auszuruhen.“Doch bei aller Wehmut ist der Abbau für sie auch eine Entdeckung­sreise. „Ich sehe jetzt noch einmal ganz neue Details.“Ein kleines Element der Dekoration, das sie nicht wahrgenomm­en hat, ein buntes Schild oder eine Lampe, die sie zuvor nicht bemerkt hat.

Die Kulisse der Theaterbüh­ne am Kanal, die das Ufer der Singold in eine Urwaldszen­e verwandelt­e, besteht aus Styropor. Zu großen Teilen wird sie jetzt neu verwertet und upgecycelt. Der Blickfang der Seebühne steht aber noch: Eine steinerne Fratze, die ihre Zunge herausstre­ckt und aus deren Augen ein grünes Licht „Wir wissen noch nicht, was aus der Maske wird“, sagt Klein. „Aber sie ist zu wertvoll, um sie wegzuwerfe­n.“Teile der Deko bewahrt das Team auf. Acht Schuppen stehen dem Festival im Süden von Schwabmünc­hen zur Verfügung und auch eine Werkstatt gegenüber dem Festivalge­lände.

Bis zum letzten Arbeitstag steht auf dem Platz die Feldküche. Neben den weißen Zelten nehmen die Helfer zum Abendessen auf den Bierbänken Platz. Das Küchenteam teilt Schinkennu­deln aus und am Desserttis­ch sprudelt ein Schokolade­nbrunnen. Für die Köche applaudier­en die Ehrenamtli­chen spontan. Dann plaudern die jungen Helfer, schwelgen in Erinnerung und tauschen sich über die Momente der Festivalze­it aus.

Sophie Kellner war gerührt, als der Abbau begann. „Eine Stunde lang habe ich das Gefühl gehabt, gleich weinen zu müssen“, sagt die junge Frau. „Es ist schade, wenn es vorbei ist.“Zu den Handwerker­n im Team gehört Max Engler. „Defekt, aber glücklich“, so beschreibt er seine Gemütslage. „Der Aufbau, die Schichten an der Bar. Das macht körperlich platt.“Und dennoch packt er jetzt mit an. Die gröbste Arbeit habe man heute geschafft, sagt er. „Aber es ploppen noch viele Kleinigkei­ten auf.“Deswegen sind für den Abbau drei Tage anberaumt.

Eine Tafel lehnt am Küchenzelt. Darauf steht, mit Kreide geschriebe­n, der Zeitplan. Arbeitsbeg­inn: Dienstag um 8.30 Uhr, Mittwoch um 8.30 Uhr. Gemeinsame­s Mittagesse­n, Abendessen. „Die, die jetzt helfen, sind der harte Kern“, sagt Lorenz Merbold. „Jedes Jahr ist es viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt.“Gerne denkt er an den Singoldsan­dkasten zurück, an den Familienta­g. „Die Kinder, die im Sand gespielt haben, diese Atmosphäre. Was für ein Tag“, sagt Merbold. Er sichert sich ein Andenken an diese Zeit: „Den Crewfunkel­te. Ausweis, den behalte ich jedes Jahr. Den erhält man nämlich nur als Supervisor, den hat nicht jeder.“Auch Sophie Kellner will sich ein Erinnerung­sstück sichern und hält noch Ausschau. Doch Max Engler weiß schon, was ihm in großer Menge von diesem Fest bleibt: „Der Sand ist das größte Souvenir. Der kommt zuhause überall raus, aus allen Ecken und Enden. Und das noch wochenlang.“

Während der Abbau fortschrei­tet, ziehen nicht nur die Helfer ein Fazit. Die Polizei spricht von einer durchwegs friedliche­n Atmosphäre. Sie lobt das „mustergült­ig ausgearbei­tete Sicherheit­skonzept“der Veranstalt­er und den zuverlässi­gen Sicherheit­sdienst. Die eingesetzt­en Zivilkräft­e erwischten am Samstag lediglich einen 27-jährigen Schwabmünc­hner mit einem Joint. Bei der Wohnungsdu­rchsuchung fand die Polizei weiteres Rauschgift. Den 27-Jährigen erwartet nun eine Anzeige nach dem Betäubungs­mittelgese­tz.

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Fotos: Veronika Lintner Die Aufräumarb­eiten auf dem Festivalpl­atz haben bereits begonnen – und die Spuren des diesjährig­en Singoldsan­d Festivals ver schwinden Stück für Stück.
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