Gegen die Wand
Du wankst nach dem Film aus dem Saal, angeschlagen wie ein Boxer in der neunzehnten Runde. Es gibt solche Filme, die einen in diese tiefe Trance versetzen, wie es nur Kino kann mit seiner magischen Ausschließlichkeit. Die Welt draußen existiert erst einmal noch nicht. Aber der Abspann ist abgelaufen, jetzt raus aus dem Dunkel, aus der Film-Geborgenheit ins Helle, Grelle, in die reale Welt. Ein Moment, vor dem man sich fürchtet wie davor, dass einen nachts jemand mit 200-Watt-Taschenlampe blendet und aus dem Schlaf reißt.
Da stehen sie, die Wartenden, die reinwollen in den Saal und eher unwirsch schauen auf die letzten Herausschleicher. Eine Art Spießrutenlauf ist das, durch eine Menge, die sich da ungeduldig verdichtet hat. Wer einen Film wie beispielsweise „Gundermann“von Andreas Dresen gesehen hat, der ist schutzlos, verwirrt, getroffen, aufgerissen – und jeder Blick, der ihn jetzt aus dem Knäuel der draußen Wartenden trifft, ist ein böser Blick, ein unverständiger Blick.
„Ihr Ahnungslosen“, denkst du beim Durchkämpfen ins Freie, im Herauswinden gegen den Strom. Und wirst gleichzeitig gewahr, was die Noch-nicht-im-Kino-Sitzenden in dem noch nicht wieder mit Schutzschicht imprägnierten Gesicht des Aus-dem-Film-Kommenden herauslesen könnten – wenn es sie interessieren würde. Es interessiert sie vielleicht, wenn sie gleich auch den Film sehen werden, aus dem die Leute gerade kommen. Lächelt jemand, ist jemand fröhlich, traurig, angefasst – oder schon wieder ganz unverbindlich neutral? Umgibt die Herauskommenden eine Art Schweigebann – oder können sie schon wieder plappern? Unter allen Gemeinschaftsmomenten, die ein Kinogänger erleben kann, ist dieses Herauskommen gegen die wartende Menge einer der heikelsten. Vielleicht ginge es mit geschlossenen Augen besser.