Streit unter Nachbarn oder ein Kulturstreit?
Das Dönerrestaurant Sheymali in Bobingen hat geschlossen. Aus dem Traum der Selbstständigkeit wurde für die Besitzerin ein Albtraum mit fehlenden Genehmigungen, Polizeieinsätzen und Ärger mit einigen Nachbarn
Viele Stammgäste des ehemaligen Dönerrestaurants Sheymali in der Lindauer Straße in Bobingen können es noch immer nicht glauben. Das Restaurant hat geschlossen. Schaut man auf die positiven Bewertungen im Internet und hört man die Aussagen von ehemaligen Gästen, dann wird schnell klar, an der Qualität des Essens kann es nicht gelegen haben. Auch sei der Service immer freundlich, ja fast familiär gewesen. Woran liegt es also, dass die Betreiberin, Ayse Gül Gülbahar, aufgeben musste? Die Gründe hierfür sind, wie so oft, vielfältig. Es geht um eine junge Wirtin mit Kopftuch, Nachbarn, die dies irritiert und die sich über Lärm und Kochgeruch ärgern, um eine Hausbesitzerin, die nicht vor Ort lebt, sowie um das Ordnungsamt, das keine Genehmigung für eine Außenbewirtung vorliegen hat.
Wer sich in Bobingen auskennt, der weiß, dass es an diesem Standort schon lange wechselnde Gastronomiebetriebe gegeben hat. Einmal war es eine Bar, dann ein asiatisches Restaurant. Zuletzt eben ein Dönerrestaurant. Nun ist es kein großes Geheimnis, dass es immer wieder Probleme gibt, wenn sich Wohnhaus und Gastronomie in direkter Nachbarschaft oder sogar im gleichen Gebäude befinden. Das sei an diesem Standort früher kein Problem gewesen, sagt die ehemalige Pächterin und gebürtige Bobingerin, Ayse Gül Gülbahar. Es habe sich aber geändert, als vor zwei Jahren neue Nachbarn eingezogen seien.
Sie habe das Lokal im Mai 2017 von ihrem Vorgänger übernommen. Da sei es schon ein Döner-Lokal gewesen. Von Anfang an habe eine unfreundliche Stimmung in der Nachbarschaft geherrscht. Und das, obwohl im Lokal kein Alkohol ausgeschenkt wurde und nur bis 21.30 Uhr geöffnet war. Richtig schlimm sei es im Sommer geworden, als sie auch Gäste auf der Terrasse bewirtete. Sie hätte sich nichts dabei gedacht, da ja auch ihr Vorgänger die Terrasse genutzt hatte. Teilweise sogar bis 23 Uhr.
Eines Tages, stellte sie fest, dass sie von einer Nachbarin durch den Zaun fotografiert wurde, später erfuhr sie, dass sie und Gäste schon über ein Jahr lang fotografiert worden waren. Angeblich, so sagt Gülbahar, hätte die Nachbarin ein ganzes Album voller Fotos besessen, die sie erst nach Einschalten der Polizei wieder gelöscht habe. Doch dann sei die Sache erst richtig ins Rollen gekommen. Mehrmals seien Polizeifahrzeuge vor ihrem Lokal auf- und abgefahren. Auch hätten Beamte mehrfach das Lokal betreten. Auf ihre Nachfrage, was denn eigentlich los sei, wurde sie an das Ordnungsamt der Stadt Bobingen verwiesen. Erst dort habe sie erfahren, dass es um die fehlende Genehmigung der Außenbewirtung gehe und sich Nachbarn beschwert hätten. Daraufhin habe sie die Außenbewirtung eingestellt. Doch die Besuche der Polizei gingen weiter, was diese auf Rückfrage mit weiteren Beschwerden aus der Nachbarschaft und Nachfragen des Ordnungsamtes erklärt.
Schließlich habe sie von ihrer Verpächterin, die im Ausland lebe, eine Mail bekommen, wonach es vor dem Lokal zu „tumultartigen Menschenaufläufen“gekommen sei, und im Interesse der Bewohner das Pachtverhältnis mit dem Sheymali am besten aufgelöst werden sollte.
Ayse Gül Gülbahar versuchte ein klärendes Gespräch mit Nachbarn zu führen. Doch dabei sei sie, nach eigenen Aussagen, mit übelsten rassistischen Beleidigungen beschimpft worden. „Das hat mich schockiert“, sagt Gülbahar. „Mein Vater lebt seit 1969 in Bobingen. Ich bin hier geboren, meine Kinder sind hier geboren. Das bin ich von Deutschland nicht gewohnt. Von Bobingen, wo deutsch-türkische Freundschaft mittlerweile schon Tradition hat, erst recht nicht.“Dann habe sie Anzeige wegen Beleidigung und Rufschädigung erstattet.
Wenn man die Anwohner zu dem Thema fragt, dann geht es tatsächlich um die geschilderten Probleme. Aber die Perspektive ist eine andere. Sie hätten sehr unter dem Lärm gelitten, sagen Nachbarn. Zwar habe die Außenbewirtung nach den Polizeibesuchen aufgehört, aber dann seien die Gäste auf den Parkplatz vor dem Lokal ausgewichen, um zu rauchen. Zudem sei es in der engen Gasse zunehmend zu Parkplatzproblemen gekommen, weil die Gäste wenig Rücksicht auf die Anwohnerparkplätze genommen hätten. Allerdings, so sagen auch einige: Beim Vorgänger von Frau Gülbahar sei es noch schlimmer gewesen. Doch mit ihm hätten sie offen reden können. Die Verschleierung der Nachfolgerin habe sie in Gesprächen gehemmt.
Dass der Stein überhaupt ins Rollen gekommen wäre, habe hauptsächlich an einer Nachbarsfamilie gelegen, die am meisten unter der Geruchsbelästigung gelitten habe. Diese hätten der Besitzerin der Immobilie sogar das Angebot gemacht, sich an den Kosten für den Einbau einer Filteranlage zu beteiligen. Doch sei nur lapidar die Antwort gekommen, man solle sich doch an den zuständigen Rechtsanwalt der Wirtin wenden. „Das war alles“, sagt die Nachbarin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Gegen einen rassistischen Hintergrund ihrer Aussagen verwahren sich die Mehrzahl der Nachbarn. Allerdings bestätigt eine der Betroffenen, dass es einmal zu einem Wortgefecht gekommen sei, das man so auslegen hätte können. Jedoch sind alle der Auffassung, dass sich ihre Wohnqualität mit Schließung des Restaurants verbessert habe. Obwohl sie auch bedauern, dass die finanzielle Lage für die ehemalige Betreiberin nun nicht gerade „rosig“sei.
Der Kampfgeist von Ayse Gül Gülbahar war jedenfalls gebrochen. Der Umsatz war rückläufig. „Ich kann das verstehen“, sagt Gülbahar. „Ich wäre auch skeptisch, in ein Lokal zu gehen, wo ständig die Polizei vor der Tür steht.“Fehlende Gäste, ständiger Ärger und dann auch noch rassistische Beleidigungen, das sei zu viel für sie gewesen. Sie gab auf. Wie sie den fünfstelligen Eurobetrag, den sie als Schulden aus dem Abenteuer Selbstständigkeit mitnimmt, zurückzahlen soll, weiß sie noch nicht.
Um erst einmal abschalten zu können, habe sie mit ihren Töchtern ihren Bruder besucht, der mit seiner Familie in der Türkei lebt. „Das Seltsame an diesem Besuch war, dass wir in der Türkei „die Deutschen“waren. Wir wurden behandelt wie Touristen.“Wieder zu Hause habe ihre Tochter sie dann gefragt: „In der Türkei sind wir die Deutschen. Und in Deutschland sind wir die Türken. Was sind wir denn nun?“Die Antwort auf diese Frage ist sie ihrer Tochter bis heute schuldig geblieben.