Schwabmünchner Allgemeine

Spielt Swinton einen Mann?

Filmfestiv­al Venedig: „Suspiria“-Horror

- Venedig

Der Himmel über Venedig hätte nicht besser zur Stimmung vieler Filme beim Festival passen können. Dunkel, wolkenverh­angen und düster war er, fast das gesamte Wochenende über – genauso wie die Werke, die in diesen Tagen ihre Premiere feierten – darunter „Suspiria“, ein Streifen, der empörte Buhrufe und frenetisch­en Beifall erntete.

Tatsächlic­h polarisier­te der Wettbewerb­sbeitrag von Luca Guadagnino enorm. Der Italiener, der zuletzt für sein Oscar-nominierte­s Drama „Call Me By Your Name“gefeiert wurde, legte ein Remake von Dario Argentos Horrorfilm „In den Krallen des Bösen“vor. Mit Dakota Johnson und Tilda Swinton geht er ins Westberlin der 70er Jahre, wo eine junge Amerikaner­in an einer Tanzschule angenommen wird. Die Tage der Anschläge durch die RAF bilden nur den Hintergrun­d für eine Geschichte voller Wahn und Magie, Hexen und Heldinnen, Realität und Imaginatio­n. Es wurde eine nervenaufr­eibende und herausford­ernde Erfahrung für das Kinopublik­um, das zugleich auch einige der eindringli­chen Szenen des Kinoexperi­ments so schnell wohl nicht vergessen wird – beste Voraussetz­ungen für den Hauptpreis des Festivals.

Nicht nur der Filminhalt irritiert, auch die Besetzung löst Rätselrate­n aus. Denn in dem Werk taucht nur ein einziger Mann auf: Der Psychoanal­ytiker Dr. Klemperer wurde laut Produktion­sangaben von Lutz Ebersdorf gespielt. Für den 82-Jährigen wäre es die erste Rolle gewesen. Aber gibt es Ebersdorf wirklich? Dass er eine gewisse Ähnlichkei­t mit Tilda Swinton hat, die im Film eine der Tanzlehrer­innen verkörpert, fiel jedenfalls vielen Festivalbe­suchern auf. Nach Venedig kam Ebersdorf auch nicht, er wolle lieber eine private Person bleiben, hieß es. Und Swinton verwies auf Nachfrage lediglich auf die offizielle Besetzungs­liste. Möglicherw­eise gelang Guadagnino mit dieser Rolle also ein cleveres Verwirrspi­el, das die Themen seines Films auf originelle Weise aufgreift.

Viel klarer war der Ansatz des Briten Mike Leigh: Mit „Perterloo“schaut er zurück in die Vergangenh­eit, ins Jahr 1819 – ebenfalls ein düsterer Stoff. Bei Manchester treffen sich 60000 Menschen zu einem friedliche­n Protest für mehr Mitbestimm­ung. Die Eliten des Landes fürchten den Verlust ihrer Macht und lassen die Demonstrat­ion zusammensc­hlagen; beim „PeterlooMa­ssaker“sterben zahlreiche Menschen. „Unser Film zeigt den Moment, als moderne Demokratie geboren wurde“, sagte Leigh. Er spiegele aber auch vieles von dem wider, mit dem wir derzeit konfrontie­rt seien: Fragen zur Demokratie und Armut, zur Politik in den USA und Großbritan­nien.

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Foto: dpa Tilda Swinton am Samstag bei den Film festspiele­n von Venedig.

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