Schwabmünchner Allgemeine

Abgastest treibt Steuer nach oben

Nach dem Diesel-Skandal gilt mit dem WLTP nun ein deutlich strengeres Messverfah­ren. Dadurch wird es für einige Autofahrer teurer

- Berlin

Der Finanzmini­ster kann sich freuen – viele Autofahrer nicht. Denn für neu zugelassen­e Wagen steigt bei vielen Modellen seit diesem Wochenende die Kfz-Steuer. Das liegt an dem neuen, realitätsn­äheren Abgastest WLTP. Die Abkürzung steht für „Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure“. Der neue europaweit­e Standard ist ein Messverfah­ren, das für realistisc­here Werte bei den Schadstoff­emissionen sowie beim Verbrauch sorgen soll. Die Untersuchu­ngen sind gründliche­r als im bisherigen Verfahren. Seit diesem Samstag dürfen nur noch Autos neu zugelassen werden, die den neuen Prüfstanda­rd durchlaufe­n haben.

Das hat Auswirkung­en auf die Kfz-Steuer, die nach dem Hubraum und dem CO2-Wert des Fahrzeugs bemessen wird, aus dem sich der Spritverbr­auch ergibt. Die KfzSteuer wird fortan für neu zugelassen­e Pkw nach den WLTP-Werten berechnet. Im Vergleich zum alten Standard werden auf dem Papier überwiegen­d höhere Verbrauchs­werte und Emissionen erwartet.

Zwar ist der Pkw-Bestand von der Neuregelun­g nicht berührt – wer aber ein Fahrzeug neu zulässt, muss mit einem WLTP-Zuschlag rechnen. Die Kfz-Steuer werde für viele Autofahrer, die ihr Fahrzeug nach dem Stichtag erstmals zulassen, höher ausfallen, sagt der ADAC-Vizepräsid­ent für Verkehr, Ulrich Klaus Becker.

Nach ADAC-Berechnung­en steigt die Steuer für einzelne Modelle um mehr als 70 Prozent. Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r vom CAR-Center an der Uni Duisburg-Essen sagt, gängigen Prognosen zufolge sei beim WLTP- Test mit einem 20 Prozent höheren Treibstoff­verbrauch und damit 20 Prozent höheren Werten beim Ausstoß des klimaschäd­lichen Kohlendiox­ids (CO2) zu rechnen. Dudenhöffe­r erwartet im Schnitt 50 Euro mehr Kfz-Steuer. „Das sind keine großen Beträge, aber für viele ist das dennoch ärgerlich“, sagt Isabel Klocke, Abteilungs­leiterin Steuerrech­t beim Bund der Steuerzahl­er. Empfehlens­wert sei deshalb, sich vor dem Neuwagenka­uf Hubraum und WLTP-Wert vorlegen zu lassen. Und was bringt das Ganze dem Fiskus? Im Haus von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) gibt man sich wortkarg. Mangels ausreichen- der Datenbasis seien „verlässlic­he repräsenta­tive Aussagen“über die konkreten Auswirkung­en der Umstellung auf die Kraftfahrz­eugsteuer noch nicht möglich, sagt ein Sprecher. Das Ministeriu­m will die Auswirkung­en von WLTP auf die KfzSteuer nach einem Jahr überprüfen. Bisher bringt die Kraftfahrz­eugsteuer dem Bund knapp neun Milliarden Euro pro Jahr. Durch WLTP kommt es nun zu einem „Papiereffe­kt“, wie Dudenhöffe­r es beschreibt. Die tatsächlic­hen Verbrauchs­daten und Emissionen bleiben gleich, es ändert sich aber die Steuereins­tufung. Der Branchenex­perte rechnet mit Steuermehr­einnahmen von rund 170 Millionen Euro im Jahr.

Allerdings dürfte der Zuschlag erst nach und nach wirksam werden. Denn bei Autobauern kommt es wegen der Umstellung auf WLTP derzeit zu Lieferengp­ässen, vor allem bei VW. Die Hersteller müssen Modelle unter den schärferen Bedingunge­n neu zertifizie­ren lassen – alleine bei VW müssen mehr als 260 Getriebe-Motorkombi­nationen neu gemessen und zugelassen werden. VW musste wegen fehlender Zulassunge­n für Neuwagen riesige Parkplatzf­lächen mieten – zum Beispiel am künftigen Hauptstadt­flughafen BER. „Der deutsche Automarkt wird durch WLTP im zweiten Halbjahr deutlich gebremst“, prognostiz­iert Dudenhöffe­r.

WLTP könnte noch einen anderen Effekt haben. Zusammen mit geplanten strengeren CO2-Grenzwerte­n in der EU könnte der neue Prüfstanda­rd den Umstieg auf alternativ­e Antriebe beschleuni­gen, sagt Dudenhöffe­r. „Der Verbrennun­gsmotor hat es schwerer in der Zukunft.“Umweltverb­ände und Grüne fordern einen grundlegen­den Kurswechse­l, vor allem mit Blick auf schwere SUV – ein Segment, das nach wie vor boomt. Eine „geringfügi­g“höhere Kfz-Steuer für schwere SUV werde den Trend zu diesen Fahrzeugen nicht bremsen, sagt Grünen-Bundestags­fraktionsv­ize Oliver Krischer. „Dafür sind die Aufschläge leider viel zu gering“, erläutert er. „Es bräuchte eigentlich eine Kfz-Steuer, die schwere Spritschlu­cker mit hohem CO2-Ausstoß viel stärker belastet. Aus den Einnahmen ließen sich CO2-freie Elektroaut­os stärker fördern.“

 ?? Foto: Volkswagen AG, dpa ?? Mehrere Volkswagen werden mit einem mobilen Testgerät für einen WLTP Abgastest vorbereite­t. Mit dem Testverfah­ren werden die Abgasemiss­ionen und der Verbrauch von Fahrzeugen ermittelt.
Foto: Volkswagen AG, dpa Mehrere Volkswagen werden mit einem mobilen Testgerät für einen WLTP Abgastest vorbereite­t. Mit dem Testverfah­ren werden die Abgasemiss­ionen und der Verbrauch von Fahrzeugen ermittelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany